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Stellungnahme zu Missbrauchsvorwürfen gegen P. Josef Kentenich
Generalpräsidium des Internationalen Schönstattwerkes
Stellungnahme zu Missbrauchsvorwürfen gegen P. Josef Kentenich
Anlass zu dieser Stellungnahme sind Anschuldigungen gegen den Gründer des Schönstattwerkes P. Josef Kentenich, zunächst in einem Artikel von Alexandra von Teuffenbach in der Wochenzeitung „Die Tagespost“ vom 2. Juli 2020 und in darauf folgenden Pressemeldungen weltweit.
Die darin enthaltenen, angeblich „noch nicht ausgewerteten“ Informationen sind uns nicht neu; sie wurden vollumfänglich in die Dokumentation über den Schönstatt-Gründer im Zusammenhang mit der zeitweiligen Trennung von seinem Werk (1951-1965) einbezogen und werden von den kirchlichen Stellen im Rahmen des Seligsprechungsverfahrens für Kentenich gründlich studiert.
Alexandra von Teuffenbach, Kirchenhistorikerin, die u.a. das Konzilstagebuch von P. Sebastian Tromp SJ herausgegeben hat, meldet sich in der „Tagespost“ mit einer angeblich sensationellen Nachricht zu Wort: Aufgrund ihrer Recherchen in vatikanischen Archiven, die nun für die Amtszeit Papst Pius XII. freigegeben sind, will sie aufdecken, „warum Pater Josef Kentenich die von ihm gegründete Gemeinschaft Schönstatt verlassen musste“. Kurz gesagt: „Machtmissbrauch“ und „sexueller Missbrauch“. Man erfährt in dem Artikel, dass die „wahren Gründe für die Exilierung Kentenichs“ bisher nicht genannt worden seien, dass aber „die nun freigegeben Akten die Sachlage klären können“.
Die beiden Visitationen im Institut der Schönstätter Marienschwestern (1949 durch den damaligen Weihbischof Bernhard Stein von Trier und 1951-1953 durch den vom „Heiligen Offizium“ beauftragten Jesuiten P. Sebastian Tromp SJ) werden ganz aus der Sicht der Visitatoren, besonders des Apostolischen Visitators Tromp, beleuchtet. Dabei entsteht ein Bild der Marienschwestern, dessen Palette von extremer Unselbstständigkeit, Urteils- und Entscheidungsunfähigkeit bis zu kindischer Abhängigkeit und sklavischer Unterwürfigkeit unter einen alles beherrschenden Gründer reicht.
Es erstaunt, dass die Autorin sich – gestützt auf Dokumente (oder Privatnotizen?) von P. Tromp – dessen Sicht auf die Gemeinschaft und ihre Mitglieder ganz zu eigen macht. Aus dieser Perspektive interpretiert sie alle weiteren Aktenstücke, z.B. auch die Briefe einiger Schwestern an Papst Pius XII. zur Verteidigung des im Exil lebenden Gründers, allesamt negativ als „Beleg für eine krankhafte Beziehung zum Gründer“. Man kann diese Briefe auch als Zeichen für den Mut verstehen, mit dem sich einige gar nicht so schwache Frauen gegen Maßnahmen der Kirche eingesetzt haben, die in ihren Augen dem Gründer und der gesamten Apostolischen Bewegung von Schönstatt Unrecht getan haben. Auch die Vertreter anderer Gemeinschaften Schönstatts haben sich in jenen Jahren mit ähnlichen Briefen an den Papst gewandt. Was die Autorin nicht erwähnt, ist die Loyalität Schönstatts zur Kirche; in den mehr als 14 Jahren seines Exils haben weder J. Kentenich noch die Mitglieder Schönstatts die Prüfung durch die Kirche zum Thema einer kritischen Pressemeldung gemacht.
Es erstaunt weiterhin, dass Tromp als Frauenversteher und -befreier, als Verteidiger der Meinungs- und Gewissensfreiheit geehrt wird, weil er einige (wenige) kritische Stimmen angehört hat (was zu seiner Aufgabe gehörte) und ihnen Glauben schenkte – ohne offene Rücksprache mit dem Gründer selbst. Die Mitglieder des Instituts, die Tromp in der Zeit seiner Visitation zu Gesprächen empfing, erlebten ihn nicht als Befreier, sondern litten unter seinem repressiven Fragestil, seinen (auch anderwärts bekannten) Temperamentsausbrüchen und Einschüchterungsversuchen, der Androhung und Verhängung von kirchlichen Strafen und dem extrem negativen Urteil über Gründer und Gemeinschaft.
Dass die Schwestern „gezwungen (wurden), beim Gründer zu beichten“, kann durch anderweitige Zeugnisse widerlegt werden. Dazu kommt, dass J. Kentenich sich zur damaligen Zeit fast kontinuierlich auf Auslandsreisen befand - nicht zuletzt, um die Leitungen seiner Gemeinschaften selbstständig zu machen. Wie bei solcher Dauer-Abwesenheit ein Beichtzwang greifen sollte, bleibt rätselhaft.
Die massivste Anklage besteht darin, dass P. Kentenich seine Gründerautorität als „Vater“ gegenüber den Schwestern missbraucht und sexuelle Dienstleistungen von ihnen eingefordert habe.
Hier werden die Aussagen sehr pauschal. Es wird zuerst von „einer“ Schwester gesprochen, die sich „dagegen“ (wogegen?) gewehrt habe. Dann erscheinen ein paar Absätze weiter „sechs bis acht andere, die ebenfalls geschrieben haben“ (was?). Schließlich kommt irgendwann im Text die Behauptung, „der zunächst abgestrittene sexuelle Missbrauch wurde später damit erklärt, Kentenich hätte doch nur die sexuellen Spannungen der Schwestern durch die ‚tiefenpsychologische Methode‘ lösen wollen.“ Fakt ist: Gerade von einer solchen Deutung distanzierte sich P. Kentenich selbst mit Nachdruck.
Vage Aussagen, gepaart mit der forschen Behauptung eines sexuellen Missbrauchs zeugen nicht von einer sachlich angemessenen Auseinandersetzung mit den Akten. Pauschale Behauptungen mit wertenden Attributen spielen lediglich auf der Klaviatur der aktuellen Missbrauchsdebatte, ohne „die ganze Geschichte“ zu kennen und zu vermitteln.
Dass es Anklagen aus den Reihen der Marienschwestern gab, ist uns nicht neu. P. Kentenich selbst hat nach Bekanntwerden einer Anklage auch seinem Vorgesetzten eingehend Rechenschaft über sein Tun abgelegt. Von einem sexuellen Missbrauch war aber in diesem Kontext weder wörtlich noch inhaltlich die Rede. Auch im römischen Verfahren der Trennung P. Kentenichs von seiner Gründung wurde die Anklage eines sexuellen Missbrauchs nicht erhoben. Die Autorin des Artikels argumentiert dazu: „Die römische Kongregation stellte die Schwestern nicht bloß und benutzte den Bericht der Schwester nicht in den Begründungen“ (für die Exilierung). Diese Deutung erscheint bemüht. Sie soll wohl die These vom sexuellen Missbrauch doch noch irgendwie rechtfertigen. Das „Heilige Offizium“ war auch zu jener Zeit bekanntermaßen nicht gerade zurückhaltend, wenn Vorwürfe von Missbrauch erhoben wurden. Weshalb die oberste Kirchenbehörde P. Kentenich oder seine Gründung schonen sollte, erklärt Frau von Teuffenbach nicht. Wiederholt wurde dagegen in Rom konstatiert: Bei der Trennung P. Kentenichs von seinem Werk handelt es sich nicht um eine Strafmaßnahme, sondern um eine administrative Verfügung, d.h. um eine auf dem Verwaltungsweg erlassene Maßnahme zur weiteren Prüfung.
Wir weisen den Vorwurf, Josef Kentenich habe sich des sexuellen Missbrauchs an Mitgliedern des Instituts der Schönstätter Marienschwestern schuldig gemacht, mit Entschiedenheit zurück. Sein Verhalten anderen Personen - besonders Frauen - gegenüber, war immer von ausgesprochener Ehrfurcht und Wertschätzung bestimmt sowie vom Prinzip körperlicher Unberührtheit, das er auch seinen Gemeinschaften einprägte.
P. Kentenich hat dem Visitator und seinen Vorgesetzten auf den Vorwurf des Machtmissbrauchs ausführlich geantwortet und sein Denken, seine Prinzipien und sein Verhalten offengelegt.
Josef Kentenich wurde 1965 bzw. 1966 nach einem 14jährigen Exil die Rückkehr nach Schönstatt erlaubt. Die Dekrete, die ihn von seiner Gründung trennten, wurden aufgehoben, die Causa des Gründers an die damalige Religiosenkongregation zurückgegeben. Damit konnte er wieder seine Gründerstellung im Schönstattwerk einnehmen. Faktisch ist damit auch der Vorwurf des Machtmissbrauchs entkräftet.
Bevor ein Seligsprechungsverfahren eröffnet wird, muss die Glaubenskongregation jeweils aufgrund der Aktenlage in ihrem Archiv ein sogenanntes „Nihil obstat“ (eine Unbedenklichkeitserklärung) abgeben. Wenn ein begründeter Verdacht auf moralisches Fehlverhalten des Kandidaten für die Seligsprechung besteht, gibt die Glaubenskongregation kein grünes Licht für den Beginn eines Verfahrens. Im Fall des Schönstattgründers Josef Kentenich wurde das „Nihil obstat“ erteilt.
In die Akten des Seligsprechungsverfahrens geht die gesamte Dokumentation aus der Zeit der Visitation und des Exils ein. Damit sind auch alle kritischen Stimmen und Anklagen Gegenstand des gründlichen Studiums und einer ernsthaften Abwägung aller Fakten in einem angemessenen historischen und spirituellen Kontext. Das letzte Urteil in diesem Verfahren kommt der Kirche zu.
Im Namen des Generalpräsidiums des Schönstatt-Werkes
P. Juan Pablo Catoggio