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27. August 2019 | Deutschland | 

Maria, die Seele und die religiöse Erfahrung – Stichworte die dem 80jährigen Pater Dr. Herbert King beim Schönstattgründer Josef Kentenich besonders wichtig erscheinen


Pater Dr. Herbert King feierte am 12. August 2019 seinen 80. Geburtstag (Foto: Brehm)

Pater Dr. Herbert King feierte am 12. August 2019 seinen 80. Geburtstag (Foto: Brehm)

Hbre. Am 12. August hat Schönstatt-Pater Dr. Herbert King seinen 80. Geburtstag gefeiert. In der internationalen Schönstatt-Bewegung ist der in Lauterbach im Schwarzwald Geborene als Kentenich-Kenner bekannt, als jemand, der seit vielen Jahren in der Forschung über den Schönstatt Gründer tätig ist und als jemand, der seine Kraft dafür einsetzt, dass die Initiativen und Ansätze Pater Josef Kentenichs in den Bereichen Theologie, Spiritualität, Pädagogik, Pastoral und Psychologie zunächst Gemeinschaftsintern aber dann auch über die Schönstatt-Bewegung hinaus weiter gegeben und weiter vermittelt werden. Anlässlich seines Geburtstages und der Neuauflage seines Buches „Gott des Lebens - Ein psychologisch orientierter Weg zur menschlich-christlichen Vollentfaltung“ im Patris Verlag konnte www.schoenstatt.de mit Pater King das nachfolgend abgedruckte etwas längere Interview führen.

Persönliche Erfahrungen

schoenstatt.de: Pater King, sie haben Ihren 80. Geburtstag gefeiert. Wenn Sie auf Ihr bisheriges Leben zurückschauen, was würden Sie sagen, waren Ihre wichtigsten Erfahrungen?

Pater Herbert King: Wichtigste Erfahrungen, das ist natürlich nicht leicht zu beantworten. Ich denke, dass mein Leben überhaupt reich ist an guten und schönen Erfahrungen. Es liegt mir überhaupt, eher das Gute als das Schlechte zu sehen. Das habe ich wohl von meiner Mutter geerbt. In diesem Sinn bin ich eher ein österlicher Mensch.

www.schoenstatt.de traf Pater Herbert King im Provinzhaus der Sion-Provinz der Schönstatt-Patres Deutschland auf Berg Sion, Vallendar (Foto: Brehm)

www.schoenstatt.de traf Pater Herbert King im Provinzhaus der Sion-Provinz der Schönstatt-Patres Deutschland auf Berg Sion, Vallendar (Foto: Brehm)

Aber einige Erfahrungsmomente haben sich sicher besonders eingeprägt?

Ja, ein paar Dinge kann ich hervorheben: eine besonders intensive Erfahrung für mich war mein erster Schönstattbesuch mit 16- 17 Jahren, wo ich dann auch das Liebesbündnis geschlossen habe. Ich habe damals wochenlang praktisch in einem Taumel gelebt mit all dem, was ich da erlebt und erfahren habe.

Eine weitere Erfahrung, die mein Leben stark geprägt hat, sind die Schriften Pater Kentenichs. Diese haben mich einfach gepackt. Ein besonderer Höhepunkt in diesem Zusammenhang ist der Tag, als ich die Pädagogische Tagung von 1951 bekam und sie mit der Schreibmaschine abschrieb.

Und vielleicht als drittes: der erste Besuch von Papst Johannes Paul II. in Deutschland. Da lebte ich anschließend auch im Glück: „Gott hat sein Volk angenommen“. Ich habe das Magnifikat, das ja um dieses Wort kreist, tagelang so vor mich her gesungen. Dass der polnische Papst, in dessen Heimatland die Deutschen so viel Schlimmes angerichtet hatten, so den Deutschen begegnete, wie er es damals gemacht hat, das hat mich einfach total beglückt.

Aus neuerer Zeit könnte ich die Glückserfahrung nennen, die mich auf der Rückfahrt im ICE vom Leipziger Katholikentag vor einigen Jahren erfasste. Ich merkte wie oft eigentlich, dass ich meine Kirche und mein Schönstatt – bei aller Kritik, die auch ich habe - liebe und ich es nicht so recht haben kann, wenn da zu sehr in Defätismus gemacht wird, wenn Mutlosigkeit oder Schwarzseherei zu sehr im Vordergrund stehen.

Ich hätte erwartet, dass Sie zuerst Ihre Begegnung mit Pater Kentenich erwähnen würden?

Ja natürlich, auch die mehrfachen Besuche bei Pater Kentenich in Milwaukee sind herausragende Erfahrungen in meinem Leben. Viel, ja sehr viel Zeit hat er mir gewidmet. Ich meine, dass ich um die 35 Stunden persönlich mit ihm reden durfte.

Und weil wir gerade die Gründung des Internationalen Priesterbundes und das „Hörde-Jubiläum“ gefeiert haben, kommt mir als weitere wichtige Erfahrung meines Lebens die Tatsache in den Sinn, dass ich eine der ersten Bundesgemeinschaften Schönstatts im Ausland gründen durfte. Es war der Priesterbund in Argentinien. Dabei lief es genauso wie in Hörde. Die ersten Versammlungen waren bereits von großer Zuversicht und einer großen Zukunftsvision geprägt. Dabei war alles völlig armselig. Die erste entscheidende Versammlung fand damals in der Küche des kleinen Patres-Hauses in la Plata statt. Ich sehe das noch alles vor mir.

King: "Was hat Kentenich eigentlich gewollt? Man kann vor lauter Bäumen leicht den Wald nicht mehr sehen. Das Wesentliche, das er  wollte, kann man nicht einfach auf den Punkt bringen - vor allem dann, wenn man damit rechnen muss, dass dieser eine Punkt dann isoliert betrachtet wird." (Foto: Brehm)

King: "Was hat Kentenich eigentlich gewollt? Man kann vor lauter Bäumen leicht den Wald nicht mehr sehen. Das Wesentliche, das er wollte, kann man nicht einfach auf den Punkt bringen - vor allem dann, wenn man damit rechnen muss, dass dieser eine Punkt dann isoliert betrachtet wird." (Foto: Brehm)

Maria in einer ganz weiten Perspektive

In Schönstatt sind Sie ja als der Kentenichforscher bekannt. Was ist denn für Sie auf den Punkt gebracht das Wesentliche, was Pater Kentenich wollte?

Sie sprechen mich als Kentenich-Forscher an. Das bin ich mit Leib und Leben. Noch immer lese ich -  oft zum zwanzigsten Mal - in seinen Schriften. Dabei entdecke ich immer wieder Neues, vor allem neue Zusammenhänge. Und ich freue mich darüber. Auch dies sind echte Glückserfahrungen. An die dreißig Bücher durfte ich veröffentlichen. Dazu kommt ein kleiner Berg von Skripten über die verschiedensten Themen aus seiner Welt. Über Kentenich (organisches Denken und Leben) ging auch meine Doktorarbeit, die ich an der theologischen Fakultät in Buenos Aires (auf Spanisch) einreichte. Das war in einem anderen Jahrtausend.

Können Sie trotzdem den einen oder anderen Punkt benennen?

Ja. Ich will zunächst Maria nennen. Da kann ich einen Satz aus der Zweiten Gründungsurkunde zitieren, der einen tiefen Blick in das Innere Pater Kentenichs und ich denke in etwa auch in mein Inneres tun lässt. „Sie ist schlechthin das Geschenk, das Gottes Weisheit, Güte und Allmacht am 18. Oktober 1914 unserer Familie und durch sie erneut der Welt gegeben hat.“ Und dazu ein zweiter Satz. Er bezieht sich auf die Überzeugung und die oft und oft gemachte Erfahrung Pater Kentenichs. „Gott hat die Menschenseele so ungemein tief für den Einfluss Marias empfänglich gemacht“ (ebenfalls zweite Gründungsurkunde). Umso mehr ärgere ich mich, wenn unsere Theologen, Priester und Religionslehrer dies nicht so recht haben können.

Aber Sie bleiben nicht beim Ärger …

Nein, natürlich nicht. Meine Freude war groß, als das letzte Konzil ausführlichst über Maria geredet und uns ein Dokument geschenkt hat, das fast bis ins Wort Maria so darstellt, wie Pater Kentenich sie sieht. Ohne dass dieser da mitgewirkt hätte. Es ist eben der gleiche Geist Gottes, der in seiner Kirche wirkt. Maria ist die amtliche Dauergefährtin und Dauergehilfin Christi in allen Situationen des Heils. Und deswegen ist sie unsere Mutter, ja Mutter aller Menschen, also auch der Muslime und Agnostiker. Paul VI. rundete dies ab mit der Proklamation Marias als Mutter nicht nur der Menschen, sondern auch der Kirche. Über zwanzig Mal habe ich im Laufe meines akademischen Lebens den Traktat Mariologie gegeben. Zum ersten Mal übrigens schon in der Schule den Klassenkameraden der Gruppe aus Neudeutschland.

Herbert King

Herbert King hat katholische Theologie in Tübingen und München studiert, bevor er 1961 Mitglied im werdenden Säkularinstitut der Schönstatt-Patres wurde. Seine Priesterweihe fand 1964 in Argentinien statt, wo er auch die dortige Niederlassung der Schönstatt-Patres mitbegründete. Nach seelsorgerlichen Tätigkeiten und einer Professur für Dogmatik am Interdiözesanen Priesterseminar von La Plata, Argentinien, kehrte Pater King 1978 wieder nach Deutschland zurück.

Erste Station war das Internationale Joseph Kentenich Kolleg in Münster mit Aufgaben in der Priesterausbildung, Studienbegleitung und Lehre. Ab 1992 war Pater King Leiter der Schönstatt-Patres-Filiale in Stuttgart. Seit 2004 ist er wohnhaft in Schönstatt, Vallendar, auf Berg Sion, unterbrochen von mehreren Semestern als Gastprofessor am Colegio Mayor in Santiago de Chile. Pater Kings Hauptaufgabe ist bis heute die Erforschung des Nachlasses Pater Kentenichs. Zahlreiche Abhandlungen und Publikationen zum Thema sind bisher erschienen.

Wie sieht Pater Kentenich Maria denn?

Die Liebe zu Maria und die Gebundenheit an sie lässt ihn Maria in ihrem Symbolwert erkennen und erleben. Eigenwert und Symbolwert gilt es zu unterscheiden. Maria steht ganz wesentlich für die Bedeutung der Frau und des Weiblichen. Ebenfalls steht sie für den Menschen, der von Gott als echter Partner angesehen wird. Dies hat Pater Kentenich in seiner Zweitursachenlehre immer wieder hervorgehoben und an Maria festgemacht. Sie ist die personifizierte (relativ autonome) Zweitursache, sagt er. So einer ihrer Namen. Das heißt also, dass der Mensch auch selbstständig vor Gott steht und Entscheidungen treffen kann, die weitreichend sind.

Und Kentenich sagt, dass Maria den Menschen zu Gott führen kann?

Ja, Maria hat uns zu Christus geführt und ergänzend: Sie hat uns zum Vater geführt. Wer sie gesehen hat, hat Gott in einem Menschen gesehen, so wie wir Gott im Menschen Jesus sehen oder so wie die Menschen ihn in den Heiligen sehen. Ja, jeder Mensch ist auch ein Gottesbild. Und da Maria: Sie lässt in Gott auch Mütterliches und Weibliches sehen. Es sind ja immer (nur) menschliche Bilder, die uns von Gott reden. Es kommt tatsächlich auf solche an, wenn wir Gott nicht (agnostisch) als übergeistiges Wesen sehen. Ehren und lieben wir sie also! So wie jene muslimischen Frauen, die gerne in katholische Kirchen gehen, wie sie sagen, weil man dort bei der Maria Lichtlein anzünden kann. Und vertrauen darf. Alles zu ungeistig für so manchen Gottes-Denker?!

Lichtlein anzünden und vertrauen, da klingt Maria recht brav …

In Zeiten, in denen heftig über das Priestertum der Frau diskutiert wird, kann Maria uns sagen: Um wichtige Ämter in der Kirche zu haben, braucht es keine Priesterweihe. Im Gegenteil, es erscheint dann wieder, dass der Weltchrist halt doch nichts zu sagen hat, dass auch die Frau nichts zu sagen hat, wenn sie nicht zum Priester, zur Priesterin geweiht wird. Und wir hören Papst Franziskus mit seinem Wort. „Der weibliche Genius der Frau ist nötig an den Stellen, wo wichtige Entscheidungen getroffen werden…auch dort wo in den verschiedenen Bereichen der Kirche Autorität ausgeübt wird.“ Und da müssen entsprechende Ämter auch noch mehr geschaffen werden.

Das klingt schon fast revolutionär. Pater Kentenich sieht in Maria also eine ganz weite Perspektive?

Maria führt zu Christus, zum Vater-Gott. Dies die Erfahrung vieler Menschen. Dieses „führen zu“ macht Kentenich oft am Bild des Wegweisers deutlich. Sie ist nicht wie der Wegweiser, der dann stehen bleibt. Sondern „hinführen“ heißt, in ihr Gott sehen und d.h. dann auch Gott weiblich, marianisch, mütterlich sehen. An dieser Stelle schätze ich Beiträge der heutigen feministischen Theologie sehr, die betonen, dass man in Gott dann auch die Mutter sehen kann, ein weibliches Gottesbild. Und man bedenke, dass in den drei monotheistischen Religionen Maria eigentlich das einzige weibliche Bild von Bedeutung ist. Ansonsten sind diese Religionen ausschließlich männlich geprägt. Das männliche Gottesbild steht mehr für den transzendenten Gott, das weibliche Gottesbild mehr für den immanenten Gott.

King: "Wenn wir von einem Menschen sagen, er sei menschlich, dann meinen wir ja nicht, er sei intelligent oder er hätte einen scharfen Verstand, sondern dann meinen wir tatsächlich seine Herzensfähigkeit." (Foto: Brehm)

King: "Wenn wir von einem Menschen sagen, er sei menschlich, dann meinen wir ja nicht, er sei intelligent oder er hätte einen scharfen Verstand, sondern dann meinen wir tatsächlich seine Herzensfähigkeit." (Foto: Brehm)

Die Bedeutung der Seele - Erziehung des Herzens

Also Maria, eines der zentralen Anliegen Pater Kentenichs. Gibt es ein weiteres, das wir – wie Sie es eingangs sagten – natürlich nicht isoliert betrachten wollen?

Ja, ein zweites Wort ist – im Zeitalter der Psychologie besonders wichtig - das Wort Seele. Die zentralen Worte der Anthropologie Pater Kentenichs sind: Leib - Seele - Geist. Geist ist dann der Verstand und der Wille. Seele die Herzensfähigkeiten, das Intuitive und Affektive im Menschen. Pater Kentenich hat, wie er gelegentlich sagt, in den Seelen gelebt, hat auf die Seele gehört, hat gespürt, was sie sagt, hat sie entdeckt. Er sagt gelegentlich auch: im Kontakt mit Menschen - nicht zuletzt mit Frauen - habe er in den Seelen Edelmetall zuhauf gefunden und das heraufgehoben und entsprechend formuliert und gepflegt.

Internetseite
von Pater Dr. Herbert King

www.herbert-king.de

Mit Beiträgen zu Themen wie

  • Gott begegnen
  • Priester-Sein
  • Frau, Feminismus, Maria u. Mariologie
  • Psychologie - Organismuslehre

Können Sie das näher erläutern?

Immer wieder betont Pater Kentenich: Ja, wir empfinden und entscheiden viel stärker vom Herzen her, als das eigentlich so richtig bemerkt wird. Wir meinen, es sei der Wille. Doch dieser bekommt oft gar nicht so recht mit, dass er im Grunde genommen gar nicht so frei ist, wie er meint, und dass er mehr von „unterirdischen“, affektiven Gesichtspunkten gesteuert wird, seine Urteile fällt und seine Taten vollbringt.

Ist Pater Kentenich deshalb die Herzensbildung so wichtig?

Ja, er betont die Erziehung des Herzens, aber in einer positiven Richtung: Nicht zunächst das Negative sehen und die Gefahren. Nicht lieber dem Verstand vertrauen als den Intuitionen des Herzens. Das Leben der Seele entsprechend pflegen, sie sensibel wahrnehmen, ihr begegnen.

Gestaltwandel der Religion

Zur Seele noch ein zweiter Gesichtspunkt ...

… bitteschön …

Ich habe mich in letzter Zeit immer wieder mit Freud beschäftigt. Ja, Pater Kentenich hat einen interessanten Blick in die Seele, das Herz der Menschen getan, ähnlich wie Freud. Beide haben etwas Ähnliches entdeckt: Religion hat dem Menschen vielfach sehr geschadet. Ein negatives, bedrohliches Gottesbild hat den Menschen über Jahrhunderte stark zugesetzt. Ja, man hat doch viel vom Teufel geredet. Etwa bei der Taufe von Kleinkindern. Gerade erst heute Morgen hat mich jemand darauf angesprochen, der mit diesem Thema belastet ist. Und man hat zu viel von einem drohenden Gott gesprochen, der alles sieht. Und dazu ein negatives Menschenbild, das - ich will es mal so formulieren - betont: Du bist nichts - die Gnade ist alles. Der Mensch ist nichts - Gott ist alles. Ist das wahr? Gibt es bei ihm, neben ihm, also keinen Platz für den Menschen, für mich zum Beispiel? Ist es wahr, dass Gott den Menschen um seinetwillen liebt, sogar dass Gott mich ganz persönlich auch um meinetwillen liebt: So hat er mich doch gemacht!

King: "In der Geschichte des Christentums als Weltgrundgesetz nicht so sehr die Liebe fungiert hat, sondern vielmehr das Weltgrundgesetz der Gerechtigkeit, der Aufrechnung, der Abrechnung, damit auch der Angst vor Gott, der Drohung." (Foto: Brehm)

King: "In der Geschichte des Christentums hat als Weltgrundgesetz nicht so sehr die Liebe fungiert, sondern vielmehr das Weltgrundgesetz der Gerechtigkeit, der Aufrechnung, der Abrechnung, damit auch der Angst vor Gott, der Drohung." (Foto: Brehm)

Pater Kentenich möchte also, dass die Kirche ein positiveres Bild vom Verhältnis Mensch zu Gott und Gott zum Menschen vermittelt?

Dass diese Dinge beherzter gesagt werden, ja, darum geht es Pater Kentenich. Er beobachtet, dass in der Geschichte des Christentums als Weltgrundgesetz nicht so sehr die Liebe fungiert hat, sondern vielmehr das Weltgrundgesetz der Gerechtigkeit, der Aufrechnung, der Abrechnung, damit auch der Angst vor Gott, der Drohung. Freud hat daraus die Konsequenz gezogen: des Menschen wegen überhaupt keine Religion. Pater Kentenich hat auf diesem Hintergrund eine bessere, eine richtigere, eine mehr an Jesus orientierte Religion formuliert.

Das klingt wie eine andere Religion ...

Nein und ja: Es geht heute um einen inneren Gestaltwandel der Religion als eigentliches Thema, das unserer Zeit und Kirche aufgegeben ist; nicht nur dem Christentum, sondern auch allen anderen Religionen. Denn alle Religionen haben einen Hang dahin, den Menschen klein zu sehen vor Gott, als ein Nichts, als ein Sünder im Vergleich zu ihm, dem ganz Reinen. Aber da kam ja Jesus, der sagte: ihr denkt falsch! Denkt anders! Ich denke anders über die ganze Sache und damit ihr es ein für alle Mal wisst, will ich selbst Mensch sein, wie ihr - außer der Sünde - ganz sicher. Doch eben Mensch wie ihr, damit ihr das wirklich wisst und respektiert und nicht meint, ihr müsstet euch aufgeben, verschwinden, wenn Gott kommt. Das ist der eigentliche Fehler. Kentenich mahnt da die Notwendigkeit einer kopernikanischen Wende an. Und ich stehe da entschieden und jeden Tag neu bewusst auf seiner Seite. Und arbeite daran.

Der religiösen Erfahrung mehr Gewicht gegeben!

Gehen wir noch einen kleinen Schritt weiter. Gibt es nach Ihrer Meinung Themen heute, auf die Pater Kentenichs Spiritualität und pädagogisch-psychologischer Ansatz besonders hilfreiche Antwortmöglichkeiten geben könnte?

King: "Mit Pater Kentenich möchte ich hier sagen: da ist irgendwo ein Bazillus drin, eine Art Denkform, die jede religiöse Erfahrung – weil zu unwissenschaftlich, zu untheologisch - im Grunde genommen nicht zulassen kann." (Foto: Brehm)

King: "Mit Pater Kentenich möchte ich hier sagen: da ist irgendwo ein Bazillus drin, eine Art Denkform, die jede religiöse Erfahrung – weil zu unwissenschaftlich, zu untheologisch - im Grunde genommen nicht zulassen kann." (Foto: Brehm)

In unserem Land gibt es Religionsunterricht auch an den Staatsschulen. Es gibt um die vierzig theologische Fakultäten, auch an Staatsuniversitäten. Und doch, was geschieht? Warum blüht da der Glaube nicht auf? Mit Pater Kentenich möchte ich hier sagen: da ist irgendwo ein Bazillus drin, eine Art Denkform, die jede religiöse Erfahrung – weil zu unwissenschaftlich, zu untheologisch - im Grunde genommen nicht zulassen kann.

Sie kritisieren, dass der religiösen Erfahrung zu wenig Gewicht gegeben wird?

Ja, sie wird, bevor sie sich so recht entfalten kann, sofort „zurecht gedacht“, theologisch-wissenschaftlich überprüft, eigentlich niedergedacht, vielleicht sogar kaputtgedacht, zersetzt im vollsten Sinne des Wortes, „theologisch verantwortet“ - es ist bei einer Erfahrung nie alles richtig gesagt. Unter solchen Bedingungen ist Liebe aber nicht möglich, auch Glaube nicht, der eine gewisse Naivität braucht. Wie viel Theologie verträgt die Öffentlichkeit? So der Titel einer Publikation in der angesehenen Reihe Quaestiones Disputatae, Nr. 183 aus dem Jahr 2000. Wie viel Theologie erträgt das Glaubensleben, etwa eines Jugendlichen in der Schule? Umgehen mit dem Leben der Seele ist das große Thema Kentenichs. Kentenich-Pädagogik als Lebens-Pädagogik!

Schule und Studium sollten also mehr mit der Lebenserfahrung zu tun haben?

Man wird einwenden, dass solches nicht Aufgabe der Schule und des Studiums ist. Und doch wird ein Biologie-Lehrer z.B. für sein Fach nicht so argumentieren. Er will ja wohl auch Liebe zum Lebendigen, zur Natur, zu Pflanzen und Tieren vermitteln. Oder der Französischlehrer wird nicht nur die Sprache lehren, sondern über die Sprache zu dem Land, in dem diese gesprochen wird, eine Beziehung aufbauen und pflegen.

Ein spannendes Gespräch, Pater King, das eigentlich fortzusetzen wäre. Vielen Dank für diesen Beitrag und auch ein herzliches Dankeschön im Namen der Leserinnen und Leser für ihren unermüdlichen Forscherdrang und ihr Bemühen, den Schönstatt-Gründer den Menschen der heutigen Zeit nahezubringen und verständlich zu machen.

Das Gespräch führte Heinrich Brehm

 

Kontaktadresse Herbert King: king@schoenstatt-patres.de

Cover der Neuauflage des Buches von Pater Dr. Herbert King: "Gott des Lebens - Ein psychologisch orientierter Weg zur menschlich-christlichen Vollentfaltung" (Foto: Patris Verlag)

Cover der Neuauflage des Buches von Pater Dr. Herbert King: "Gott des Lebens - Ein psychologisch orientierter Weg zur menschlich-christlichen Vollentfaltung" (Foto: Patris Verlag)

Neuauflage des Titels „Gott des Lebens“ von Pater Herbert King zum achtzigsten Geburtstag des Autors

Der Patris Verlag freut sich, anlässlich des 80. Geburtstages von Pater Herbert King die aktualisierte Neuauflage seines Buches: „Gott des Lebens“ ankündigen zu können. Der Titel ist in der Reihe „Schönstatt-Studien“ erschienen und Pater Herbert Kings „erfolgreichstes“ Buch. Herbert King stellt in diesem Buch das Christsein als Entfaltung des Menschseins dar. Dabei sei ein psychologisch orientierter Weg nicht das Gleiche wie „Christentum zu ermäßigtem Preis“, macht der Autor in seinem Vorwort deutlich. Allerdings gehe es ihm „um eine Spiritualität, die menschen- und seelenfreundlich ist“, eine Spiritualität, die eventuell auch im Stande sei zu heilen.

Das Buch wird in Kürze über jede Buchhandlung oder direkt beim Patris Verlag zu bestellen sein (Preis: 12,00 Euro).


 


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