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18. Juni 2019 | Worte des Bewegungsleiters | 

Charisma und Theologie im Dialog – Orientierungen für die akademische Welt


Jahresmotiv 2019 der Schönstatt-Bewegung in Deutschland (Grafik: POS Brehm)

Jahresmotiv 2019 der Schönstatt-Bewegung in Deutschland (Grafik: POS Brehm)

Liebe Mitglieder und Freunde unserer Schönstatt–Bewegung,
liebe Leserinnen und Leser von www.schoenstatt.de,

Apostelzeit – „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen!“ (Apg 1,8) steht als Motto über diesem Jahr. Das Wort Apostelzeit ist eine Deutung über die Zeitsituation, in der wir uns befinden. Viele andere Worte stehen oft im Vordergrund, wenn die aktuelle Situation der Kirche beschrieben wird: Zeit des Rückgangs, Zeit der Glaubwürdigkeitskrise, Umstrukturierungszeit, Überalterungszeit, Zeit von Polarisierung in der Kirche. Es geschieht nicht so oft, dass die jetzige Zeit der Kirche mit einem zuversichtlichen, optimistischen Titel beschrieben wird.

Das Wort „Apostelzeit“ beinhaltet auch das Bewusstsein von Herausforderung. Und doch hat es Zukunftswille und Zukunftsgestaltung in sich. Die Zeit der Apostel war die Anfangszeit, die Zeit österlicher Glaubensfreude, es war die Zeit des Aufbruchs über den kleinen Anfangskreis hinaus. Diese Zeit wird in der Heiligen Schrift in der „Apostelgeschichte“ beschrieben. In anderen Sprachen wird dieses Buch des Neuen Testamentes genauer am griechischen Titel übersetzt mit „Die Taten der Apostel“. Es geht um das Tun, um apostolische Aktivität, um Zeugnis für Jesus Christus, das ganz konkret wird und von der neuen Wirklichkeit der Auferstehung ergriffen ist. Apostelgeist scheut nicht den Widerstand und hat die Überzeugung in sich, dass die „Frohe Botschaft“ ankommt. Apostelzeit hat eine eigenartige Unbekümmertheit in sich im Blick auf das, was einmal war und jetzt hinter uns liegt. Alle Kraft richtet sich auf das Neue, das entstehen soll.

Buendnisbrief 2019-06-18

Unter dem Stichwort „Apostelzeit“ schauen wir jeden Monat auf konkrete apostolische Erfahrungen oder ein konkretes Projekt.

In diesem Monat hat die Betrachtung eine besondere Blickrichtung:

Charisma und Theologie im Dialog – Orientierungen für die akademische Welt

Ob wir bei dem Stichwort apostolische Projekte auch an eine wissenschaftliche Erarbeitung unserer schönstättischen Spiritualität denken? Stille Stunden des Bücherlesens und des Tippens am Computer, Nachdenken und Diskussionen, Forschen und Zuhören, Widerspruch und Kritik annehmen: Wer wissenschaftlich arbeitet, kennt die viele Zeit, die man dafür investieren muss, und oft ist davon hinterher gar nicht viel zu sehen: Bachelor-, Magister- und Doktorarbeiten sind am Ende ein Bündel von bedrucktem Papier. „Echte Wissenschaft ist immer auch saure Arbeit“, soll Pater Kentenich einmal zu einem gesagt haben, der in so einer Aufgabe steckte. Und einer Schwester, die ihm ihre Doktorarbeit zum Lesen gegeben hat, wurde zwar von ihm gelobt, bekam aber doch die Aufforderung, sie solle noch mal dran arbeiten, „es sei nicht genug Herzblut darin“. Bei wissenschaftlichem Arbeiten hängt viel an dem Anspruch, den man an sich selbst stellt. Unter den Heiligen gibt es die Märtyrer, die Bekenner und andere Berufungen und Wege der Nachfolge. Auch Lehrer des Glaubens haben eine eigene Beachtung. Zeit und Kraft, die geistigen Begabungen für Gott und die Menschen einzusetzen, ist ein eigener Heiligkeitsweg.

Es ist wirklich erstaunlich, wie viele Doktorarbeiten und wissenschaftliche Abschlussarbeiten von Studenten der Theologie, Philosophie, Pädagogik und Psychologie sich inzwischen mit Schönstatt-Themen beschäftigt haben. Eine Ballett-Tänzerin hat als Abschlussarbeit das Freiheitsideal Pater Kentenichs zum Thema ihrer Choreografie gemacht. In viele Felder hinein können die Impulse Pater Kentenichs kreative Kraft entfalten. Kreativität ist dabei immer mehr, als bloße Wiederholung. Und das originell Neue kann Staunen und Anerkennung und auch Rückfragen und Kritik auslösen.

Wenn der geistliche Kern einer neuen Gründung in der Kirche durch ein vielfältiges wissenschaftliches Interesse immer wieder neu erarbeitet und aktualisiert wird, erst dann kann es seine volle verändernde Kraft für Kirche und Gesellschaft entfalten. Der heilige Ignatius von Loyola hat in seinem persönlichen inneren Weg gelernt, die Anregungen der eigenen Seele zu verstehen und darin Anregungen des Heiligen Geistes von den eher widergöttlichen zu unterscheiden. Heute sind seine Regeln und Gesichtspunkte unter der Überschrift „Unterscheidung der Geister“ zu einem selbstverständlichen geistlichen Besitz und Werkzeug der christlichen Spiritualität geworden. Zusammen mit dem Projekt der Exerzitien haben die Jesuiten damit das Leben der Kirche von innen her geprägt und verändert.

Die Reihenfolge bleibt wichtig: Zuerst das Leben und dann dazu die Reflexion

In der theologischen Tradition wurde eine interessante Reihenfolge formuliert: Das Beten steht an erster Stelle. In dem, wie Glaube sich wirklich im Leben ausdrückt, darin erkennt man die Inhalte des Glaubens. Und diese Inhalte des Glaubens werden zum gemeinsamen Glaubensbekenntnis. Und das gewachsene Glaubensbewusstsein und Glaubensbekenntnis ist das, was Theologie klarer erfassen, bestärken, reinigen, unterstützen und verteidigen soll.

„Mit dem Beten anfangen“, damit ist nicht nur ein frommer Ratschlag der Kirchenväter gemeint, wenn es um neue Herausforderungen der Kirche geht. Es weist vor allem darauf hin, dass die Wurzel für alle Fragen und neuen Lösungen ein wirklich gemeinsam gelebter Glaube sein muss und keine Besserwisserei, und auch wenn die Worte solcher theologischen Diskussionen noch so aktuell und geistreich klingen. Ohne dieses wirkliche Rechnen mit der Gegenwart und der Wirksamkeit Gottes, so wie es sich im Beten ausdrückt, verliert die Botschaft und alle Erneuerung der Kirche ihre innere Wahrheit. Professor Karl Rahner wurde einmal nach einem wohl nicht ganz so leichten Vortrag gefragt: „Herr Professor, glauben Sie eigentlich?“ Und nach kurzem Innehalten antwortete er: „Ja, ich glaube, weil ich bete.“

Unsere Verlage, unsere theologische Zeitschrift „Regnum“, das JKI (Josef-Kentenich-Institut), verschiedene Arbeitskreise und Kongresse wissen sich dem „Apostolat Wissenschaft“ verpflichtet. Aktuell gibt es wieder Bemühungen für einen pädagogischen Kongress. So ein Projekt anzufangen braucht einen besonderen Mut. Neben den inhaltlichen Herausforderungen geht man dabei immer auch ein finanzielles Risiko ein. Es lebt davon, dass man über den eigenen Kreis hinaus Dialogpartner und Referenten gewinnt, und gleichzeitig sind die Teilnehmer und Unterstützer oft ein eher kleiner Kreis.

Pater Kentenich war es ein großes Anliegen, dass wir diese Anstrengung ernst genug nehmen für die Zukunft Schönstatts. Ich möchte an das Ende dieses Leitartikels den Abschluss des Artikels von Professor Söder aus der Festschrift zum 50. Todestag unseres Gründers stellen. Über die Formulierung musste ich lachen. Der Inhalt muss uns allen jedoch ein wichtiges Anliegen bleiben.

„Wenn die in der Schönstatt-Bewegung geballte praktische Kompetenz auf pädagogischem und religiösem Gebiet nicht den Anschluss hält an die Fachdiskurse, tritt das ein, wovor der Gründer schon 1945 warnt: Selbstverzwergung durch geistige Isolation.“

Und dazu das Zitat von Pater Kentenich, auf das sich Professor Söder bezieht: „Wir dürfen nicht irgendeine Winkelgemeinschaft sein, die bloß im Hintergrund ein kümmerliches Dasein fristet. Wir müssen der Zeit zeigen können, dass alle geistigen Strömungen bei uns wie in einem Strombett zu Hause sind“ (Vortrag vom 15. Oktober 1945).

Viel Freude und Segen für alle Sommerprojekte, die vor uns stehen.

Ihr

P. Ludwig Güthlein
Schönstatt-Bewegung Deutschland


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