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18. Mai 2020 | Worte des Bewegungsleiters | 

Klima Maria - Möglich, weil unmöglich


Jahresmotiv 2020 der Schönstatt-Bewegung in Deutschland (Grafik: Maria Kiess / POS Brehm)

Jahresmotiv 2020 der Schönstatt-Bewegung in Deutschland (Grafik: Maria Kiess / POS Brehm)

Liebe Mitglieder und Freunde unserer Schönstatt–Bewegung,
liebe Leserinnen und Leser von www.schoenstatt.de,

Vorwärts zu einer neuen Normalität

Wann kann denn das normale Leben wieder laufen? Noch vielfältiger als die schnellen Entscheidungen zum Shutdown sind die Überlegungen dazu, wie man die verschiedenen Bereiche der Gesellschaft nach dem Stillstand wieder „anfahren“ kann. Die Ungeduld wächst. Welche Wirkungen sind zu bewältigen? Wo liegen Verlust oder Gewinn dieser besonderen Herausforderung?

Worte und Bilder der vergangenen Wochen wirken nach. „Jedes Leben zählt“, dieses Wort unserer Bundeskanzlerin geht mir nach. Das Gebet von Papst Franziskus auf dem leeren Petersplatz während der Fastenzeit war eindringlicher als viele große Festgottesdienste. „Wir haben vor Gottes Mahnrufen nicht angehalten, wir haben uns von Kriegen und weltweiter Ungerechtigkeit nicht aufrütteln lassen, wir haben nicht auf den Schrei der Armen und unseres schwer kranken Planeten gehört. Wir haben unerschrocken weitergemacht in der Meinung, dass wir in einer kranken Welt immer gesund bleiben würden.“ Seine Worte waren Beschreibung und Mahnung und gleichzeitig Bitte in der Not: „Jetzt, auf dem stürmischen Meer, bitten wir dich: Wach auf, Herr!“

Klima Maria (Text: Ludwig Güthlein)

Klima Maria (Text: Ludwig Güthlein)

In einer unglaublichen Fülle waren Gottesdienste und Gebete in den Medien präsent. Bilder und Videoclips mit Ostergrüßen wurden ausgetauscht und sogar in vielen Kirchen und Heiligtümern sichtbar. Wir haben erlebt und neu gelernt: Keines unserer Heiligtümer und Zentren kann leben ohne viele Hausheiligtümer um das Heiligtum herum. Und die Gottesdienste im Urheiligtum bei verschlossener Tür waren online so weltweit besucht wie selten. Was davon wird weiterwirken?

Gemeinsam haben wir am 18. April, am letzten Bündnistag, das

Liebesbündnis in der Corona-Krise

geschlossen. Erneuern, vertiefen, wiederholen, neu anfangen, immer wieder: All das sind wichtige Worte im geistlichen Leben. Auch eine ganz normale menschliche Partnerschaft und Beziehung lebt davon. In unserem Noviziat gab es einmal die Formulierung, wir sollten die Natur um uns herum so anschauen, dass wir lernen zu sehen „wie die Bäume wachsen“. Man spürt das nahezu Unmögliche in diesem Satz. Wachstum geht ja so langsam. Ich habe mich immer wieder gefragt, ob wir sehen können, was durch Corona und durch unser Liebesbündnis in der Corona-Krise gewachsen ist und wächst.

Welcher Geist wohnt in unsern Häusern und in uns?

Wahrscheinlich waren die meisten von uns so viel in ihren vier Wänden, wie schon lange nicht mehr. Und egal ob man alleine lebt, in einer Patres-Wohngemeinschaft oder zusammen als Familie: Das Mehr an Daheimsein hat uns tiefer erfahren lassen, welches Klima unser Inneres bestimmt und welcher Geist bei uns „wohnt“. „Der Geist Gottes wohnt in eurer Mitte!“ (1 Kor 3,16) war das biblische Wort, das wir ganz ohne Corona als Zusage für unser Jahresmotto gefunden haben. Dieses Wohnen meint eine stille Wirksamkeit, ein andauerndes Wirken, das nach oben zieht.

Zwei weitere Worte beschreiben für mich den Wachstumsvorgang, der durch das Liebesbündnis in der Corona-Krise dazugekommen ist:

Das kleine Wort „in“ ist ein großer geistlicher Schritt

Pater Kentenich beschreibt einmal seine Einstellung als Priester und was es für ihn heißt, mit den Menschen den Glaubensweg zu gehen. Manche erleben sich am Ufer stehend. Vom Ufer aus versuchen sie denen, die mit den Wellen und dem Sturm zu kämpfen haben, Hilfestellung zu geben, die Richtung zu zeigen und einen Rettungsring zuzuwerfen. Er habe sich vielmehr als jemand erlebt, der mit in das gefährliche Wasser springt und alle Kräfte des menschlichen Könnens und alle Hilfe der Gnade unter eigenem Risiko nahe zu den Menschen bringen möchte. In die Umstände hineingehen, die Lebenssituation des andern in sich aufnehmen, das Gelingen nicht vorausplanen können, selber nicht einfach alles nur besser wissen, sondern mit den anderen ein Hoffender und Glaubender sein: Das alles steckt in dem kleinen Wort „in“. Wie viele Diskussionen versuchen mit so viel Übersicht wie möglich alles, was Corona ausgelöst hat, zu verstehen und zu gestalten. Gott sei Dank dürfen wir erleben, dass viele kluge und engagierte Menschen sich um Problemlösungen bemühen. Aber durch Corona steckt es uns allen in den Knochen, dass unsere Übersicht und Planungssicherheit auch der heutigen Welt gegenüber brüchiger ist, als wir gedacht und uns entsprechend eingerichtet haben.

Ein geistliches „In“ sagt nicht erst am Ende, wenn man alles geplant und organisiert: „Naja, als Sahnehäubchen auf dem Kaffee brauchen wir auch ein bisschen Gottvertrauen“. Corona hat uns wieder die umgekehrte Reihenfolge gelehrt. Unser Fundament und unsere Verankerung ist in Gott. Deshalb lassen wir uns wagemutig und mit Zuversicht auf das Leben ein. Je unübersichtlicher und unplanbarer eine Situation ist, umso mehr verlassen wir uns darauf, dass Gott uns führt. Er öffnet – oder schließt – die Türen zur rechten Zeit, damit aus unserer Lebensgeschichte Bundes- und Heilsgeschichte wird.

Und das zweite Wachstumswort heißt „für“

Das Liebesbündnis für die Menschen in unserem Land hat unserer deutschen Schönstatt-Bewegung beim Jubiläum für die zweiten 100 Jahre die Tür geöffnet. Wir wollen apostolische Bewegung sein: Jeder Mensch mit seinen Fähigkeiten und Fragen, seinen Stärken und Schwächen, mit seinem Glauben und Unglauben soll die Heimat und die Stärkung des Liebesbündnisses erfahren. Darum haben wir bei der Gründernacht formuliert: „Erfüllt von missionarischem Geist bieten wir allen Menschen über alle Grenzen hinweg – bis an die Peripherien der Gesellschaft – das Liebesbündnis als Weg und Hoffnung an. Gib uns den Blick für ihre Würde, ein Ohr für ihre Fragen und eine Sprache, die Brücken baut.“

Das Liebesbündnis für die Menschen in unserem Land hat uns vorbereitet auf eine große Bewährungsprobe. Die Flüchtlingskrise haben wir als Ernstfall unseres Liebesbündnisses beantworten können.

Auch jetzt geht es um ein besonderes solidarisches „Für“. Das Füreinander im kleinsten Kreis unseres Lebens, auf das uns Corona aufmerksam gemacht hat, und auch das Füreinander um uns herum.

Ich glaube, dass es auch um das „Für“ für unsere Schönstatt-Zentren geht. Neben Freiberuflern sind Hotels und Tagungshäuser die am unmittelbarsten Betroffenen der Corona-Krise im wirtschaftlichen Sinn mit besonderer Langzeitwirkung. Beim Bau eines Heiligtums sagt man, es braucht wenigstens 100 Hausheiligtümer als Wurzelboden für ein äußeres Heiligtum aus Stein. Ein solches „Für-Netzwerk“ aus allen Generationen braucht auch die Weiterexistenz aller Zentren und Heiligtümer.

Sorgen wir alle dafür, dass unsere Pfingstgebet-Aktion in vielen Hausheiligtümern und an all unseren Zentren zu einem vom Heiligen Geist erfüllten „In“- und „Für“-einander wird.

Veni Sancte Spiritus – Komm, Heiliger Geist!

Ihr

P. Ludwig Güthlein
Schönstatt-Bewegung Deutschland


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