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17. Oktober 2020 | Oktober-Treffen | 

Oktobertreffen 2020 – Starke Impulse, die Aufbruch vermitteln


Unter Corona-Bedingungen wirkt eine "fast voll besetzte" Pilgerkirche beim Oktobertreffen der Schönstatt-Bewegung Deutschland ausgesprochen leer (Foto: Klaus Kröper)

Unter Corona-Bedingungen wirkt eine "fast voll besetzte" Pilgerkirche beim Oktobertreffen der Schönstatt-Bewegung Deutschland ausgesprochen leer (Foto: Klaus Kröper)

Cbre/Hbre. Etwas mehr als 200 Teilnehmer sind zum Oktobertreffen der Schönstatt-Bewegung Deutschland am 16. Oktober 2020 in die Pilgerkirche nach Schönstatt, Vallendar, gekommen. Die Kirche, die normalerweise für über 1.000 Pilger Platz bietet, wirkt leer, auch wenn sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus ganz Deutschland coronakonform mit viel Abstand in der ganzen Kirche verteilen. Im Unterschied zu den Vorjahren wurden in diesem Jahr nur Verantwortliche aus den Schönstatt-Gemeinschaften und den zahlreichen von Schönstättern organisierten Projekten eingeladen, um – ähnlich wie bei der Delegiertentagung, die ja im März wegen Corona nicht stattfinden konnte – einen gemeinsamen Blick auf die Ausrichtung der Schönstatt-Bewegung für das Jahr 2021 zu ermöglichen.

Charmant schwört Moderatorin Kornelia Orlob die Teilnehmenden auf die Einhaltung der Corona-Regeln ein (Foto: Klaus Kröper)

Charmant schwört Moderatorin Kornelia Orlob die Teilnehmenden auf die Einhaltung der Corona-Regeln ein (Foto: Klaus Kröper)

Oktobertreffen im Coronamodus

Die Moderatorin Kornelia Orlob versteht es, in sympathischer Weise die coronabedingten Regeln für das Treffen bewusst zu machen und trotzdem Familiengeist und Freude aufkommen zu lassen. Maskenpflicht und Desinfektionsmaßnahmen sind inzwischen ja gewohnt. Ungewohnt ist aber die Einteilung in sogenannte Bezugsgruppen, mit denen man während der Input-Runden dieses Nachmittages auf Abstand zusammensitzt und im Rahmen von Austauschrunden am Folgetag zusammen kommen wird. Zu spüren ist, dass sich die Organisatoren angesichts der steigenden Fallzahlen alle Mühe gegeben haben, um einen möglichst weitgehenden Gesundheitsschutz der Teilnehmenden, die sich – wie zu beobachten war – umsichtig und engagiert darauf einließen, zu gewährleisten.

Pater Ludwig Güthlein, Leiter der Schönstatt-Bewegung Deutschland (Foto: Klaus Kröper)

Pater Ludwig Güthlein, Leiter der Schönstatt-Bewegung Deutschland (Foto: Klaus Kröper)

„Zurück zum ‚Normalen‘ passt nicht mehr.“

„Nein zu lebensfeindlichen Verhältnissen, ja zur Kraft der Veränderung“, so Pater Ludwig Güthlein, das sei die Botschaft der Nacht des Heiligtums, die in diesem Jahr im September digital stattgefundenen habe und deren Motto-Video er zu Beginn des Oktobertreffens einspielen ließ. Das Video zeigt, wie das Wort REVOLUTION auf das Heiligtum geschrieben wird, jedoch unter Betonung der Liebe, die rückwärtsgeschrieben (LOVE) in diesem Wort zu finden ist. Diesem Lebensgefühl der jungen Generation wolle er gerne beim Oktobertreffen Raum geben. Das Jahresmotto 2020, „Der Geist Gottes wohnt in eurer Mitte – Klimawandel“, sei ja auch das Motto für 2021. Bei der Visualisierung dieses Mottos sei ihm besonders der rote Fleck in der Mitte ins Auge gesprungen. Er wirke so, als ob der Bewegung sowohl durch Corona wie auch durch die Anschuldigungen gegen den Gründer Pater Josef Kentenich Felsbrocken vor die Füße gelegt worden seien. Beides seien starke Einschnitte und die sich daraus ergebenden Anstöße würden die Bewegung anhaltend beschäftigen.

Zum Beispiel die Frage: „Wie hängen Gründer und Gründung im Plan Gottes zusammen?“ Sicher gehe es darum, dass sein Bild facettenreicher werde. Oder Entwicklungen in der Kirche und auch in Schönstatt, die durch Corona ausgelöst wie durch einen Katalysator beschleunigt worden seien. „Hinter die Coronazeit können wir nicht mehr zurück. Zurück zum ‚Normalen‘ passt nicht mehr.“ Die Referenten des Nachmittages würden zu diesen Themen Anstöße geben. Im Rahmen der Austauschrunden, die auf den Vormittag des zweiten Tages konzentriert seien, läge es an den Teilnehmenden, sich damit auseinanderzusetzen und durch das Einbringen eigener Gesichtspunkte mitzugestalten. Dabei wünsche er sich trotz Masken und äußerlichem Abstand ein „Zuhören mit Herz“. Gott habe der Bewegung die Steine mit auf den Weg gegeben, „die da zur Mitte werden, wo Gottes Geist wohnt“. Mit viel Herz die Dinge mit einem Hämmerchen gemeinsam abklopfen und dabei aufeinander zugehen, das sei (s)eine Hoffnung, an der alle mitwirken könnten.

Schwester M. Veronika Riechel, Schönstätter Marienschwester und mitverantwortlich für die Begleitung der Schönstatt-Familienbewegung (Foto: Klaus Kröper)

Schwester M. Veronika Riechel, Schönstätter Marienschwester und mitverantwortlich für die Begleitung der Schönstatt-Familienbewegung (Foto: Klaus Kröper)

Die Herausforderung an den Felsen zu schlagen, der für das Leben P. Kentenichs steht

Schwester M. Veronika Riechel, Schönstätter Marienschwester und mitverantwortlich für die Begleitung der Schönstatt-Familienbewegung, nahm in ihrem Beitrag Stellung „zum Stand der Dinge in der Causa Kentenich“. Der Vorwurf gegen Pater Kentenich, „sexueller Missbrauch“ sei der eigentliche Grund für seine Versetzung ins Exil nach Milwaukee gewesen, sei – soweit man das augenblicklich sagen könne – falsch. Die Kirche habe ihre Entscheidung nicht wegen Fragen der sittlichen Integrität P. Kentenichs getroffen. Vielmehr habe seine zentrale Stellung in der Schönstatt-Bewegung sowie sein Verhalten gegenüber Kirchenverantwortlichen, deren Auffassungen er als Irrtümer verworfen habe, zu seiner Trennung vom Werk geführt. Dabei habe ein Kernpunkt seines Charismas, nämlich die Frage, wie der heutige Mensch, dessen Seelenleben so furchtbar zerfasert sei, Gott und Mitmensch wieder richtig lieben lernen könne, und die damit verbundene Frage nach dem Vater sein und der Kindlichkeit einem Menschen gegenüber, eine wesentliche Rolle gespielt. Am Beispiel von Pfarrer Werner Krimm, der in der Kindheit schwierigste Vatererfahrungen erlebte, machte die Referentin deutlich, wie dieser durch das Erleben einer neuen Vatererfahrung im Kontakt mit Pater Kentenich, zu neuer Freiheit geführt worden sei. Abschließend betonte die Referentin, dass sie nicht wie manche Kritiker der Meinung sei, man müsse Pater Kentenich vom Sockel holen. Sie halte es lieber mit ihrer Mitschwester Elizabet Parodi, die sage, Pater Kentenich sei nicht zerbrechlich wie Glas. Er sei wie ein Fels. „Die Herausforderung besteht darin, an den Felsen zu ‚schlagen‘, der für das Leben P. Kentenichs steht, und zu versuchen, sein Charisma zu verstehen.“

Pater Heinrich Walter ISch, als Vertreter der Internationalen Koordinationsstelle der Schönstatt-Bewegung (Foto: Klaus Kröper)

Pater Heinrich Walter ISch, als Vertreter der Internationalen Koordinationsstelle der Schönstatt-Bewegung (Foto: Klaus Kröper)

Die Kommunikationssituation

Die Kommunikationssituation in der Causa Kentenich sei äußerst komplex, machte Pater Heinrich Walter ISch, als Vertreter der Internationalen Koordinationsstelle der Schönstatt-Bewegung in seinem Impuls deutlich. Tausende von Seiten gäbe es in den Archiven in Rom zu durchforsten, da könne man nicht, wie manche meinten, schnell einen Überblick gewinnen. Dem Ruf nach mehr Information stünde einerseits das Problem gegenüber, dass viel bereits Veröffentlichtes bisher zu wenig wahrgenommen worden sei und andererseits noch nicht veröffentlichte Dokumente nicht einfach nur wahllos weitergegeben werden könnten. Diese müssten kontextualisiert in einen Zusammenhang eingeordnet und mit entsprechenden Hintergründen und Verstehenshilfen versehen publiziert werden. Um der komplexen Lage gerecht zu werden, seien inzwischen unterschiedliche Initiativen entstanden wie z.B. in Deutschland die Medienkommission, der ein sogenanntes Info-Team aus Fachleuten zuarbeite. Die internationale Forschungsgruppe habe einen längerfristigen wissenschaftlichen Arbeitsauftrag. Dazu komme der Postulator im Seligsprechungsprozess Pater Kentenichs, der derzeit in Rom in den Archiven arbeite. Pater Walter zeigte sich überzeugt, dass Gott durch den gesamten Vorgang Türen öffnen möchte, damit sich die Bewegung in großer Solidarität und breiter Transparenz neu mit dem Schönstatt-Gründer beschäftigt. „Vertrauen wir alles Maria an, sie wird sorgen. Unser Gründer hatte viel Gelassenheit. Bitten wir um seine Gelassenheit, mit der Causa angemessen umzugehen.“

 Pater Hans-Martin Samietz, Standesleiter der Schönstatt Mannesjugend (Foto: Klaus Kröper)

 Pater Hans-Martin Samietz, Standesleiter der Schönstatt Mannesjugend (Foto: Klaus Kröper)

Pandemiejahr 2020 - Lernherausforderungen und Kreativräume

Der zweite große Einschnitt im Jahr 2020, die Coronakrise, wird von Pater Hans-Martin Samietz ISch, Standesleiter der Schönstatt Mannesjugend, unter die Lupe genommen unter den Stichworten Lernherausforderungen und Kreativräume, die sich nach seinem Dafürhalten durch Corona eröffneten. Gesellschaftlicher Zusammenhalt oder anders ausgedrückt Solidarität sei das zentrale Thema, dass der Gesellschaft nicht erst seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie gestellt sei, so Pater Samietz in seinem Beitrag. Nähe, der soziale Kitt unserer Gesellschaft musste aufgegeben, Familientreffen, Konzertbesuche, Feste, Klassenfahrten eingestellt werden. Kooperation, eine wesentliche Bedingung für Gemeinschaft, war plötzlich nicht mehr möglich. Doch neue Kreativräume entstanden: Selbstwirksamkeit (Personengruppen, die sonst eher am Rand stehen, treten plötzlich in den Mittelpunkt und merken, dass sie etwas bewegen können), Selbstverantwortung (durch die Schließung der Kirchen entstehen wichtige Kreativräume in vielen Wohnzimmern. Menschen merken, zu was sie fähig sind und dass sie Gottes Nähe zu Hause erleben können) und Selbsteinschätzung (Menschen gelingt es, ihre eigene Bewertung hinter die von Experten zurückzustellen und deren Einschätzungen mehr Glauben zu schenken als eigenen spontanen Einschätzungen). Samietz zeigte sich überzeugt, dass die Unterbrechungen, Abbrüche und Einschränkungen der letzten Monate sich durchaus als Segen und nicht als Bedrohung für die Zukunft der Gesellschaft und Kirche entwickeln können.

Pfarrer Kurt Faulhaber, Mitglied im Schönstatt-Institut Diözesanpriester (Foto: Klaus Kröper)

Pfarrer Kurt Faulhaber, Mitglied im Schönstatt-Institut Diözesanpriester (Foto: Klaus Kröper)

Auf das Zusammenklingen der Zeit-, Seins- und Seelenstimmen achten

Pfarrer Kurt Faulhaber, Mitglied im Schönstatt-Institut Diözesanpriester, konstatierte zunächst die Zeitgleichheit der Kentenich- und der Kirchenkrise und fragte, was Gott damit vorhabe. „Damals wie heute ringt die Kirche um einen Weg in die Zukunft und es ist völlig offen, wie dieses Ringen ausgehen wird.“ In der aktuellen kirchlichen Situation sei es wichtig, besonders auf die seelischen Bedürfnisse der Menschen, wie "angenommen sein", "geachtet sein", "dazugehören und mitgestalten dürfen", Rücksicht zu nehmen, weil sich die Menschen sonst unverstanden fühlten. Die Makroebene Großpfarrei sei nur erträglich, wenn auf der Mikroebene verbindende Elemente und Gemeinschaft erfahrbar seien. Der heutige Mensch wünsche gleichzeitig eine enge Gemeinschaft und einen großen Freiheits- und Unabhängigkeitsraum. Kirchenrechtlich gehe das nicht. Darauf habe Pater Kentenich damals schon geantwortet: "Dann muss das Kirchenrecht eben umgepflügt werden!"

Mehrfach wies Faulhaber auf die Bedeutung des Zusammenklingens der Zeit-, Seins- und Seelenstimmen hin. Hier sei Schönstatt gefragt, sich in den konstruktiven Dialog in der Kirche einzubringen. So sei es Pater Kentenich immer um das Durchsichtigmachen alles Geschöpflichen und Geschlechtlichen gegangen. Die geschlechtliche Liebe habe ihren Ort vor allem in Ehe und Familie. Diese Liebe sei aber auch in Geschiedenen, gleichgeschlechtlich veranlagten Menschen, noch nicht Verheirateten, und auch für sie sei es ihr ureigener Weg in die Liebe Gottes hinein. Diesen Weg müsse man nicht gutheißen, aber man müsse diesen Menschen zuhören, wie sie die Liebe leben, wie sie ihre Liebe entfalten und wie diese sie zu Gott führen könne: „Das Gold darin sehen.“ Pater Kentenich habe die Menschen angenommen wie sie sind und habe sie nicht am Ideal gemessen.

Ein Ziegelstein mit Erfahrungen von Frauen mit ihrer Kirche (Foto: Klaus Kröper)

Ein Ziegelstein mit Erfahrungen von Frauen mit ihrer Kirche (Foto: Klaus Kröper)

Beim Lesen der Lebensbeschreibung von Karl Leisner und dessen inneren Kämpfen für die Berufung zur Ehe oder zum Priester, habe er sich – so Faulhaber – gefragt, ob Leisner nicht vielleicht zu beidem berufen gewesen sei? Die Frage der verheirateten Priester sei nicht eine Frage der Zahl von Priestern, sondern eine Frage nach den Stimmen in deren Seele.

Hinsichtlich der Diskussion um das verantwortliche Mitwirken der Frauen in der Kirche hätten ihn die Erfahrungen der Frauen von Maria 2.0, die diese bei der vergangenen Bischofskonferenz auf Ziegelsteine geschrieben hätten, bewegt: „fehlende Empathie“, „erfahrene Demütigung“, „ausgenutzt werden“, … Die priesterliche Berufung aller Gläubigen und neue Formen des Frauenamtes müssten entwickelt und neu gedacht werden.

„Wir haben in Schönstatt nicht die Lösungen und das ist auch gut so“, so Faulhaber abschließend. „Aber es ist Zeit, unsere Herzmitte ins Spiel, in unser Leben, in unsere Gemeinschaft, in unsere Kirche einzubringen.“

Lobpreis- und Anbetungsstunde

Mit einer Lobpreis- und Anbetungsstunde, musikalisch von zwei Schönstätter Marienschwestern mit Keyboard und Gitarre ergreifend gestaltet, endete der erste Tag des Oktobertreffens 2020.

Anbetung in der Pilgerkirche (Foto: Brehm)

Anbetungszeit in der Pilgerkirche (Foto: Brehm)


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