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9. Dezember 2020 | Kommentar der Woche | 

Hubertus Brantzen: Wenn die Krise uns voranbringt


(Foto: pixabay.com)

Kommentar der Woche: Wenn die Krise uns voranbringt

Prof. Dr. theol. Hubertus Brantzen (Foto: basis-online.net)

Prof. Dr. theol. Hubertus Brantzen (Foto: basis-online.net)

9.12.2020

Hubertus Brantzen

Wenn die Krise uns voranbringt

Gerade habe ich von der Initiative „Coaches helfen“ gelesen. Seit Sommer haben sich Menschen zusammengefunden, um ehrenamtlich andere zu beraten und zu begleiten, die aufgrund der Coronakrise psychisch in einen Engpass geraten sind. Kontaktbeschränkungen, Isolation oder mangelnde Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung machen vielen zu schaffen. Sie benötigen darum Hilfestellungen, um gut mit diesen Situationen umgehen zu können. Coaches stehen für ein erstes Telefonat und folgende intensivere Gespräche bereit.

In der Tat weckt die Krise neue, positive Kräfte. Das stellt auch Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung, in seinem Buch „Die neue Aufklärung“ fest. Die Krise habe vor allem das Gute im Menschen hervorgebracht: Solidarität, Toleranz, Chancengleichheit seien gewachsen. Das könne der Aufbruch zu einer neuen Aufklärung sein, in der Autonomie, Freiheit, Humanismus und Fortschritt Grundpfeiler sein könnten. Geht es um die Verhinderung gesellschaftlicher Katastrophen, könne nur ein starker Staat helfen. Nur er hat die Möglichkeit, die gleiche Würde aller Menschen und allgemein einen Humanismus zu sichern.

Schaut man sich jedoch rund um den Globus um, wie staatliche Gewalt ausgeübt wird, entdeckt man schnell, dass Autonomie, Freiheit und Humanismus sehr unterschiedlich definiert werden. Welche Werte im jeweiligen Staat gelten, wird festgelegt aufgrund der jeweiligen Machtverhältnisse, auch in einer Demokratie.

Hier stellt sich, wieder einmal, die nachdenklich machende Aussage des Verfassungsrechtlers Ernst-Wolfgang Böckenförde in den Weg: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“ Doch woher kommt eine solche Garantie?

Interessant erscheint bei jener positiven Sicht der Krise, dass Religion und Kirche, wenn überhaupt, eine sehr untergeordnete Rolle spielen. Sie sind nur eine Möglichkeit unter vielen Sozialsystemen, die Werte vermitteln und damit das gute Zusammenleben der Menschen garantieren können. Bringen sich die christlichen Kirchen genügend in die Debatte über Grundwerte ein und helfen dadurch, zu definieren, was Freiheit und Humanismus bedeuten? Oder werden sie in unserem Land inzwischen oft nicht eher als Verhinderer der individuellen Freiheit oder gar als repressive Instanz empfunden?

Sollen christlicher Glaube und dessen Wertvorstellungen eine wichtige Rolle spielen, ist die deutliche, positive Einmischung in die gesellschaftliche Debatte gerade in Zeiten der Krise notwendig. Die Kirchen tragen selbst wesentlich dazu bei, ob sie als „systemrelevant“ und gesellschaftsrelevant wahrgenommen werden.

Für das Basis-Team:
Hubertus Brantzen



Quelle: www.basis-online.net
Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung


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