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18. August 2018 | Worte des Bewegungsleiters | 

Beheimatet-Sein und tiefgreifende Gotteserfahrungen


Jahresmotiv 2018 der Schönstatt-Bewegung in Deutschland (Grafik: POS Brehm)

Jahresmotiv 2018 der Schönstatt-Bewegung in Deutschland (Grafik: POS Brehm)

Liebe Mitglieder und Freunde unserer Schönstatt–Bewegung,

Der Zusammenhang einer äußeren Situation mit der inneren Deutung und Überzeugung, die damit verbunden ist, ist wirklich spannend und alles andere als von vorneherein selbstverständlich.

Ein Mitbruder aus Südafrika aus der Zeit meines Noviziates hatte ein besonderes Hobby. Er hatte Schlangen in seinem Haus. Die meisten waren ungiftig. Trotzdem gab es in der Nachbarschaft immer wieder mal Aufregung, wenn eine davon ausgerissen ist. Natürlich konnte er die Wogen nur glätten, wenn er seine Schlange schnell wieder einfing und versicherte, dass das nicht wieder vorkommt. So verschieden können die Reaktionen sein. Ich würde auch zu denen gehören, die beim Anblick einer Schlange erst mal erschrocken und stocksteif stehen bleiben würden, um dann möglichst vorsichtig aus der Gefahrenzone zu verschwinden. Umgekehrt würden bei meinem Freund bei so einem überraschenden Anblick genauso spontan Neugier und Freude wach. Die gleiche äußere Situation ist für den einen Erschrecken und Angst und für den anderen Neugier und Freude.

Äußere Situation und innere Sinnhaftigkeit

Mein inneres Wissen, meine früheren Erfahrungen und meine generellen Einstellungen: Alles wirkt mit, wie ich eine ganz konkrete Situation erlebe. Deshalb sind die inneren Einstellungen und Überzeugungen mitentscheidend, wie ich alltägliche und schicksalhafte Erlebnisse wahrnehme, deute und verarbeite. Pater Kentenich betont, dass neben den äußeren, sichtbaren und personalen Beziehungen und Bindungen auch die ideenmäßigen und überzeugungsmäßigen Verankerungen und Bindungen eine große Bedeutung haben. Auch die Ausdrucksformen des Glaubens leben nicht nur vom ehrfürchtigen Umgang damit. Ohne die gläubige Überzeugung fehlt allem Äußeren und Sichtbaren des Glaubenslebens die innere Sinnhaftigkeit. Erneuerung des Glaubens und Weitergabe des Evangeliums muss deshalb an der innersten Überzeugung selbst ansetzen.

Juli 2018
Deutung der Zeitströmungen lernen
Aus einem Brief von Pater Josef Kentenich an Pater Alex Menningen zum Marianischen Jahr 1954 – wie geschrieben an uns und hineingesprochen in das Kentenich-Jahr 2018, unser Gründergeist-Jahr:
Lieber Alex! 
Liebe deutsche Schönstatt-Bewegung!
„Ohne gegenseitige Schulung wird es uns schwer möglich sein, eine Anzahl gewiegter, selbständig denkender und richtig greifender Führerpersönlichkeiten großzuziehen und in die Schlacht hineinzuwerfen ...
Man sage nicht, das ist eine Kunst, die man nicht lernen kann. Ich möchte demgegenüber behaupten: Führt man selber ein Innenleben, wendet man unsere Betrachtungsmethode getreulich an, hält man ehrfürchtig Fühlung zu den Seelenstimmen in den Menschen, die man begleiten darf, bemüht man sich um eine philosophische Zusammenschau letzter Wahrheiten und Wirklichkeiten und um standhafte Beheimatung darin, ringt man gleichzeitig um inneres Gelöstsein von sich und Geöffnetsein für fremde Art und Unart, für fremde Not und fremdes Ringen, so bekommt man früher oder später eine Gewandtheit, wie das auf allen psychologischen Gebieten zu konstatieren ist, wo sich das Gesetz verwirklicht: habitus fit per repetitionem actuum – (Eine Gewohnheit entsteht durch wertgesättigte Wiederholung von Handlungen). Kommt eine tiefe Liebe zum Gegenüber hinzu, so ist die rätselhafte Kunst schnell gelernt.
Als drittes Mittel nenne ich das Studium der Bücher, die in ihrer Art sich die Aufgabe gestellt haben, die Zeit verständlich zu machen.“ Pater Kentenich schreibt (Foto: Archiv)

Pater Kentenich schreibt (Foto: Archiv)

Im heutigen Textausschnitt aus dem Brief Pater Kentenichs an Pater Mennigen, den wir in diesem Jahr besonders betrachten, geht es um den Zusammenhang von außen und innen im Blick auf die Bedeutung unserer Schönstatt-Heiligtümer. Die kleinen Kapellchen der Gottesmutter an so vielen Schönstatt-Zentren verbreiten eine geistliche Atmosphäre und laden zum besinnlichen Gebet ein. Es ist beeindruckend, mit wie viel Liebe zum Detail die Heiligtümer geschmückt werden. Wertschätzung und Liebe zum heiligen Ort wird darin spürbar. Die Erwartung unseres Gründers geht noch tiefer. Alle Generationen sollen und müssen selber je neu entdecken, „dass sie in Schönstatt – und allen Schönstatt-Heiligtümern – tiefergreifende Erlebnisse als Ausdruck und Wegweisung zum Ewigen und Göttlichen kosten dürfen“. Nicht weniger, als ein Geschmack für das Göttliche und Ewige soll wach werden. Ob nicht der Blick auf diese nicht leicht zu sehende Innenseite jeder geistlichen Erneuerung eine besondere Beachtung braucht? Ob es bei der Ausrichtung auf Neugründung und Neuaufbau in diesem Gründergeist-Jahr nicht auch um die Neuentdeckung der „Göttlichen Initiative“ geht, die hinter der Gründung Schönstatts steht? Gerade das Selbstverständliche braucht Neuentdeckung und manchmal ein Sich-Neuverlieben. Jedes Schönstattzentrum mit dem Heiligtum ist ja aus dem Glauben an die göttliche Gnadenquelle entstanden, die als Frucht des Liebesbündnisses lebendig wird.

„Ein Zeichen der Zeit ist das Bedürfnis nach kontemplativen Exerzitien“

Diese Bemerkung, die kürzlich bei einer Versammlung geäußert wurde, lässt aufhorchen. Erneuerung braucht die persönliche geistliche Erfahrung. Es braucht den Kontakt zu den inneren Stimmen meiner Seele, die allem Äußeren erst ihren Sinn und ihre Richtung geben. Es gehört zu unserer Spiritualität, im ganz Normalen und Alltäglichen immer wieder die Spuren Gottes zu suchen. Alles kann und soll zum Gebet, zum Gespräch mit dem Gott des Lebens werden. Diese gläubige Voreinstellung prägt uns auch dann, wenn das manchmal schwierig ist, etwa in Schicksalsschlägen. Wir beten darum, dass uns Gott gerade in solchen Erschütterungen nahe ist mit seinem Trost und seiner Kraft. Manchmal ist die Durchsichtigkeit unseres Lebens auf Gott hin aber auch deshalb schwierig, weil uns alles wie eine Mühle vorkommt und uns wie ein dauerndes Sich-Drehen im Kreis ohne Tiefgang und Bedeutung erscheint.

Immer wieder hat Pater Kentenich seinen Glauben bezeugt vom Hereinbruch des Göttlichen in der Entwicklungsgeschichte Schönstatts und in den Biografien vieler Menschen, die er begleiten durfte. Vor allem in den letzten Jahren hat er die Formulierung vom Hereinbruch des Göttlichen oft erweitert: „Der göttliche Einbruch von oben will aber auch von unten nach oben gesehen werden. Und dann verstehen wir darunter den Aufbruch des Göttlichen in den einzelnen Seelen und von da aus den Durchbruch hinein in die ganze Familie“ (Weihnachtstagung 1967).

Aufbruch des Göttlichen in den einzelnen Seelen

„Feuer und Flamme“ – diese Redewendung steht für eine große Begeisterung. Jesus selber spricht von einem Feuer, das er bringt. Und er möchte, dass es brennt (vgl. Lk 12,49). Auch in den Symbolen und Gebeten der Schönstattgeschichte ist Feuer ein häufiges Motiv. Die Kraft der Liebe wird oft mit der Kraft des Feuers verglichen. Das Feuer bei der Vigil zum 100-jährigen Jubiläum Schönstatts wurde von Fackelläufern entzündet. Bei der Delegiertentagung in diesem Jahr ist uns ein besonderer biblischer Bezug neu bewusst geworden. Im Pfingstereignis, da, wo es um die Erfahrung des Heiligen Geistes geht, ist die Rede von einem Brausen vom Himmel her, wie von einem heftigen Sturm und von Feuerzungen. „Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder“ (Apg 2,3).

Dieses Feuer des Heiligen Geistes ist eine ganz persönliche Gabe: Eine Flamme des Geistes über jedem Haupt. Im pfingstlichen Marienbild „Maria, Königin der Apostel“ von Vinzenz Pallotti ist das zur Darstellung gebracht. Das Miteinander der persönlichen Berufungen, Charismen und Begabungen steht am Anfang der Kirche. Es prägt die Neugründung und den Neuaufbau.

>Wenn wir am 15. September den 50. Todestag unseres Gründers begehen, dann erhoffen wir uns gerade dieses Geschenk. Wo immer wir diesen Tag mitvollziehen, geht es um die Bündelung dessen, was in diesem Kentenich-Jahr an Neugründung und Neuaufbau und an Bereitschaft dazu wach geworden ist. In der internationalen Feier am 15.9.2018 in Schönstatt und bei der Gründernacht, der Vigil am Vorabend, ist das unsere Hoffnung und unsere Bitte. Unser Jahresmotto „GRÜNDERGEIST – ‚Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen‘ (Apg 1,8)“ ist uns ja eine Verheißung für dieses Jahr. Die Gottesmutter betet wie damals im Pfingstsaal heute mit uns. Das Aufbrechen der Kraft des Heiligen Geistes in jedem Einzelnen und in unseren Gemeinschaften und Diözesen wird unser Schritt in die Zukunft.

Jeder kann auf seine Weise mitmachen: zu Hause, am nächsten Schönstatt-Zentrum oder in Schönstatt selbst. Die innere Bereitschaft entscheidet. Verbunden mit unserem Gründer, mit seinem Gründergeist, und getragen von den Gaben des Heiligen Geistes beginnt der Schritt in die Zukunft immer ganz innen – mit meiner eigenen Bereitschaft –, und mit der Flamme über jedem Haupt.

Beten wir miteinander, dass der Ort des Sterbens unseres Gründers, der Ort des Heimgangs, wie wir gerne sagen, besonders in diesem Jahr zu einem Ort pfingstlicher Erfahrung für uns alle wird.
Dazu herzliche Grüße aus Schönstatt

Ihr

P. Ludwig Güthlein
Schönstatt-Bewegung Deutschland


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