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1. September 2018 | Nacht des Heiligtums | 

Es ist das Beste, was ich für dich habe – der NdH Motto-Talk mit Marco Blumenreich


Matthias Friebe (links) interviewt den Östreicher Psychologen Marco Blumenreich beim Motto-Talk der NdH (Foto: Brehm)

Matthias Friebe (links) interviewt den Östreicher Psychologen Marco Blumenreich beim Motto-Talk der NdH (Foto: Brehm)

Cbre. Als „special guest“ war bei der diesjährigen Nacht des Heiligtums (NdH) Marco Blumenreich, ein gebürtiger Mexikaner, der wenige Jahre in den USA aber eigentlich in Oberösterreich aufgewachsen war. Nach einer schwierigen Kindheit und mit dem Handycap blind zu sein konnte er doch seinen Traum, Psychologe und Therapeut zu werden, realisieren. Wie sich das NdH Motto „VERwirKLichEN – All in!“ anfühlen kann und sich auch realisiert, das sollte in einem Motto-Talk mit Marco Blumenreich, der von Matthias Friebe interviewt wurde für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der NdH an deutlich werden.

Marco wurde fast blind geboren und hatte bis zu seinem 12. Lebensjahr eine desolate Kindheit. Ständig von Bauchschmerzen geplagt, keine Freunde, in der Schule schlecht, einem ziemlichen Gewaltpotential in der Familie ausgesetzt, wachte er als 12-jähriger eines morgens auf und meinte, er sei jetzt völlig verrückt geworden, weil er deutlich in sich eine Stimme hören konnte, die ihm sagte: „Es ist das Beste, was ich für dich habe!“

Er habe keine Ahnung gehabt, was das bedeuten solle und habe deshalb viel darüber nachgedacht und einige Monate später einfach beschlossen, dieser Stimme zu vertrauen, an sie zu glauben. Wer da spricht, wusste er nicht. Er sei nicht religiös aufgewachsen, komme aus einem Elternhaus, wo man die Aussagen des Papstes eher kritisch kommentiert und sich über die Kirche geärgert habe.

Über 500 Jugendliche haben sich zur Teilnahme an der NdH angemeldet (Foto: Brehm)

Über 500 Jugendliche haben sich zur Teilnahme an der NdH angemeldet (Foto: Brehm)

Das Entscheidende passierte: meine Haltung hat sich verändert

Die Nachfrage von Matthias Friebe wie das denn funktioniere, einfach zu beschließen, der Stimme zu glauben, antwortete er: „Ich dachte, es ist gesünder für mich, anstatt haltlos herum zu laufen.“ Eigentlich hätte sich dadurch äußerlich nichts geändert, doch: die Bauchschmerzen seine weggegangen. Alle misslichen Situationen und Beziehungen seien gleich schwierig geblieben, aber das Entscheidende sei gewesen: „Meine Haltung dazu hat sich verändert“.

NdH Motto-Talk (Foto: Brehm)

NdH Motto-Talk (Foto: Brehm)

Gott finden durch einen überzeugenden Menschen

Wann er das erste Mal Gott mit dem Satz: „Es ist das Beste, was ich für dich habe“ in Verbindung gebracht habe, wollte Friebe wissen. Er habe Pater Teufel, einen pädagogisch sehr fähigen Salesianerpater kennen und schätzen gelernt, erzählt Marco. Es habe ihm imponiert wie dieser mit schwierigen Kindern umgegangen sei. Die Psychologen hätten geschimpft, wenn die Kinder ausgeflippt wären, die Ärzte hätten sie „ruhig gespritzt“, doch Pater Teufel habe mit ihnen gerauft und Arm drücken gemacht, damit sie ihre Aggressionen losbekommen. Eines Tages habe er Pater Teufel mit Mario in solch einer Situation erlebt. Plötzlich habe der Kleine innegehalten und den Pater gefragt: „Glaubst du an Gott?“ Der Pater habe gesagt: „Ja, ich glaube an Gott!“ Dann hätten sie weiter gerauft. Der Vorgang habe sich drei Mal wiederholt. Beim vierten Mal habe Mario gefragt: „Du sagst, du glaubst an Gott. Was ist, wenn ich dich jetzt erschieße?“ Pater Teufel antwortete: „Dann sage ich dir noch davor, dass ich an Gott glaube!“ Diese Aussage habe ihn „geflasht“, erzählte Marco Blumenreich. Neugierig geworden sei er zu dem Pater gegangen: „Ich habe gehört, dass sie sich für den Glauben umbringen lassen würden, wo wohnen sie, was machen sie, wie leben sie? Er hat mich nach Linz eingeladen, drei Jahre durfte ich erleben wie er für schwierige Straßenjungs mit Trost, Cola und Tischfußball da ist und ihnen mit seiner tiefen Jesusbeziehung zur Verfügung steht.“ Während dieser drei Jahre habe er verstanden, so Blumenreich, wer das ICH in seinem wichtigen Satz sei: nämlich Gott. Und diesem habe er in einem unspektakulären Augenblick sein Leben übergeben: „Du weißt, Jesus, ich habe schwierige Voraussetzungen, du weißt, was ich mir wünsche (ich hatte mich schon immer für Psychologie interessiert und wollte so gerne Psychologe und Psychotherapeut werden). Ich glaube, du kannst das schaffen, dass ich das schaffe.“

Warum Psychologie?

Ihn habe schon immer interessiert, warum die Menschen in ihrem Kopf ständig Trennungen vornehmen, führte Marco aus. Er selbst sei ja ständig getrennt von den anderen wahrgenommen worden von den Kindern und Erwachsenen, den Lehrern und Ärzten: du blind – wir sehend. Er habe immer gedacht, ich lebe doch in der gleichen Welt wie ihr. Schwierigkeiten wären ja da, um etwas aus ihnen zu machen, das sei wunderschön, wenn das gelinge. Deshalb wäre Psychologie für ihn so reizvoll.

(Foto: Brehm)

(Foto: Brehm)

(Foto: Brehm)

(Foto: Brehm)

Wie die Welt sich bei Blindheit darstellen kann

„Wunderschön“, meint Marco. Natürlich gäbe es auch Herausforderungen, aber die habe ja jeder zu bestehen. „Für mich ist es ein exklusives Leben, ich darf vieles anders machen!“ Allein das Bücher lesen: er würde Seite für Seite einscannen und könne die Bücher über seine Leseleiste dann tastend lesen. Von außen betrachtet meinten die Leute, o je, wie mühsam. Aber das stimme gar nicht. Es sei besonders schön, weil die Vorbereitung auf das Lesen schon so schön wäre. „So lerne ich das Beste aus meinem Satz kennen.“ Auch dass er sein Gegenüber nicht sehen kann, findet Marco Blumenreich wunderbar. So käme er nicht in Versuchung, sein Gegenüber vorschnell zu beurteilen und zu verurteilen. Das sei sein Exklusivpunkt! Für ihn sei seine Blindheit keine Behinderung mehr, so Marco Blumenreich, er liebe sie. Und er könne sehen - eben auf einer anderen Ebene.

Glaube wandelt

Auf die Frage, im Alltag sei es manchmal schwierig zu Gott und zu seinem Glauben zu stehen, wie er damit umgehen würde, meinte er lachend: „Wir meinen, wir müssen die Kirche verteidigen, wenn sie kritisiert wird, aber das müssen wir nicht. Wir brauchen nur unseren Zugang mitteilen. Ich wurde von einem Klienten gefragt: ‚Herr Blumenreich, Sie haben doch studiert, warum sind Sie denn dann noch gläubig?‘ Ich habe ihm geantwortet, dass ich viel im Studium gelernt habe und das das alles wirklich sehr interessant war, aber dann wurde ich durch den Glauben gewandelt von einem geschlagenen Kind zu einem Kind, das anderen die Hand geben kann.“

Gott ruft jeden Menschen

Nein, er habe nie an der Existenz Gottes gezweifelt, führt er aus, als er gefragt wird, ob er nie verzweifelt Gott gefragt habe, warum gerade er, Marco, blind geboren sei und in widerlichen Umständen aufwachsen musste. Er habe oft an Systemen gezweifelt, aber nie an Gott. Er habe erfahren, dass dann, wenn Krisen über ihn hereingebrochen wären, sich das Blatt auch  wieder gewendet habe, auch wenn zunächst im Moment alles verquer erschien. „Gott ruft jeden Menschen und braucht ihn. Mit Gott zusammen, kannst du soviel erreichen. Ich war ein kleines Würstel, konnte mit niemandem reden. Da habe ich Gott gesagt: aber du kannst etwas aus mir machen.“ Das sei keine Garantie dafür, dass alles gut geht. „Aber hinfallen ist nie schlimm, du musst nur jedes Mal wieder aufstehen und weiter machen, ein Stehaufmännchen sein.“

Beten, aber wie?

„Oft – ständig mit Gott im Gespräch sein“, so Marcos Rat. Wenn ein Klient voll durcheinander zu ihm käme, wäre er schon im Gebet und würde Gott bitten, mit dabei zu sein und es sei existentiell, was sich dadurch verändern würde. Oder wenn er öffentlich etwas sagen müsste, würde er sich immer extrem vorbereiten, aber kurz vor dem Bühnenauftritt würde er denken: „Marco, vergiss alles. Jesus, komm und gib uns die Hand.“ Erstaunlich, was sich dadurch alles verändere.

Sich verwirklichen lassen statt Selbstverwirklichung

Auf die Frage, wie er Selbstverwirklichung für sich definieren würde ausgehend vom Motto der Nacht des Heiligtums, meinte er ganz ehrlich, dass er mit dem Begriff Selbstverwirklichung so seine Probleme habe. Er würde sich lieber von Gott verwirklichen lassen. Während der Heiligen Messe würde er öfters denken: Wenn Gott eine so kleine Hostie in seinen Leib verwandeln kann, dann kann er auch mich verwandeln. „Mit dem Herrn schauen, sich von ihm begleiten lassen, Stille und Ruhe suchen, fernab vom ständigen checken, checken, checken … das ist hilfreich bei diesem ‚verwirklichen lassen‘.“

Nach dem Motto-Talk gab es mehrere Podiumsgespräche und auch Sportangebote (Foto: Brehm)

Nach dem Motto-Talk gab es mehrere Podiumsgespräche und auch Sportangebote (Foto: Brehm)

Auch im Urheiligtum ist die NdH mit ihrem interessanten Motto vertreten (Foto: Brehm)

Auch im Urheiligtum ist die NdH mit ihrem interessanten Motto vertreten (Foto: Brehm)

Sich von der Muttergottes und von Jesus umarmen lassen

Er sei gestern am Sarkophag von Pater Kentenich gewesen und habe ihn gebeten, sag mir nur einen Satz, dann bin ich wieder ruhig. Und er habe gehört: „Lasst euch beim Heiligtum von der Muttergottes und Jesus umarmen.“

Foren, Workshops, Begegnung

Nach dem beeindruckenden Motto-Talk konnten die Jugendlichen den weiteren Tag bei Foren, Workshops, Sport, Kreativangeboten und Infoständen verbringen. Da gab es viele Möglichkeiten „all in“ zu gehen. Das Vorbereitungsteam hat ein breit gefächertes, sowohl interessantes als auch gemeinschaftsförderndes, wie auch ein individuell weiterbringendes Programm zusammengestellt. Alltagsfragen wie Perfekt/Unperfekt, sinnvolle Nutzung des Smartphones, Freundschaftsimpulse, Rhetorik und Europas Zukunft wurden in den Blick genommen. Glaubensfragen wie Beichte, Jugendsynode, Auslandszeit, Freiheit, Pater Kentenich als einer, der mitgeht, fanden breiten Raum. Ebenso wie Klettern, Fußball, Tanz, Schmuck anfertigen, Bumerangbau. Hervorzuheben auch der Spendenlauf für „bewegenswert e.V.“ mit einer Unterstützung für ein Kinderprojekt in Indien und ein Gesundheitsprojekt im Tschad …

Im Tun, im Auseinandersetzen mit Themen, im stillen Verweilen im Kapellchen und in der frohen Begegnung mit anderen, neuen und altbekannten Freunden geschieht überall „Verwirklichen – all in!“


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