Nachrichten

18. Juni 2020 | Worte des Bewegungsleiters | 

Klima Maria - Sie bewegte alles in ihrem Herzen


Jahresmotiv 2020 der Schönstatt-Bewegung in Deutschland (Grafik: Maria Kiess / POS Brehm)

Jahresmotiv 2020 der Schönstatt-Bewegung in Deutschland (Grafik: Maria Kiess / POS Brehm)

Liebe Mitglieder und Freunde unserer Schönstatt–Bewegung,
liebe Leserinnen und Leser von www.schoenstatt.de,

„Gott schreibt mit Löwenkrallen“

Oft hat Pater Kentenich ein Wort von Blaise Pascal zitiert: „Gott schreibt mit Löwenkrallen“. Alles, was an Reaktionen durch die Corona-Pandemie aufgewirbelt wird, macht den Eindruck einer solch gewaltigen Handschrift. Was zurzeit geschieht, ist jenseits des Gewöhnlichen. Auch viele, die nicht nach Gott hinter den Ereignissen der Geschichte suchen und fragen, spüren, dass es um grundlegende Fragen geht. Was zurzeit geschieht, ergreift uns mehr als sonst in der Tiefe unseres Herzens. Immer mehr melden sich Stimmen zu Wort, die versuchen, die Botschaft in der Zeit zu entschlüsseln und zu verstehen.

Mir gefällt an dem Wort von den Löwenkrallen nicht nur die Kraft, die in einem Löwen steckt – auch wenn da etwas Bedrohliches mitschwingt. Es geht nicht mehr darum, ebenfalls noch eine Randbemerkung zu machen oder eine Fußnote zu einem längst bekannten Text hinzuzufügen. Eine verbürgerlichte Selbstsicherheit und Zufriedenheit wird wachgerüttelt.

Unser unbekümmerter Lebensstil, der sich keine Gedanken macht über die Ressourcen unserer Umwelt, wird uns allen mit größerem Ernst bewusst. Durch die Synode in Rom war für kurze Zeit Amazonien im Mittelpunkt des Interesses. Dass im Moment die Ausbeutung des Regenwaldes und die gesundheitliche Bedrohung der indigenen Völker Brasiliens besonders heftig wird, geht schon fast wieder unter. Gesundheit ist ein Thema für unsere Umwelt und für uns Menschen. Und beides ist so global wie das Thema „Corona“, das Völker und Regierungen bewegt.

Klima Maria (Text: Ludwig Güthlein)

Klima Maria (Text: Ludwig Güthlein)

Die Frage nach einer tieferen Deutung

Jesus selbst spricht von den Zeichen der Zeit, die wir lernen sollten zu sehen und zu deuten. Das ist mehr als ein gutes Analysieren von Trends und Entwicklungen. Es ist mehr, als nur praktisch auf die vielfältigen Herausforderungen zu reagieren. Es ist eine wirkliche geistliche Aufgabe, in den Zeichen der Zeit die Handschrift Gottes zu erkennen.

Welche biblischen Deutungen schenken uns ein Licht für eine Antwort? Manche denken an die biblischen Plagen, die das Herz des Pharaos zur Umkehr bewegen sollten. Umkehr, Korrektur, neue Prioritäten im Leben sehen, mehr als bisher Gott und seinen Willen zum Maßstab nehmen: Dieser Ruf zur Umkehr durchzieht die Predigt Jesu. Besondere Zeichen der Umkehr und der Buße sind Fasten und Beten. Es geht um Ernsthaftigkeit bei der Antwort auf das, was Gott uns durch die Zeichen der Zeit sagen möchte.

Bei Jesus gibt es noch weitere Merkmale für Umkehr und Bekehrung. Bei ihm geht es um den echteren Glauben, das vorbehaltlosere Vertrauen, die größere Liebe. Es geht um Wachstum.

Wenn man in einer ernsten Lebenssituation auf tiefere Herausforderungen gestoßen wird, spricht man schon einmal von einer „Wurzelbehandlung“. Es ist dabei auch Absicht, dass das nach Zahnarzt klingt, und dann fühlt sich schon alleine das Wort unangenehm an. Es hat aber auch die positive Perspektive. In dem Wort steckt auch das Heilsame einer Behandlung. Geheilt und mit neuer Kraft geht man aus der Krise hervor. Die Krise wird zum Geschenk. Erschütterung wird dann Gnade. Heilung bis in die Wurzel kann geschehen.

Wachstumsziele erkennen

Ich glaube, es geht mit „Corona“ darum, dass wir für uns persönlich und in allen Zusammenhängen, in denen wir leben, die Wachstumsziele erkennen, die sichtbar geworden sind. Weiterwachsen hat auch eine schmerzhafte Seite. Ein Weiterwachsen in der Geduld beim Zuhören hört sich unspektakulär an, kann aber viel Nerven kosten. Bestärkend und aufbauend reden – mit und über andere – ist ein Wachsen in der Selbstdisziplin und in der Liebe und Wertschätzung.

Es geht aber auch um das, was wir als Schönstatt und als Kirche durch diese Zeit dazulernen können. Bei allen Möglichkeiten der Kommunikationsmedien zeigt uns die Situation, wie viel persönliches Glauben und Beten wir überhaupt können. Auch ohne Versammlungen können wir unseren Glauben teilen, können wir aus dem Wort Gottes leben. Unser kreativer Umgang mit dem Hausheiligtum in unseren Wohnungen ist dafür eine gute Übung.

Die Frage wird klarer: Lebt Glaube und Kirche in unseren Häusern oder haben wir das an die Profis delegiert, die die Gottesdienste vorbereiten? Wir alle sind mit Christus zu einem priesterlichen Dienst berufen. Wir alle sollen durch Wort und Tat Zeugnis geben für den Glauben an Christus.

Ich denke, ein Wachstumsziel, das für die Kirche in unserem Land sichtbar geworden ist, ist es, dass wir mehr eine Kirche werden sollen, die von unten lebt und wächst. Eine Kirche, die aus persönlichem Glauben wächst. Eine Kirche, die aus Familien wächst. Eine Kirche, die von ganz unten wächst, die aus dem Herzen und den Erfahrungen des Lebens herauswächst.

Das ist auch ein Wachstumsziel für alle, die sich als Priester und Seelsorgerinnen und Seelsorger hauptberuflich um die Gestaltung des Glaubenslebens bemühen. Wenn immer wieder das Wort des Konzils zitiert wird, dass die heilige Messe Quelle und Höhepunkt des christlichen Lebens ist, dann darf man dabei aber nicht übersehen, dass dies seine Grundlage in dem Glauben hat, der in den Herzen und Häusern lebt. Bei allem Arbeiten für schöne Gottesdienste und wertvolle Veranstaltungen und Tagungen müssen wir den Dienst am persönlichen Glauben aller im Blick haben. Eine solche Kirche von unten entsteht nicht nebenbei. In der Tradition jüdischer Familien gehört neben dem Besuch eines Gottesdienstes in der Synagoge auch ein richtiger Gottesdienst in der Familie dazu. Jeder Sabbat und das Pessachfest sind ein Familiengottesdienst. Eine solche Glaubenskultur braucht Übung. Und sie braucht Wertschätzung und Ermutigung (weiter oben war schon einmal von aufbauender und bestärkender Kommunikation die Rede).

„Ich fürchte den vorübergehenden Herrn“

Auch dieses Wort hat Pater Kentenich gerne zitiert. Es stammt von Augustinus und nimmt Bezug auf die Befreiung des Volkes Israel aus Ägypten. „In dieser Nacht“, heißt es da, „ist Vorübergang des Herrn“. Und er brachte Tod und Schrecken für den Pharao.

Die Befürchtung aber, die gemeint ist, wenn Pater Kentenich von dem vorübergehenden Herrn spricht, ist nicht Angst vor Gott oder vor Schrecklichem, das passieren könnte. Er war sich sicher, dass nichts von Gott her ohne seine Liebe geschieht. „Alles aus Liebe, als durch Liebe, alles für Liebe“ nannte er das göttliche Weltgrundgesetz des Handelns Gottes. Die Befürchtung, die uns aber umtreiben sollte, ist die, dass wir bei allem Nachdenken und Diskutieren es trotzdem verpassen, die Zeichen der Zeit zu erkennen und zu beantworten.

Und beim Antworten auf die Führungen Gottes geht es um Klarheit und Entschiedenheit. In der Gründungszeit Schönstatts erschütterte der Weltkrieg die Menschen. Gott sei Dank haben wir keinen Krieg. Ich hoffe, dass der Heilige Geist, „der in unserer Mitte wohnt“, es schafft, dass wir den Herrn, der vorübergeht, rechtzeitig erkennen.

Ihr


P. Ludwig Güthlein
Schönstatt-Bewegung Deutschland


Top