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15. August 2019 | Worte des Bewegungsleiters | 

„Ownership“ und „Empowerment“


Jahresmotiv 2019 der Schönstatt-Bewegung in Deutschland (Grafik: POS Brehm)

Jahresmotiv 2019 der Schönstatt-Bewegung in Deutschland (Grafik: POS Brehm)

Liebe Mitglieder und Freunde unserer Schönstatt–Bewegung,
liebe Leserinnen und Leser von www.schoenstatt.de,

Es ist ungewöhnlich, dass zwei englische Worte über dem Leitartikel des Bündnisbriefes und über diesem "Wort des Bewegungsleiters" stehen. Beim Nachdenken über das Ereignis von Hörde, als sich am 20. August 1919 der „Apostolische Bund von Schönstatt“ konstituierte, habe ich gemerkt, dass die beiden Worte „Ownership“ und „Empowerment“ wirklich gut den Kern des Hörde-Ereignisses treffen.

Es sind zwei moderne Worte, die heute im Zusammenhang von Unternehmensorganisation und Mitarbeiterkultur eine zentrale Bedeutung haben. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung erklärt die beiden Ausdrücke, weil sie für das Verständnis von partnerschaftlicher Zusammenarbeit entscheidend sind.

Der englische Begriff Ownership bedeutet wörtlich übersetzt „Eigentümerschaft“. Es geht dabei weniger um Besitz im eigentlichen materiellen Sinn, sondern um Identifikation mit dem gemeinsamen Projekt und Unternehmen. Es geht um Eigenverantwortung in einer fruchtbaren Zusammenarbeit. Sich so zuständig fühlen für das Ganze, weil es eben mir „gehört“!

Buendnisbrief 2019-08-18

Empowerment bedeutet Ermächtigen, Befähigen. Der Begriff stammt ursprünglich aus dem Bereich der Sozialpädagogik. Es geht um alles, was Menschen ermöglicht und befähigt, auch wirklich Selbstverantwortung wahrzunehmen. „Selbstständigkeit durch Selbsttätigkeit“ hat Pater Kentenich das genannt und zu einem Prinzip im Aufbau der Schönstatt-Bewegung gemacht.

Nachdem 1919 das Treffen in Hörde bereits geplant war, hat Pater Kentenich seine Teilnahme kurzfristig abgesagt. Zuerst wollten die Teilnehmer das Treffen gleich absagen. Schließlich entschlossen Sie sich aber, in Eigenverantwortung Grundlagen für die Konstituierung des „Apostolischen Bundes von Schönstatt“ zu erarbeiten. Dieser Schritt zur Eigenverantwortung und Selbstständigkeit ist heute gewissermaßen der Kern des Hörde-Jubiläums.

Das Ziel von Neugründung ist kein neuer Zustand, sondern dass möglichst alle an der Neuwerdung beteiligt sind und sein wollen.

Innovative Ideen sind wichtig. Wichtiger ist es, möglichst vielen das Mitmachen und Mitgestalten zu ermöglichen. Bei unserer Gründernacht im letzten Jahr war das auch die besondere Ausdeutung des Wortes vom „Neuanfang im Heiligen Geist“. Die Beschreibung des Pfingstgeschehens in der Apostelgeschichte zeigt ja der gemeinsamen Pfingsterfahrung die persönliche Wurzel. „Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder“ (Apg 2,3). Jeder empfängt eine der Feuerzungen.

Hinter der Entwicklung und Entfaltung Schönstatts steht dieses Konzept als ausdrückliche Philosophie. Schon bei dem Vortrag 1912, den wir heute Vorgründungsurkunde nennen, formuliert es Pater Kentenich programmatisch: „die Hauptsache fehlt noch: eine unseren Verhältnissen entsprechende innere Organisation … Wir wollen diese Organisation schaffen. Wir – nicht ich. Denn ich werde in dieser Beziehung nichts, rein gar nichts tun ohne eure volle Zustimmung. Hier handelt es sich ja nicht um eine augenblickliche Arbeit, sondern um eine Einrichtung, die für alle künftigen Generationen brauchbar ist. Eure Nachfolger sollen also zehren von euerem Eifer …“

Und im Rückblick auf sein Wirken bestätigt er diese Grundeinstellung bei seinem silbernen Priesterjubiläum: „Das ist meine Überzeugung: Das ganze Werk, das geworden ist, ist in gleicher Weise Ihr Werk, so wie es mein Werk ist. (…) Und die gegenseitige Treue wird umso tiefer, umso kraftvoller, je klarer wir sehen, wie der liebe Gott Menschenschicksale in eigenartiger Weise miteinander verknüpft hat. (…) Wenn ich einmal versuche, Ihren Anteil an diesem Werk kurz zu umreißen, dann muss ich Ihnen zunächst gestehen: Sie selber haben einen ungemein starken Einfluss gehabt auf meine eigene persönliche Entwicklung. (…) Es mag ein nüchterner Geschichtsschreiber später einmal kritisch forschend nachweisen, dass die letzten Großziele und das bewusste Festhalten an diesen Zielen primär meine Aufgabe in diesen 25 Jahren hindurch gewesen ist. Aber die einzelnen Teilziele, die verwirklicht werden sollten, das Festhalten, das Herausstellen dieser Teilziele und das erleuchtete Ringen um die Verwirklichung, das, meine liebe Schönstattfamilie, ist schlankweg undenkbar ohne Sie.“ (1935, Pater Kentenich anlässlich seines silbernen Priesterjubiläums)

Auch die ganze Kirche sieht sich vor der Herausforderung, neue Formen und ein neues Verständnis für ein grundlegendes Miteinander und eine echte Zusammenarbeit zu entwickeln. Papst Franziskus sieht die Synodalität, das verantwortliche Zusammenwirken als wesentliches Gestaltungsprinzip für die Kirche und ihren Weg in die Zukunft. „Es handelt sich im Kern um einen … gemeinsamen Weg unter der Führung des Heiligen Geistes. … Denn die Synodalität setzt die Einwirkung des Heiligen Geistes voraus und bedarf ihrer.“ (Brief von Papst Franziskus „An das pilgernde Volk Gottes in Deutschland“ 2019, Nr. 3). Das verlangt „eine Haltung der Wachsamkeit und der Bekehrung … Auch die Synodalität … muss immer von der Gnade der Umkehr begleitet sein“ (Nr. 12).

Der Wachstumsanspruch an sich selbst und hochherzige Selbsterziehung gehörten von Anfang an zur Schönstatt-Bewegung. Neugründung und Neunanfang schließen immer auch uns selbst ein.

„Mach dein Bett“

das ist ein Ratschlag und Buchtitel von William H. McRaven, einem ehemaligen Admiral der Navy SEALs, der Eliteeinheit der US-Marine. „Es mag als klein und unbedeutend erscheinen“, schreibt er. „Ja, es ist eine einfache Aufgabe, aber irgendeine Aufgabe zu vollbringen als erste Sache am Morgen, ist die beste und produktivste Art, einen Tag zu beginnen.“ Die persönliche Seite von neuen Anfängen ist wahrscheinlich meistens unspektakulär, und doch geht es nicht ohne sie. Und auch diese Seite des persönlichen Strebens spielte eine Rolle damals in Hörde und für den neuen Anfang, den die Teilnehmer in Hörde setzen wollten.

Fritz Esser, ein Student aus der Gründergeneration Schönstatts, wollte aus einer persönlichen Erfahrung und Dankbarkeit gegenüber der Gottesmutter ein Geschenk für sie im Urheiligtum anbringen und machte den ersten beleuchteten Bilderrahmen für das Marienbild. Hergestellt 1919 zum fünfjährigen Bestehen der marianischen Kongregation im Studienheim in Schönstatt ist der Rahmen nun die Erinnerung an dieses Jahr, in dem auch das Hörde-Treffen stattgefunden hat, und auf dem Rahmen das Jahr 1919 bleibend im Urheiligtum sichtbar.

Ownership“ und „Empowerment“ sind ein Anspruch an alle: an jeden, der Führungsverantwortung hat, und an jeden, der durch seinen Beitrag mitgestalten oder auch blockieren kann.

Und für alle gleichermaßen ist das Fundament die Haltung der Gottesmutter: „Mir geschehe nach deinem Wort“.

Mit herzlichen Grüßen zum Hörde-Jubiläum

Ihr

P. Ludwig Güthlein
Schönstatt-Bewegung Deutschland


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