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10. Oktober 2019 | International | 

Welcome to god‘s own country – Eine Begegnungsreise durch Indien


Drei Mitglieder des bewegenswert e. V. auf Begegnungsreise in Indien (Foto: Paul)

Drei Mitglieder des bewegenswert e. V. auf Begegnungsreise in Indien (Foto: Paul)

David Schrey. Von jungen Mitgliedern der Schönstattbewegung gegründet, ist der bewegenswert e. V. ein Verein, der sich für Entwicklungszusammenarbeit, sowie die Begegnung zwischen Menschen in verschiedenen Ländern und Lebensrealitäten einsetzt. Neben einer Gesundheitsstation im Tschad unterstützt der Verein seit November 2015 das Sunrise Village in Indien, ein Kinderdorf für 30 Waisenkinder, welches von den Schönstatt-Patres betrieben wird.

Die Kinder wohnen in Gruppen von 5 bis 10 Kindern mit je einer Pflegemutter zusammen in kleinen Bungalows, Cottage genannt. In den vergangenen Jahren wurde bereits vieles erreicht, wie die Mitfinanzierung eines neuen Schulgebäudes auf dem Gelände, welches 300 Kinder aus der Umgebung besuchen, ebenso die Beschaffung eines Schulbusses, Schulausstattung, einer Wasserfilteranlage und vielem mehr. Zudem haben bereits zwei Freiwillige aus Deutschland im Dorf für mehrere Monate gearbeitet, ein dritter ist seit Anfang August im Einsatz. Drei Kernteammitglieder des Vereins waren nun in Südindien unterwegs, um die Menschen im Dorf, aber auch die indische Schönstattbewegung kennenzulernen.

Eindrücke aus Indien (Foto: Paul)

Eindrücke aus Indien (Foto: Paul)

Begegnung ermöglichen - virtuell an andere Orte reisen

Mutter Rosie steht mitten im Raum, auf ihrem Kopf ein seltsames Gestell aus Pappe, welches ihre Augen verdeckt, und kann es nicht fassen. „Wow, this is amazing, oh my god!“, ruft sie laut, während sie sich etwas unbeholfen im Kreis dreht und den Kopf auf und ab bewegt. Die Kinder um sie herum lachen und versuchen, sie in verschiedene Richtungen zu ziehen. Davon bekommt sie allerdings wenig mit, denn Mutter Rosie befindet sich momentan in Deutschland, genauer gesagt vor dem Urheiligtum. Nun ja, nicht wirklich, aber zumindest befindet sie sich in einer sehr guten Illusion. Vor Ihren Augen sieht sie ein einminütiges 360°-Video, welches vor einiger Zeit vor dem Urheiligtum in Schönstatt, Vallendar, aufgenommen wurde. Mittels einer Vorrichtung namens Cardboard, in welche man ein Handy einsetzen kann, ist es so möglich, jemanden virtuell an andere Orte reisen zu lassen, eben so, als stünde man wirklich vor dem Heiligtum. Auch die Kinder werden im Laufe des Abends in den Genuss kommen, und so zum ersten Mal in ihrem Leben ein anderes Land sehen.

Menschen über Kontinente hinweg einander näherbringen, Begegnungen möglich machen und sich gegenseitig kennenlernen in einer Welt, in welcher wahrscheinlich sogar die eigene Jeanshose mehr gereist ist, als man es selbst je tun wird, das ist eines der Ziele, welches wir mit dem bewegenswert e. V. verfolgen. Um das Projekt vor Ort kennenzulernen, welches wir als Verein seit vier Jahren unterstützen, machen Carolina, Alex und ich uns auf den Weg nach Indien, dem Land der Farben und Gewürze, dem Land der Vielfältigkeit und vor allem dem Land der Gegensätze. Chaotische, laute Metropolen wie Bangalore, sattgrüne Wälder und malerische Gewässer Keralas, sowie geradezu himmlische Teeplantagen in den Bergen Tamil Nadus, all das können wir auf unserer Reise bestaunen. Aber auch Müllberge am Straßenrand, Gestank aus Kloaken und Bettler ohne Beine, die inmitten alldem leben, gehören leider zum Alltag dazu. Das Gefühl der Machtlosigkeit angesichts dessen ist unausweichlich.

Hinweis auf das Sunrise Village neben dem Eingangsportal (Foto: Paul)

Hinweis auf das Sunrise Village neben dem Eingangsportal (Foto: Paul)

Carolina wurde von enthusiastischen Mädchen mittels Schminke, Schmuck und Sari in eine echte Inderin verwandelt (Foto: Paul)

Carolina wurde von enthusiastischen Mädchen mittels Schminke, Schmuck und Sari in eine echte Inderin verwandelt (Foto: Paul)

Das Sunrise Village, ein Kinderdorf in Trägerschaft der Schönstatt-Patres

Nach etwa einer Woche Erkundungsreise erreichen wir das Sunrise Village, welches nur 50 km, aber drei Stunden Busfahrt, von der Südspitze Indiens entfernt liegt. Pater Lawrence ist einer der drei Patres, die aktuell im Dorf leben. Er holt uns gemeinsam mit Niklas, unserem Freiwilligen, vom Busbahnhof ab. Als wir nach 20 Minuten Fahrt aufs Land die Tore des Kinderdorfs erreichen, machen sich bei mir, der bereits vor drei Jahren als Freiwilliger im Einsatz war, Gefühle des Nachhausekommens breit. Das Sunrise Village ist eine Oase der Ruhe am Rande einer lauten Hauptverkehrsstraße, Pfaue laufen durchs Dorf, Kinder springen umher und ich fühle mich, als wäre es nur eine Woche her, dass ich hier das letzte Mal stand.

Nichtsdestotrotz hat sich vieles verändert. Allem voran sind die Kinder, deren Namen ich noch fast alle kenne, älter geworden. Einige haben zudem das Dorf verlassen und es sind auch viele neue, junge Gesichter zu sehen. Das Schulgebäude der „Schoenstatt Matriculation School“ ist eine weitere offensichtliche Neuerung. Vor zwei Jahren wurde die Schule für 4 bis 16-jährige eröffnet, auch dank zahlreicher Unterstützung aus Deutschland. Da aber Sonntag ist, werden wir noch warten müssen, bis wir die Schule in Aktion sehen, vorerst begnügen Alex und ich uns mit einer Runde Fußball auf dem Vorplatz, während Carolina von den enthusiastischen Mädchen mittels Schminke, Schmuck und Sari in eine echte Inderin verwandelt wird. Die klassischen Rollenbilder sind in Indien noch allgegenwärtig.

Schulversammlung (Foto: Paul)

Schulversammlung der „Schoenstatt Matriculation School“ (Foto: Paul)

Interesse aneinander und gegenseitiger Austausch

Montagmorgen, 9:15 Uhr. Wir stehen zu dritt im Hintergrund und schauen uns die Schulversammlung an. Alle Kinder stehen perfekt nach Alter geordnet in Uniform vor der Bühne, während oben das Gebet für den Tag gesprochen wird. Im Anschluss wird die indische Nationalhymne gesungen und die Fahne gehisst, bevor alle Kinder in den Klassen verschwinden. Was auf uns befremdlich wirkt, gehört in vielen Ländern des Commonwealth zum normalen Schulalltag dazu. Im Laufe des Vormittags besuchen wir verschiedene Klassen und verfolgen den Unterricht. Neben den Fächern Mathe, Englisch, Naturwissenschaften, Sozialwissenschaften und Tamil (der regionalen Sprache), die auf allen Schulen verpflichtend sind, erhalten die Kinder auf der Schoenstatt Matriculation School auch Computerkurse. Dort lernen sie mit Microsoft Office, Photoshop und Paint umzugehen. Dass alle Kinder diesen Unterricht besuchen können, ohne zusätzliche Gebühren zu zahlen, ist der Unterstützung der Firma EXEC Software Team GmbH aus Deutschland zu verdanken.

Wir gehen weiter und besuchen die älteren Klassen. Auffällig ist, dass die Schüler sich bei einer Frage des Lehrers/der Lehrerin nicht melden, sondern alle gleichzeitig antworten. Auf uns wirkt das sehr chaotisch und laut, aber die Lehrerinnen und Lehrer haben die Situation im Griff. Am Ende der Unterrichtszeit spielen wir noch gemeinsam mit einigen Kindern auf dem Hof ein Fangspiel namens Kabbadi. Es erfreut sich in Indien großer Beliebtheit und es werden sogar Weltmeisterschaften darin ausgetragen. Da es sehr einfach nachzuspielen ist, kommen wir auf die Idee, es daheim mal in der Jugendarbeit auszuprobieren. Umgekehrt sind die Kinder auch sehr interessiert, was wir denn in Deutschland für Spiele spielen, was unser Nationaltier ist, was wir Essen und so weiter. Wir entschließen uns deshalb, den älteren Klassen am letzten Tag einige Bilder aus Deutschland zu zeigen und von unserem Leben zu erzählen. Besonders beeindruckt sind sie von den Alpen und von dem Fakt, dass auf deutschen Straßen keine Autorikschas (Tuk Tuks) fahren.

Programm mit den Jugendlichen (Foto: Paul)

Programm mit den Jugendlichen (Foto: Paul)

Eine Jugendbewegung, wie bei uns die MJF und SMJ, gibt es in Indien nicht

Schweren Herzens verlassen wir das Sunrise Village am nächsten Tag in Richtung Madurai. Die indischen Patres sind in zwei Regionen aufgeteilt, Tamil Nadu und Kerala. In Madurai befindet sich „Kentenich Kallori“ das Zentrum der tamilischen Patres. Ein großer Komplex mit einem schönen Heiligtum, jedoch wohnen nur wenige Menschen hier, hauptsächlich Jugendliche, die nach ihrem Schulabschluss ins Seminar der Patres eintreten möchten. Auch in Indien ist Nachwuchsmangel ein großes Thema in der Kirche. Wie schon in der Schule im Sunrise Village zeigen wir den Jugendlichen Bilder aus Deutschland, erzählen von unserem Leben und der deutschen Schönstatt-Bewegung. Austausch funktioniert in beide Richtungen. Die Jungs hören interessiert zu und vor allem der Trailer der Nacht des Heiligtums (NdH) wird begeistert aufgenommen. Eine Jugendbewegung, wie bei uns die MJF und SMJ, gibt es in Indien nicht. Die Pfarreien verhindern eine solche Formierung, da sie Angst haben, dass die Jugendlichen dann nicht mehr aktiv in der Pfarrei wären, erzählen uns mehrere Patres, in Madurai, wie auch in Bangalore, wo wir als nächstes zu Gast sind.

Zwei Schönstatt-Heiligtümer in unmittelbarer Nachbarschaft

Tatsächlich existieren in Bangalore zwei Heiligtümer in direkter Nachbarschaft. Eines davon gehört den Patres aus Tamil Nadu und Kerala, die es mit dem dazugehörigen Haus “Kentenich Vidhyaniketan“, was auf Hindi „Haus des Wissens“ bedeutet, gemeinsam betreiben. Dort leben vor allem Seminaristen aus beiden Regionen. Gemeinsam mit Terrance, einem angehenden Pater aus Kerala, machen wir uns auf den Weg zu den Marienschwestern, denen das andere Heiligtum gehört. Alex hat einen Brief von einer Schwester aus Deutschland für die Oberin dabei, ein klassischer Postweg unter Schönstättern. Als wir das Heiligtum betreten, bin ich überrascht. Andere Heiligtümer sind natürlich ebenfalls wie das Urheiligtum eingerichtet, allerdings gibt es hier und da einige Variationen in den Abmessungen und in der Art des Holzes. Dieses Kappelchen ist jedoch eine perfekte Kopie, es gibt sogar Bänke, während man in anderen indischen Heiligtümern auf dem Boden sitzt. Im Anschluss gibt es, typisch Deutsch, Kaffee und Kuchen und ein nettes Gespräch mit der Marienschwester. Sie war schon oft in Deutschland und erzählt uns wie es war, damals als junge Frau in ein völlig fremdes Land zu kommen, die Sprache nicht zu sprechen und die Kultur nicht zu verstehen. Und das mit dem Hintergrund, im bisherigen Leben kaum mehr von der Welt als das Nachbardorf gesehen zu haben.

Begegnung am Schönstatt-Heiligtum der Schönstätter-Marienschwestern (Foto: Paul)

Begegnung am Schönstatt-Heiligtum der Schönstätter-Marienschwestern (Foto: Paul)

Eine Reise, die nur an der Oberfläche eines vielfältigen Landes mit außergewöhnlichen Menschen gekratzt hat

Zum Abschied gibt es noch ein gemeinsames Selfie vor dem Heiligtum, dann machen wir uns wieder auf den Weg nach Kentenich Vidhyaniketan. Abends erzählen wir auch hier den Seminaristen von der Schönstattjugend in Deutschland und von der Nacht des Heiligtums. Wir hoffen, etwas Inspiration für den Aufbau einer indischen Schönstattjugend gegeben zu haben, Begeisterung konnten wir mit dem NdH-Trailer immerhin wecken. Mit dem Ende des Tages rückt langsam auch der Abschied näher, denn am frühen Morgen startet der Air India Flug wieder zurück nach Deutschland. Uns ist bewusst, dass wir mit unserer Reise nur an der Oberfläche eines vielfältigen Landes mit außergewöhnlichen Menschen gekratzt haben. Wir haben dennoch vieles mitgenommen und hoffen, auch euch einen kleinen Einblick durch diesen Artikel, aber auch die sozialen Medien vermittelt haben zu können. Außerdem konnten wir viele Aufnahmen mit einer 360°-Kamera machen, ihr dürft euch also bald darauf freuen, wie Mutter Rosie mit einem Cardboard auf dem Kopf das Sunrise Village zu erkunden, auf Youtube oder offline an einem unserer Stände. Damit wir uns als Menschen über Kontinente hinweg ein Stückchen besser kennenlernen in einer Welt, in der wir ständig, oft unbemerkt, global handeln und andere Lebensrealitäten beeinflussen.

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