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18. September 2020 | Worte des Bewegungsleiters | 

Siebenfach Freude und siebenfach Leid


Jahresmotiv 2020 der Schönstatt-Bewegung in Deutschland (Grafik: Maria Kiess / POS Brehm)

Jahresmotiv 2020 der Schönstatt-Bewegung in Deutschland (Grafik: Maria Kiess / POS Brehm)

Liebe Mitglieder und Freunde der Schönstatt–Bewegung,
liebe Leserinnen und Leser von www.schoenstatt.de,

Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung“ Mit dieser Aufzählung beschreibt der heilige Paulus im Brief an die Galater die Früchte und Wirkungen des Heiligen Geistes (Gal 5,22-23). Bei all den Nachrichten, Diskussionen und Aufregern der vergangenen Wochen ist diese Aufzählung ein wertvoller Maßstab.

In unterschiedlichen Medien werden Anfragen im Blick auf Pater Kentenich und im Blick auf die Schönstatt-Bewegung vorgebracht. Ganz unterschiedliche Wirkungen löst das aus. Unklarheit schafft Unruhe. Liegt in den Vorwürfen die richtigere Beschreibung unserer Geschichte? Sind sie die eigentliche Wahrheit? Oder sind es Mosaiksteine aus einer facettenreichen Geschichte, die ihren Platz im bisherigen Gesamtbild haben?

„Hinein in die Geschichte“ war ein oft wiederholtes Anliegen unseres Gründers. Den göttlichen Fügungen und Führungen unseres Lebens kommen wir nur durch die Vielfalt von Geschenken, Leiderfahrungen und menschlichen Grenzen hindurch auf die Spur. Ein gläubiges „Hinein in die Geschichte“ rechnet bei aller menschlicher Begrenztheit damit, dass die Gnade Gottes umso deutlicher erkannt wird.

Alles was an Genauigkeit und an historischer Forschung getan werden kann, ist notwendig. Und es braucht dafür eine kompetente Diskussion auf gemeinsamen Grundlagen. Forschung und Diskussion ist das eine. Gibt es darüber hinaus in diesen Suchbewegungen einen inneren Kompass? Wo ist mehr und wo ist weniger das Wirken des Heiligen Geistes erkennbar? In der geistlichen Tradition der Kirche hat die Frage nach der „Unterscheidung der Geister“ einen hohen Stellenwert. Es geht um ein Abwägen, ob Anregungen von innen oder Impulse von außen eher zu Gott hin oder mehr von ihm wegführen.

Ein solcher Blick auf die Situation ist für uns alle wichtig, auch wenn wir selbst keine historische Forschung betreiben können.

Klima Maria (Text: Ludwig Güthlein)

Klima Maria (Text: Ludwig Güthlein)

Spannweite

Die Früchte des Heiligen Geistes, wie sie Paulus nennt, beschreiben ein Klima. Ein Klima, das in jedem von uns entsteht, und ein Klima, wie es in unseren Gesprächen und Diskussionen entsteht. Wachsendes Durcheinander in einem selbst und zwischen uns ist eher weit weg von dem, was der Heilige Geist bewirken möchte.

Der Todestag unseres Gründers, der 15. September, regt mich an, über die Spannweite nachzudenken, die zur Führung Gottes gehört. Der 15. September heißt im kirchlichen Kalender „Gedächtnis der Schmerzen Mariens“. Früher sprach man von den „Sieben Schmerzen Mariens“. Ausgehend von dem prophetischen Wort Simeons im Tempel „Deine Seele wird ein Schwert durchdringen“ (Lk 2,35) hat man auf sieben verschiedene Leiderfahrungen der Gottesmutter geschaut, die ihren Weg mit Jesus bestimmt haben. Mit der Zahl sieben soll etwas Umfassendes beschrieben werden. Leiderfahrungen gehört nicht nur auch zur Vielfältigkeit des Lebens. Leid gehört wesentlich zu einem Leben in der Nachfolge Jesu. Ein Weg der Nachfolge führt mit Jesus unter das Kreuz. Zum Wirken des Heiligen Geistes gehört es eben auch, dass man dem Schweren und dem Leid mit gläubiger Zuversicht begegnet. Mit Langmut, Treue und Selbstbeherrschung, wie es in der Liste aus dem Galaterbrief heißt.

Auch die Freude der Gottesmutter wird als „siebenfache Freude“ beschrieben. Ihr Hineingenommensein in die Menschwerdung Jesu ist ganz grundlegend und umfassend ein Stehen in der Freude der Erlösung und ein Leben, das von Jesus hineingenommen ist in seine Auferstehung.

Das sind sehr grundsätzliche Überlegungen. Und doch sind sie auch eine konkrete Orientierung. Sie helfen uns, der Spannweite der Führungen und Fügungen Gottes und auch seiner Zulassungen und Zumutungen offen genug zu begegnen. Offenheit für den Heiligen Geist ist auch dann möglich, wenn endgültige Klarheit und sicheres Beurteilen schwierig sind.

Offen wie nie zuvor

Werbeagenturen haben oft eine besondere Wachheit für Zeitgeist und gesellschaftliche Befindlichkeiten. Aktuell kommt in der Kampagne von Coca-Cola ein britischer Künstler zu Wort, der poetische Texte mit Musik verbindet (George Mpanga, „George the Poet“). Die weltweite Krise der Corona-Pandemie wird in seinem Text mit der Überschrift „Offen wie nie zuvor“ zum Anlass für einen Perspektivwechsel nach vorne: „Halt. Wartet. Wer sagt, wir müssen zurück zu normal? Überhaupt zurück? Was, wenn unser Normal etwas Neues ist? Und das alte einfach nicht mehr passt? Was, wenn du und ich der Unterschied sind? Wenn wir neu sind – und offen … Wenn du und ich der Anfang sind?“

Eine Mitarbeiterin der Werbekampagne kommentierte diesen Perspektivwechsel in Richtung Neustart mit den Worten: „Das Schlimmste, was wirtschaftlich passieren kann, ist nichts.“ Sie sieht es als das Schlimmste, wenn nichts passiert. Wenn der Stoß, den die Welt durch Corona erhalten hat, nichts verändert, wenn kein Nachdenken entsteht und kein Neustart für die Zukunft.

Passt diese Beschreibung nicht auch für die Situation der Kirche und für die Fragen, die uns jetzt im Blick auf Schönstatt bewegen?

Macht uns nicht gerade das zu einer wirklich marianischen Bewegung? In der Verkündigungsstunde hat Gott den Anfang des Neuen in die Bereitschaft dieser jungen Frau gelegt. Und mehrfach heißt es in der Heiligen Schrift von Maria, dass sie alles in ihrem Herzen bewegte, um herauszuhören und zu verstehen, wie die Führung Gottes weitergeht.

Jedes Liebensbündnis, das Menschen in Schönstatt schließen, ist so ein geistlicher Schritt, wo „du und ich Anfang des Neuen“ werden. So ein neues Anfangen ist für jeden persönlich ein Schritt zur Erneuerung der eigenen Bereitschaft. Doch ich hoffe sehr, dass die gegenwärtigen Entwicklungen zu einem gemeinsamen „Anfang des Neuen“ werden.

Wegen Corona wird das diesjährige Oktobertreffen in einem kleineren Rahmen als sonst stattfinden müssen. Gerade das wird uns die Möglichkeit geben, dass aus konkreten „Du-und-ich-Begegnungen“ ein gemeinsames Wir für den Neunanfang wird.

Lassen wir uns in unserem Vertrauen auf das Liebesbündnis nicht beirren. Unsere Mutter und Königin findet mit uns und geht mit uns fruchtbare Wege in die Zukunft.

Mit herzlichem Gruß aus Schönstatt,

Ihr

P. Ludwig Güthlein
Schönstatt-Bewegung Deutschland




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