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15. Juli 2019 | Zwischenruf | 

Synodaler Reformprozess: Umkehren und einen geistlichen Weg gehen


Zwischenruf . Bischof Reinhold Nann, Peru (Foto: Foto Moriah.de)

Zwischenruf . Bischof Reinhold Nann, Peru (Foto: Foto Moriah.de)

Papst Franziskus hat sich am Samstag, 29. Juni 2019, mit einem Brief an das „pilgernde Volk Gottes in Deutschland“ gewandt und unter anderem auch das Anliegen des Synodalen Weges aufgegriffen. Der Brief an die deutschen Katholiken ermuntert zu Reformen, macht jedoch auch deutlich, dass es sich bei diesen nicht um eine Anpassung an den Zeitgeist oder gar nur um rein strukturelle Fragen handeln dürfe. Reinhold Nann, Bischof der Territorialprälatur Caravelí im Süden Perus, ehemaliger Priester in der Erzdiözese Freiburg und Mitglied im Schönstattinstitut Diözesanpriester, stellt in seinem Kommentar zum Brief von Papst Franziskus fest, dass der Heilige Vater den synodalen Reformprozess vor allem als eine Herausforderung sehe, einen geistlichen Weg zu gehen und nicht nur Strukturreformen durchzuführen. schoenstatt.de veröffentlicht nachfolgend den Kommentar von Bischof Nann.

Zum Brief von Papst Franziskus an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland

Ein Kommentar von Bischof Reinhold Nann, Caravelí, Peru

Der Brief des Papstes kam für alle überraschend. Er ist als sein Beitrag zum „synodalen Weg“ in Deutschland zu sehen. Der Papst mischt sich ein, nicht bestimmend, nicht zurechtweisend, sondern ermutigend. Dabei gibt er keine Lösungen vor, zeigt aber Gefahren am Weg auf und macht so eine Weichenstellung, in welche Richtung wir auf dem Weg schauen sollten. Den Weg gehen und die richtigen Schritte tun, das muss die deutsche Kirche dann schon selbst tun.

Nicht der erste Papstbrief an ein bestimmtes Land

Im letzten Jahr gab es zwei Briefe von Franziskus. Der erste am 31.5.18 an das Volk Gottes in Chile und der zweite am 20.8.18 an das Volk Gottes ganz allgemein. In beiden Briefen geht es um die Missbrauchsproblematik in der Kirche, im zweiten Brief wird zwar die USA nicht direkt angesprochen, aber der Auslöser war doch klar die Missbrauchsstudie von Pennsylvania. Im Brief an die deutsche Kirche wird zwar der Missbrauch nicht angesprochen, es ist aber doch klar, dass er der direkte Auslöser der Krise ist, auf die der synodale Weg antworten möchte.

Synodalität als Grundprinzip

Der Papst freut sich über den synodalen Weg. Er warnt nicht vor dem Weg an sich, sondern vor gewissen Gefahren, die sich dabei ergeben könnten. Er praktiziert Synodalität bei seinen jährlichen Bischofssynoden im Oktober in Rom. Er entscheidet nicht alles selbst mit dem Heiligen Geist, sondern ist überzeugt, dass der Heilige Geist im gesamten Volk Gottes wirkt. Der Synodale Weg in Deutschland darf daher nicht nur eine Bischofssynode sein. Der Weg muss in den Pfarreien und Diözesen beginnen, bevor die Bischöfe mit einigen Experten darüber beraten. Es ist wichtig, auf das Volk Gottes zu hören, nicht nur auf Statistiken und Wissenschaftler. Der Synodale Weg sollte also in den Pfarreien und Verbänden beginnen.

Strukturreformen greifen zu kurz

Wir Deutschen werden zwar gelobt als gute Organisatoren, aber es wird auch klar festgestellt, dass rein technische Strukturreformen (wie sie zurzeit ja in vielen Diözesen zähneknirschend durchgeführt werden) nur kurzzeitige Erleichterung bringen, ohne das Problem lösen zu können. Und die Lösung liegt auch nicht in radikalen kirchlichen Reformen bei den „Reizthemen“ Zölibat, Frauenpriestertum und Sexualmoral. Das darf auf keinen Fall ausgeklammert werden, aber man darf sich davon nicht allzu viel für die langfristige Lösung der Krise in einer „Zeitenwende“ versprechen.

Der synodale Weg geht nicht nach vorwärts oder rückwärts, sondern nach oben und unten

Noch immer ist die deutsche Kirche in das konservative und progressive Lager gespalten, auch wenn das letztere klar im Aufwind ist. Der Papst stellt klar, dass ein Weg zurück nach einem Modell der Kirche von früheren Zeiten nicht geht. Aber eben so wenig nützt es, einfach alles über den Haufen werfen zu wollen, was in der gegenwärtigen Gesellschaft nicht verstanden wird, das wäre „Verweltlichung“, Einebnung des kritisch prophetischen Potentials des Evangeliums. Der Papst insistiert in einem dritten Weg, dem geistlichen Weg. Wir müssen uns zwar die konkrete Realität ganz genau anschauen, aber dann alles von „oben“ vom Geist Gottes her erwarten. Wir können die Lösung nicht einfach „machen“, sie wird nicht in Kampfabstimmungen erreicht, sondern im Hinhören auf Gott. Die entscheidende Frage dieses geistlichen Prozesses wird sein: „Was will uns der Geist Gottes in dieser Situation sagen?“. Glauben wir überhaupt noch daran, dass Gott auch heute spricht, in den Ereignissen, in den Nöten der Menschen? Haben wir die Methoden, geistlich hinzuschauen und hinzuhören oder sind unsere Methoden gänzlich intellektuell-wissenschaftlich geprägt? Auch da könnte eine blinde Stelle im deutschen Katholizismus liegen. Nach unten schauen, auf die Realität der Notleidenden, und dort die Stimme Gottes hören, die von oben kommt.

Geistliche Unterscheidung und Pastorale Bekehrung

Der Papst stellt nicht die Machtfrage: Ich habe recht, weil ich der Papst bin. Nein er ermutigt uns Deutsche, selbst tätig zu werden im Sinne eines geistlichen Unterscheidungsprozesses. Das sollte auf der untersten Ebene bei den Pfarreien beginnen, sich in den Diözesen fortsetzen und schließlich auf nationaler Ebene gebündelt werden.

Der Reformprozess des synodalen Weges muss bei einer „pastoralen Bekehrung“ ansetzen. Dieses Wort ist ein Schlüsselwort in dem Lehrschreiben Evangelii Gaudium, auf das sich der Papst immer wieder bezieht. „Conversión Pastoral“ wurde in der deutschen Ausgabe mit „Neuausrichtung der Seelsorge“ übersetzt, was die eigentliche Bedeutung geradezu sträflich verwässert. Bekehrung ist viel grundsätzlicher als Neuausrichtung. Sie ist das Eingeständnis, dass wir bisher etwas ganz falsch gemacht haben. Es geht darum nicht mehr den Selbsterhalt der kirchlichen Organisation als oberste Maxime zu setzen, sondern die Nöte und Sorgen dieser Welt zu sehen, und vom Evangelium her versuchen, darauf eine Antwort zu geben. Die deutsche und die universelle Kirche müssen eine missionarische Kirche werden, die die Umwelt und die Armen ihrer Gesellschaft besonders im Blick hat.

Auf diesem Weg gilt es auch Spannungen aushalten zu lernen. Gerade in diesen Spannungen ruft uns der Heilige Geist, nicht vorschnelle Lösungen zu suchen, sondern auf das Evangelium zu hören.

Lasst uns den Synodalen Weg im Gebet um den Heiligen Geist beginnen.

Caravelí, 29. Juni 2019

Reinhold Nann
Bischof von Caravelí

 

Der Autor hat 9 Jahre als Priester in der Erzdiözese Freiburg und 23 Jahre als Missionar in Peru gearbeitet. Er ist Mitglied im Schönstattinstitut Diözesanpriester

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