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Im Weinberg des Herrn - Kirche als Hauptberuf
Jahresmotiv 2019 der Schönstatt-Bewegung in Deutschland (Grafik: POS Brehm)
Liebe Mitglieder und Freunde unserer Schönstatt–Bewegung,
liebe Leserinnen und Leser von www.schoenstatt.de,
Es passiert nicht so oft, dass in der feierlichen Gottesdienst-Atmosphäre in der Anbetungskirche nach einer Sonntagspredigt spontan applaudiert wird. Ein bisschen besonders war der Gottesdienst schon. Ein Dankgottesdienst für und mit Pater Theo Breitinger und Pater Werner Kuller, die vor 40 Jahren zu Priestern geweiht wurden.
Der Grund für den Applaus ging aber tiefer. Pater Heinrich Walter, der für die internationale Koordinationsstelle der Schönstatt-Bewegung in Rom tätig ist, hat in seiner Predigt das Priesterweihejubiläum in innerer Verbindung betrachtet mit den aktuellen Anfragen an Kirche und Priestertum.
Ich glaube, vielen ging es wie mir. Schon nach wenigen Sätzen hörte man konzentriert zu. Immer mehr merkte man, dass da die Erschütterungen der letzten Wochen und Monate im Blick auf die Rolle von Priestern und Bischöfen im Zusammenhang von Missbrauch und Vertuschung nicht nur benannt und wiederholt wurden. Die Texte der Schriftlesungen des Gottesdienstes wurden vielmehr zu einem Perspektivwechsel mit geistlicher Kraft.
Berufung lebt von der Verheißung des Anfangs
Die Beschäftigung mit der Frage der Lebensberufung braucht etwas von jugendlicher Unbekümmertheit. Die Nacht unter dem Sternenhimmel wurde für Abraham zur Nacht der Verheißung. Eine Sternennacht in der Wüste – eine Nacht, wo keine künstliche Helligkeit von Städten den Blick auf das Leuchten der Sterne „vernebelt“ – kann auch für uns heute einen tiefen Eindruck hinterlassen. In dieser Nacht der Verheißung schließt Gott mit Abraham seinen Bund
„... weil Abraham geglaubt hat“. Auf die ein oder andere Weise liegt über dem Anfang jeder Berufung so ein Leuchten. Man sieht es bei jungen Menschen, die sich für einen geistlichen Weg entschieden haben. Man sieht es in den Gesichtern bei jeder Hochzeit.
Mit den Jahren wird aus jeder Berufung ein Berufsalltag. Man lernt viel dazu; über sich und über das Leben. Und man beschäftigt sich mit den Fragen: „Was habe ich alles zu tun?“ und „Wie mache ich das gut und richtig?“
Priester und alle Mitarbeiter in der Pastoral sehen sich immer mehr als eingebaut und eingeplant in eine Organisation. Und allmählich definiert man sich von außen: Rolle, Werke, Macht, Position, Zuständigkeit, Einfluss, Projekte, Zahlen, Methoden, Strukturen. Und ganz ohne Zweifel sind alle derartigen Bemühungen auch wichtig. Wenn aber Erschütterungen und Krisen kommen, wird die Blickrichtung entscheidend. Blicken wir dann in die Richtung, vor allem die Bemühungen zu verstärken oder blicken wir in Richtung des Leuchtens, das am Anfang stand. Papst Benedikt sagt dazu einmal zu Priestern: „Unser ganzes Bemühen trägt nur dann Frucht, wenn es Ausdruck dessen ist, was wir sind. Wenn in unserem Tun unser tiefes Einssein mit Christus durchscheint: Werkzeug Christi sein; Mund, durch den Christus spricht; Hand, durch die Christus handelt. Das Sein überzeugt, und das Tun überzeugt nur, soweit es wirklich Frucht und Ausdruck des Seins ist.“
Eines der erfolgreichsten Bücher im Bereich der Management-Ratgeber („Die 7 Wege zur Effektivität: Prinzipien für persönlichen und beruflichen Erfolg”) kommt ganz ohne geistliche Zitate auch zu dieser Sichtweise. Stephen R. Covey unterscheidet reaktive und proaktive Herangehensweisen: von außen bestimmt reagieren oder von innen heraus handeln können. „Reaktive Menschen werden von Gefühlen, den Umständen oder ihrer Umgebung getrieben; wenn das Wetter gut ist, fühlen sie sich gut. Wenn es schlecht ist, beeinflusst das ihre Haltung und ihr Befinden. Pro-aktive Menschen tragen ihr eigenes Wetter in sich.“ Was für ein Wort! Das eigene Wetter in sich tragen.
Diesen Unterschied „von außen oder von innen gesteuert“ vergleicht er auch mit der Situation, als ob man mit dem falschen Stadtplan unterwegs wäre. Wenn man mit einem Stadtplan von Dortmund in der Hand eine bestimmte Stelle in Frankfurt finden möchte, nützt es nichts, sich immer mehr zu bemühen.
Ist die gegenwärtige Situation, die gegenwärtige Herausforderung, in der sich die Kirche befindet, nicht zuerst eine Frage danach, mit welchem Stadtplan im Kopf wir den Weg in die Zukunft suchen?
Idealpädagogik: das Feuer der Berufung und des Charismas wieder zum Leuchten bringen
Pater Kentenich hat das „Von-innen-Ausgehen“ zu seinem pädagogischen Weg gemacht. Er sagt es sogar programmatisch: „Leben wächst von innen nach außen“. Gerade in Umbrüchen und Krisen ist es entscheidend, das Leuchten seines Lebensideals in sich zu tragen. Das eigene Wetter in sich haben, hieß es oben. Die Realitäten des Lebens sind natürlich von Einbrüchen und Bruchstellen der unterschiedlichsten Art geprägt. Pater Kentenich war ein Meister in der Begleitung von Menschen, um behutsam und ehrfürchtig, aus welcher Situation auch immer heraus, Wachstumsfreude und eine zuversichtliche Kraft der Sehnsucht wachzurufen. „Bruchstellen werden zu Einbruchstellen der Gnade“ konnte er aus Glaubensüberzeugung und vielfältiger Lebenserfahrung sagen.
Die Frage „Wer bin ich?“ hat in sich auch die Frage „Was bin ich wert?“
Warum liegt in dem Wort „das ist doch nur ein idealisierter Blick auf das Leben“ so eine unangenehme Ablehnung von eigentlich doch guten Idealen? Ich glaube, dahinter steckt der Eindruck und vielleicht auch oft die Erfahrung, dass mit der Benennung eines Ideals die Realität der Menschen mit ihren Unvollkommenheiten und den Brüchen des realen Lebens abgewertet werden. Für Pater Kentenich gehören die Freude an Idealen und das unerschütterliche Vertrauen auf die unendliche und unzerstörbare Zuwendung Gottes zu jedem Menschen zusammen. „Im Meer der Zuwendung Gottes schwimmen“ nannte es Pater Walter in der eingangs angesprochenen Predigt.
„Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe; auf ihn sollt ihr hören“ (Mt 16,5). Aus dieser Zusage des Vaters bei der Taufe am Jordan und auf dem Berg der Verklärung heraus kann Jesus den Erlöserweg für uns Menschen gehen. Durch ihn wird sie auch zur Zusage an uns. Nur aus dieser Zusage heraus können auch die heutigen Boten das Evangelium verkündigen. Aus dieser Zusage kann und muss sich Kirche erneuern.
Mitten in der Heiligen Woche feiern wir in diesem Monat den Bündnistag. Für das ewige Liebesbündnis mit uns Menschen hat Jesus alles eingesetzt. Am Gründonnerstag, beim letzten Abendmahl, deutet er selbst seine Lebenshingabe für uns als den neuen Bund. Der neue Bund, gegenwärtig durch die Zeiten für jeden, der an ihn glaubt, gegenwärtig in jeder Eucharistiefeier in den Worten Jesu, dem die Priester ihre Stimme leihen: „Das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird“.
Ihnen allen und der ganzen Kirche wünsche ich reiche Ostergnade,
Ihr
P. Ludwig Güthlein
Schönstatt-Bewegung Deutschland