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18. November 2019 | Worte des Bewegungsleiters | 

Maria - mit deinen Augen sehen


Jahresmotiv 2020 der Schönstatt-Bewegung in Deutschland (Grafik: Maria Kiess / POS Brehm)

Jahresmotiv 2020 der Schönstatt-Bewegung in Deutschland (Grafik: Maria Kiess / POS Brehm)

Liebe Mitglieder und Freunde unserer Schönstatt–Bewegung,
liebe Leserinnen und Leser von www.schoenstatt.de,

Auf der Titelseite einer Zeitschrift wurde der Anschlag in Halle durch ein besonderes Titelbild kommentiert (Der Spiegel, Nr. 42, 12.10.2019). Die von Gewehrkugeln beschädigte Holztür der Synagoge, in der 50 Personen am Festtag zum Gebet versammelt waren, wurde für das Titelbild in der Form eines Davidsterns ausgeschnitten. Dieses Bild eines hölzernen Davidsterns hat mich in den vergangenen Tagen in meinem Nachdenken begleitet: Ein hölzerner Davidstern, von Gewehrschüssen durchlöchert.

Der schreckliche Anschlag mit Toten und Verletzten lässt auch die Nachrichten anderer Anschläge und deren Opfer in uns wach werden. Und doch ist viel mehr getroffen. Der Name unseres Landes ist weltweit mit den nationalsozialistischen Verbrechen gegen Juden verknüpft. Wir tragen in uns die Überzeugung, dass so etwas nie wieder von unserem Land ausgehen und in unserem Land geschehen darf. Das Bild vom durchlöcherten Stern möchten wir gar nicht glauben. Alle verantwortlichen Politiker verurteilen das Geschehene und benennen Zusammenhänge zu alltäglichen Abwertungen und Ausgrenzungen gegenüber Juden und jüdischem Leben in unserem Land.

Kardinal Marx erzählte, dass er mit Papst Franziskus zusammen war, als ihn die Nachricht vom Anschlag in Halle erreichte. Zusammen mit dem Papst brachte er seine Bestürzung und seine Solidarität mit den Opfern zum Ausdruck. Etwas müsse und werde anders sein, als es bisher im Verhältnis zwischen Judentum und Christenheit auch war. „Das darf nie wieder passieren! Wir stehen unverbrüchlich an der Seite unserer jüdischen Schwestern und Brüder! Wir werden auch weiterhin mit ihnen solidarisch sein. Deutlich unterstreiche ich: Nie wieder werden wir uns trennen. Christen und Juden werden immer zusammen durch die Geschichte gehen, bis der Herr wiederkommt“, sagte Kardinal Marx. Dies ist eine Verantwortung bis in unseren Alltag und in unsere Freundeskreise hinein, wie wir übereinander, über Christen und Juden, reden oder schweigend zulassen.
Immer wieder will ich in diesem Jahr die Zeichen der Zeit in Verbindung bringen mit dem, was der marianische Beitrag dazu sein könnte.

Klima Maria (Text: Ludwig Güthlein)

Klima Maria (Text: Ludwig Güthlein)

Maria, mit deinen Augen sehen …

Die Bitte um eine marianische Sichtweise gehört zu unserem beliebten Bündnisgebet. Wir beten oft „… dir weihe ich meine Augen, meine Ohren“. An verschiedenen Stellen in der Heiligen Schrift wird von Maria gesagt, dass sie alles „in ihrem Herzen bewahrte“. Politiker müssen schnell reagieren. Manchmal hatte ich den Eindruck, dass bei aller echter Betroffenheit und Solidarisierung es auch sofort darum geht, wer die Formulierung findet, mit der man medial am besten wirkt und zitiert werden kann. Wie oft oder eher wie selten erleben wir in öffentlichen Diskussionen so etwas wie Nachdenklichkeit oder sogar gemeinsame Nachdenklichkeit? Wie sehr färbt das ab auf unser eigenes Reden und auf unsere Kommentare, die wir so machen.

Vielleicht braucht es Momente der Sprachlosigkeit und das Sich-Eingestehen, dass man noch keine Antwort hat, die tief genug geht, um herauszuhören, was Gott in mir anregen und voranbringen möchte.

Auf einer alten Balkenwaage braucht man nur eine geringe Verschiebung der Gewichte, um das Ergebnis in sein Gegenteil zu verkehren. Konsens, Gemeinsamkeit, Mit- statt Gegeneinander ist mühsam und gelingt auch nicht immer. Wo fängt es an, dass man von „den andern“ ja sowieso nichts erwarten kann, dass deren Meinung einfach nur ärgerlich und störend ist, dass man vor allem laut und heftig die eigenen Interessen durchsetzen muss … Am Ende haben wir eine politische Landschaft und ein gesellschaftliches Klima von polarisierten Lagern. Die Art unserer Informationskanäle überfüttert die Lager auch noch permanent mit oberflächlichen Kurznachrichten, die nur die eigene Sichtweise bestätigen.

Gibt es einen marianischen Kommunikationsstil?

Auch die kirchliche Kommunikationssituation im Blick auf den „synodalen Weg“ scheint ein direktes Abbild der polarisierten gesellschaftlichen Mentalität zu sein. Bei verschiedenen Beteiligten und Mitverantwortlichen habe ich inzwischen immer wieder die Frage und die Sorge gehört, ob wir als Kirche wirklich zu einem anderen Gesprächsstil fähig und bereit sind. Ein Gesprächsstil, der wirklich offen neue Möglichkeiten sucht und der gleichzeitig überzogene Erwartungen loslassen kann.

Ich glaube, die Kirche sucht und braucht den Kommunikationsstil des Pfingstsaals. Ein Miteinander der Schwestern und Brüder, die nicht nur miteinander im Gespräch sind. Sie sind zusammen mit Maria. Mit ihrer Geisterfahrung hat alles angefangen. „Heiliger Geist wird über dich kommen“ war das entscheidende Wort des Engels. In einem marianisch geprägten Kommunikationsstil sind alle immer gleichzeitig mit einem dritten Gesprächspartner in Kontakt. Die eigene Einsicht und die der anderen im Herzen bewahren und bewegen und so offen für die Stimme des Heiligen Geistes, dass seine Anregungen und Wünsche das entscheidende Gewicht auf der Waage sind. Und die Bereitschaft, wie Maria, ein gläubiges Ja zu sagen, eröffnet dann den Weg der Kirche in die Zukunft, auf dem Gott den Menschen unserer Zeit und unseres Landes entgegenkommen wird.

Klima und Stil sind verwandte Lebensvorgänge. Für unser Jahresmotto ist das Hineinwachsen in einen marianischen Stil, wie wir miteinander und übereinander reden, besonders wertvoll. Ein dauernder Ansatzpunkt für „Klima wandeln“. Und manchmal fängt das schon beim Wie des Übereinander-Denkens an.

Herzliche Grüße vom Urheiligtum

Ihr

P. Ludwig Güthlein
Schönstatt-Bewegung Deutschland


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