Nachrichten

18. November 2020 | Worte des Bewegungsleiters | 

»Der Geist Gottes wohnt in eurer Mitte!« (1Kor 3,16) – Klima wandeln


Jahresmotiv 2020/2021 der Schönstatt-Bewegung in Deutschland (Grafik: Maria Kiess / POS Brehm)

Jahresmotiv 2020/2021 der Schönstatt-Bewegung in Deutschland (Grafik: Maria Kiess / POS Brehm)

Liebe Mitglieder und Freunde der Schönstatt–Bewegung,
liebe Leserinnen und Leser von www.schoenstatt.de,

Unsere Jahresmotto ist immer herausgelesen aus den Zeichen der Zeit. In Strömungen und Trends wird nicht nur Zeitgeist sichtbar, sondern auch der Geist der Zeit. Es gibt in allem Kräfte, die schädliche Wirkungen haben und gleichzeitig gibt es darin auch die Stimme Gottes. In diesem Jahr bleibt das Jahresmotto das gleiche wie bisher. Und doch ist es neu. Die Ereignisse des vergangenen Jahres helfen uns, das Jahresmotto ernster und tiefer zu verstehen.

Wo ist diese Mitte, wo wir den Geist Gottes finden sollen? Paulus beschreibt als diesen Ort die Gemeinde. „Ihr seid Gottes Tempel“ und „Gottes Tempel ist heilig, und der seid ihr!“, sagt er. Manchmal spricht Paulus auch ausdrücklich von jedem einzelnen Christen als Tempel Gottes und Tempel des Heiligen Geistes (1 Kor 6,19). Das ist eine Zusage und auch eine Aufforderung. Die Nähe Gottes soll das Klima der Gemeinschaft und auch das Alltagsklima jedes Einzelnen prägen. Leben ist immer konkret. Die Kleinigkeiten des Alltags sind ein Mosaik aus Erfahrungen und Handlungen, die das Klima des Ganzen heilig oder unheilig, mit Tiefgang oder oberflächlich werden lassen.

In der Unterscheidung von „Zeitgeist“ und „Geist der Zeit“ konkretisiert sich das Suchen und Finden des Geistes noch weiter. Unser Jahresmotto für das Jahr 2021 ist anders als sonst nicht nur Zukunftsmusik. Wir haben mit dem Motto Erfahrungen gemacht. Die Einschnitte und Ereignisse des vergangenen Jahres sind das Sprechen Gottes wodurch er uns zeigt, was er betonen möchte.

Was Gott durch die Verhältnisse und Einschnitte des letzten Jahres „in unsere Mitte“ gestellt hat:

Keiner kann sich allein retten

Die konkreten weltweiten gesundheitlichen Krisen durch die Pandemie haben die globale ökologische Herausforderung einerseits in den Hintergrund treten lassen und sie uns doch auch gleichzeitig verschärft zum Bewusstsein gebracht. Die Alltagspolitik ist vom Krisenmanagement geprägt und vieles ist gelungen. Immer deutlicher zeigt sich, dass die ökologische und soziale Zukunft ebenso ein weltweites Krisenmanagement braucht.

Papst Franziskus hat in seinem neuen Schreiben diese Dimension zum zentralen Thema gemacht. Im Blick auf die Pandemie sagt er: „Wir haben uns daran erinnert, dass keiner sich allein retten kann, dass man nur Hilfe erfährt, wo andere zugegen sind (FT 32; Besondere Andacht in der Zeit der Epidemie, 27. März 2020)

Schönstatt und Kirche findet zu Hause statt

Durch den Corona-Lockdown hat die Kirche Einschränkungen der Gottesdienste erlebt. War es nicht ein unübersehbarer Fingerzeig Gottes, das persönliche Leben aus dem Glauben, den Gottesdienst in den eigenen vier Wänden, viel ernster zu nehmen? Macht uns dies alles nicht aufmerksam, dass da der Ort, die Mitte ist, „in der der Geist Gottes wohnt“? Das ist auch ein Fingerzeig für die Suchbewegungen des synodalen Weges, eine Spur für die verschiedenen Kirchenfragen und Kirchenkrisen. Raimon Panikkar, ein indischer Theologe, hat gelegentlich zu den leerer werdenden Kirchen kommentiert, dass der Mensch, „der Tempel des Heiligen Geistes“, nicht leer wird und dass das der Ansatzpunkt für Glaubenserfahrung und für die christliche Verkündigung werden müsse.

Viele Schönstattfamilien können von ihren persönlichen Erfahrungen mit Gebet und Gottesdienst zu Hause berichten. Hausheiligtum und Familie als Hauskirche haben durch die Corona-Verhältnisse eine Aufwertung bekommen. Auch für Schönstatt heißt dieser Fingerzeig Gottes: das Alltags-Schönstatt braucht mehr Beachtung als das Tagungs-Schönstatt. Ob nicht die Werktagsheiligkeit als wichtige Dimension mehr Beachtung braucht? Vielleicht wäre es gar nicht schlecht, wieder einmal dieses wichtige Buch aus den frühen Jahren Schönstatts in die Hand zu nehmen.

Jedes Schönstatt-Zentrum und Schönstatt-Heiligtum braucht 100 Hausheiligtümer

Dieser Fingerzeig in Richtung Alltags-Schönstatt ist für mich auch ein Hinweis für unsere Schönstatt-Zentren. Corona ist in diesem Jahr für unsere Zentren und Bildungshäuser sehr konkret zu einer finanziellen Krise und zu einer Existenzkrise geworden. Bei den Trägervereinen steht der Jahresabschluss noch aus. Die konkreten Situationen sind sicher sehr unterschiedlich und doch ist es vielleicht für uns alle wertvoll, den Zusammenhang von konkretem Schönstatt-Heiligtum in meiner Nähe mit dem lebendigen Heiligtum aus Menschen, das zur gnadenhaften Wirklichkeit unserer Marienheiligtümer gehört, neu ernst zu nehmen. Als Bedingung für den Bau eines neuen Schönstatt-Heiligtums, so sagt man manchmal, braucht es 100 Hausheiligtümer – also 100 Familien und Menschen – die mit diesem Neubau verbunden sind. Bei allem Ringen um Finanzierung braucht es für ein Heiligtum das lebendige Heiligtum von Menschen, die ihr gelebtes Liebesbündnis und ihren Alltag als Beitrag mit dem Heiligtum aus Steinen verbinden.

Es geht um Kentenich – um seine Person und um sein Charisma

Ganz anders als wir es uns vorgestellt haben, hat uns das letzte Jahr auf die Person unseres Gründers hingewiesen. Ihn Vater und Gründer zu nennen, ist zu einer Angriffsfläche geworden. Die Glaubwürdigkeit des Neuen an der Gründung Schönstatts hängt an der Glaubwürdigkeit des Gründers. Konkrete Vorwürfe aus der Vergangenheit müssen geklärt werden.

Darüber hinaus macht uns die jetzige Situation darauf aufmerksam, das Klima und die Beziehung zu Kentenich insgesamt tiefer in den Blick zu nehmen. Unerwartet und als heftige Anfrage ist uns das auf die Tagesordnung gesetzt worden. Auch da geht es um den „Geist Gottes, der in unserer Mitte wohnt“. Als im September 2018 das Pfingstfenster in der Gründerkapelle auf Berg Schönstatt angebracht wurde, war uns bewusst, dass es um einen „Neuanfang Schönstatts im Heiligen Geist“ geht. Es war damals alles verbunden mit unserer Bereitschaft, uns für das Charisma unseres Gründers und für seine Gründung einzusetzen. Die jetzige Situation zeigt, wie sehr auch für uns heute Gründung und Gründer zusammenhängen und nur gemeinsam fruchtbar werden.

Von seinem Vertrauen auf die Gottesmutter lernen

Manchmal klingt es für uns vielleicht fromm und etwas harmlos, wenn Pater Kentenich immer wieder betont, dass er in allen Lagen und Schwierigkeiten auf das Liebesbündnis und auf den Schutz der Gottesmutter vertraut hat. Wie groß die Herausforderungen und Schwierigkeiten waren, vergisst man dabei leicht. Wenn wir jetzt mehr Details aus der Geschichte erforschen und kennenlernen, merken wir viel deutlicher, wie ernst und tief sein gläubiges Vertrauen war.

Und gleichzeitig war Pater Kentenich davon überzeugt, dass dieses Liebesbündnis auch ein gemeinsames Bündnis ist, wo alle einander mittragen und füreinander eintreten können. In einem solchen Füreinander und Miteinander wird die geistliche Wirklichkeit des Gnadenkapitals konkret. Paulus würde da sicher von der Wirklichkeit des Leibes Christi sprechen und davon, dass wir gemeinsam Tempel des Heiligen Geistes sind.

Verbunden im Liebesbündnis herzliche Grüße

Ihr

P. Ludwig Güthlein
Schönstatt-Bewegung Deutschland


Top