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12. August 2019 | Hoerde | 

Hörde 2019 - Quellen zum Fließen bringen


Quelle (Foto: Erich Westendarp, Pixabay.com)

Quelle (Foto: Erich Westendarp, Pixabay.com)

Elmar Busse. Wilhelm Wilms schrieb 1974 den Text für das Musical „Ave Eva“. Die Texte wurden von Ludger Edelkötter vertont. Der Text eines Liedes aus dem Musical lautet so:
„Geh, geh, geh zum Fels und sage: Quell, quell, quell, denn wir haben Durst.
Geh, geh, geh zur Nacht und sage: Hell, hell, hell, denn wir sind verirrt.
Geh, geh, geh zum Stein und sage: Brot, Brot, Brot, denn wir sind in Not.
Geh, geh, geh zu IHM und sage: Mensch, Mensch, Mensch, wir sind so allein.“

Ströme von lebendigem Wasser

Die erste Strophe spielt an auf die Begebenheit beim Durchzug Israels durch die Wüste. Das Volk ist am Verdursten und murrt gegen Gott. Mose geht mit dem Aaronstab an den Felsen, schlägt daran, und eine Wasserquelle fängt an zu fließen (Num 20,2-11). Lokalisiert wird dieses Ereignis in der Wüste Zin bei Kadesch.

Kadesch ist auch heute noch eine Oase im Nordosten der Negev-Halbinsel. „Wüste“ müssten wir wohl eher als „Steppe“ verstehen. Die am Fuße der Berge liegenden Karstquellen können durch Flugsand zum Versiegen gebracht werden. Mose, der sich mit der Landschaft auskannte, könnte eine solche Karstquelle vermutet haben. Nachdem er den Sand weggestoßen hatte, konnte die Karstquelle wieder sprudeln. Für Menschen, die von der Angst vor dem Verdursten gequält waren, war frisches Wasser die Rettung.

Oase in der Wüste (Foto: alasta_webdesign Pixabay.com)

Oase in der Wüste (Foto: alasta_webdesign Pixabay.com)

Vertraut ist vielen von uns die Vision des Ezechiels von der Quelle, die vom Tempel ausgeht und die Gottesstadt durchströmt. (Ez 47)

Wir kennen die Verheißung Jesu: Am letzten Tag des Festes, dem großen Tag, stellte sich Jesus hin und rief: Wer Durst hat, komme zu mir, und es trinke, wer an mich glaubt. Wie die Schrift sagt: Aus seinem Inneren werden Ströme von lebendigem Wasser fließen. Damit meinte er den Geist, den alle empfangen sollten, die an ihn glauben. (Joh 7,37-39)

„Lebensquelle“

Die Quelle ist ein Ursymbol. Wir kennen auch das Wort „Lebensquelle“. Pater Kentenich meditiert in vielen Variationen dieses Ursymbol. Gegenüber den Nivellierungstendenzen des Visitators (es ging um den Entwurf eines neuen Generalstatutes für die Schönstatt-Bewegung, den dieser in der Karwoche 1952 vorstellte) und der Pallottiner-Mitbrüder, die nach der Visitation durch das Heilige Offizium und der Absetzung sowie Verbannung des Gründers, aus Schönstatt einen frommen Verein mit einem bestimmten Marienbild, frommen Übungen wie dem Rosenkranz und der Marienweihe machen wollten, betont Pater Kentenich zu seiner Verteidigung die Originalität des Wallfahrtsortes Schönstatt, seine Psychologie und Pädagogik sowie den starken Akzent auf der Freiheit des Einzelnen.

Kentenich: „Seelische Kleinarbeit, das ist unser Ruhm, unsere Größe!“

Ein glühendes, leidenschaftliches Plädoyer ist der so genannte „Josefsbrief“ von 1952, den Pater Kentenich an Joseph Schmitz, den Leiter der Schönstätter Priestergemeinschaft schrieb, und der unter dem Titel „Lebensgeheimnis Schönstatts“ Band I „Geist und Form“ von Joseph Schmitz herausgegeben und veröffentlicht wurde. In diesem Brief schreibt Pater Kentenich: „Die Lebensfragen der ganzen Bewegung sind durch die Visitation so stark in Frage gestellt, dass man schlechthin von Existenz- und Schicksalsfragen sprechen kann … Alles aber, was Schönstatt heißt, soll beiseite geschoben, soll nach Möglichkeit unterdrückt und begraben werden. Deswegen herrscht tiefes Schweigen über die Eigengesetzlichkeit und Eigenwertigkeit Schönstatts; deswegen wird alles versucht, die in unserem Mariengeheimnis aufbrechenden göttlichen Kräfte zu übersehen und durch taktische Manöver in Vergessenheit zu bringen.“ [1]

In diesem Brief an Joseph Schmitz zitiert Pater Kentenich seinen eigenen Brief vom 6. November 1919 an die Gruppenführer des „Apostolischen Bundes“: „Durch die Annahme der Hörder Satzungen haben wir von vornherein auf eine Massenbewegung verzichtet… Massenbewegungen gibt es gegenwärtig ja in Hülle und Fülle; sie sind in unserer demokratischen Zeit notwendig, schon um die öffentliche Meinung wirksam beeinflussen zu können; sie werden aber gar zu bald versanden, wenn nicht eine zielbewusste Kleinarbeit stetig für ihre religiös-sittliche Durchdringung sorgt. Hier wollen und müssen wir einsetzen, wenn wir Anspruch auf Existenzberechtigung erheben [„machen“ im Original] und an der Lösung der Zeitaufgaben in erleuchteter Weise mitwirken wollen. Seelische Kleinarbeit, das ist unser Ruhm, unsere Größe! ... Und mitten in diesem Chaos stellen wir ein Programm auf, das einer feierlichen Schilderhebung des inneren Lebens gleichkommt. Es gibt meines Wissens keine Laienorganisation, die so unmittelbar, so ausgesprochen und – ich möchte sagen – so unbarmherzig den Zeitgeist bis in die letzten Schlupfwinkel verfolgt.“ [2]

Ströme von lebendigem Wasser (Foto: Leandro Stefani, Pixabay.com)

Ströme von lebendigem Wasser (Foto: Leandro Stefani, Pixabay.com)

Bindung ja, aber auch soweit als nötig

Weiter führt Pater Kentenich aus: „Schönstatt entstand an einer revolutionären Zeitenwende; es ist in ein Land hineingeboren, das mit einem vielverzweigten Organisationsnetz wie kaum ein anderes überzogen war. Zwei Richtungen kämpften damals in ernsthaftem Ringen miteinander; eine konservative und eine fortschrittliche. Die konservative war so stark festgefahren und in Formen versteift, dass sie sich den Vorwurf eines extremen Formalismus gefallen lassen musste. Ihm gegenüber betonte Schönstatt von Anfang an eine sinngemäße Auflockerung und Beseelung der Formen … Darum verlangen wir Bindung nur aber auch soweit als nötig.“ [3]

Es lohnt sich, gerade jetzt im Rückblick auf den 100. Jahrestag der Gründung des „apostolischen Bundes“ dieses Dokument zu studieren.

Hauskirche – ein Weg zu einer neuen Vitalität und Dynamik

Wir erleben in der Kirche in Deutschland umfangreiche und tiefgreifende Strukturreformen. Die Zusammenlegung der Pfarreien zu großen pastoralen Räumen oder „Pfarreien neuen Typus“ sind einerseits dem zahlenmäßigen Rückgang der Gottesdienstbesucher andererseits dem Rückgang der Priesterberufe geschuldet. Ich habe vor Jahren einen Profanierungsgottesdienst miterlebt. Da kann man im Vorfeld noch so oft diskutiert, Erhaltungskonzepte oder Nachnutzungskonzepte besprochen haben. Wenn es dann so weit ist, tut es einfach nur weh. Eine interessante Beobachtung in dieser Situation: Die Gläubigen, die auch zu Hause ein reiches spirituelles Leben führen und beten, taten sich leichter mit der Schließung ihrer Pfarrkirche als diejenigen, die nur dann fromm waren, wenn sie in diese Kirche gingen: Zu Weihnachten, zu Trauungen, Taufen oder Requien.

Der Mangel muss pragmatisch verwaltet werden, auch wenn damit schmerzhafte Einschnitte verbunden sind. Da gibt es keine Alternative. Aber das allein wird nicht zu einer neuen Vitalität und Dynamik führen. Da braucht es die Beheimatung der religiösen Grundvollzüge wie Lob, Anbetung, Dank, Bitte, Vergebung, Umschmelzen von Sorgen in Vertrauen in den Wohnungen. Das Judentum hat es uns vorgemacht: Da werden die wichtigsten Feste nicht in der Synagoge gefeiert sondern zu Hause. Und die Eltern werden auf ganz natürliche Weise zu Katecheten, Mystagogen und Liturgen. Seit dem babylonischen Exil ist diese Weitergabe des Glaubens an die nächste Generation ein erfolgreiches Veranstaltungsformat und Stilmittel.

Weiterwachsen (Foto: Johannes Plenio, Pixabay.com)

Immer Weiterwachsen (Foto: Johannes Plenio, Pixabay.com)

Apostolischer Bund: sich nicht in Sattheit und Gewohnheit häuslich einrichten sondern weiterwachsen wollen

Die Gründung des „Apostolischen Bundes“ in Dortmund-Hörde hat eine Gemeinschaftsform ins Leben gerufen, in der der Einzelne oder das Ehepaar seine jeweilige „Ordensregel“ selber gestaltet und je nach Lebensumständen flexibel verändern kann. Bei aller Unterschiedlichkeit verbindet das Liebesbündnis mit der Gottesmutter und die „Beiträge zum Gnadekapital“ (kleine oder große Liebeserweise, die ich der Gottesmutter schenke, damit sie wirkt) die Gläubigen, die sich nicht in Sattheit und Gewohnheit häuslich einrichten wollen, sondern ein Leben lang weiterwachsen wollen.

Mag auch heute so manche spirituelle Karstquelle durch herangewehten Wüstensand verstopft sein – Pater Kentenich hat uns einen Aaronstab in die Hand gegeben, damit wir die Kruste des Wüstensandes der seelenlosen Gewohnheit und Oberflächlichkeit durchstoßen und neu die Quelle spirituellen Lebens zum Fließen bringen können. Das dürfen wir feiern.

Mehr Informationen zu Hörde 2019


  • [1] Joseph Kentenich, das Lebensgeheimnis Schönstatts. Band 1 Geist und Form, Vallendar-Schönstatt 1971, S.11.
  • [2] A.a.O. S.52f
  • [3] A.a.O. S.73.

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