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18. Mai 2018 | Worte des Bewegungsleiters | 

Grenzerfahrungen bereiten Gott den Weg


Jahresmotiv 2018 der Schönstatt-Bewegung in Deutschland (Grafik: POS Brehm)

Jahresmotiv 2018 der Schönstatt-Bewegung in Deutschland (Grafik: POS Brehm)

Liebe Mitglieder und Freunde unserer Schönstatt–Bewegung,

»Freut euch und jubelt« (Mt 5,12), sagt Jesus denen, die um seinetwillen verfolgt oder gedemütigt werden. Der Herr fordert alles; was er dafür anbietet, ist wahres Leben, das Glück, für das wir geschaffen wurden.

Mit diesen Worten beginnt Papst Franziskus das jüngste apostolische Schreiben. Ein drittes Mal wendet sich Papst Franziskus an die Christen und alle Menschen mit einem Schrei­ben, das bereits in der Überschrift von der Freude redet.

Nach „Die Freude des Evangeliums“ (Evangelii gaudium; über die Verkündigung des Evangeliums), „Die Freude der Liebe“ (Amoris laetitia; über die Schönheit der ehelichen Liebe und die Spiritualität von Ehe und Familie) hat er jetzt „Freut euch und jubelt“ (Gaudete et exsultate; über den Ruf zur Heiligkeit in der Welt von heute) veröffentlicht.

Pater Kentenich schreibt (Foto: Archiv) Pater Kentenich schreibt (Foto: Archiv)

Pater Kentenich schreibt (Foto: Archiv)

Leuchtende Augen und die Kraft, die den Unterschied macht

Die Pfingstsequenz, das feierliche Gebet im Rahmen des Wortgottesdienstes am Pfingstfest, ist schon vielen Menschen zu einem Lieblingsgebet geworden (Gotteslob 344). Es ist so facettenreich wie die alltäglichen Lebenserfahrungen und es rechnet mit dem Wirken des Heiligen Geistes in der ganzen Vielschichtigkeit der menschlichen Existenz. „Komm, o du glückselig Licht, fülle Herz und Angesicht, dring bis auf der Seele Grund.“ Die deutsche Übersetzung des fünften Verses bringt zum Ausdruck, dass das göttliche Licht, die göttliche Freude die Tiefe des menschlichen Herzens und den ganzen Menschen erfasst und nach außen sichtbar wird.

Bis heute habe ich ein Abendgebet mit einer Gruppe von Studenten bei einer mehrtägigen Fußwallfahrt in Erinnerung. Bei einer Pause hatten wir alle einem kleinen vielleicht dreijährigen Jungen zugeschaut, der immer wieder neu die Wasserdüsen eines Bodenbrunnens mit seinen kleinen Händen zuhalten wollte und dann wieder den Wasserstrahl hochschießen ließ. Mit immer neuer Begeisterung wiederholte er das Spiel und musste dabei selber immer neu laut lachen. Bei unserem gemeinsamen Abendgebet erinnerte einer an dieses Schauspiel, und wir wurden wieder alle von der Freude des Kleinen angesteckt. Und obwohl ich kein Foto von dem Spiel des Kleinen habe, habe ich das Bild der Situation so in mir, dass ich mich immer daran erinnern kann.

Ich glaube, dass Papst Franziskus deshalb gern den Blick auf die Freude lenkt, die so ganz von innen kommt. Freude kann man schlecht vorspielen. Vor allem sich selber nicht. Wenn man jedoch an die Quellen der eigenen Freude kommt, dann ist sie eine Kraft, mit der man das Leben meistern kann.

„Vollkommene Lebensfreude“

Bei einem Exerzitienkurs für Priester 1934 war sich Pater Kentenich wohl bewusst, was auf Deutschland, die Kirche und insbesondere die Priester mit dem Erstarken des Nationalsozialismus zukommen wird. Und in diese ernste Situation hinein überschrieb er seine geistlichen Vorträge mit „vollkommene Lebensfreude“. Und er fragt seine Zuhörer: „Kennen wir als Priester diesen Schrei, diesen Erwartungsschrei nach dem erlösten Menschen und der erlösten menschlichen Gesellschaft?“ Er führt dann aus, dass die Verkündigung des Evangeliums den tiefen Freudenhunger im Menschen erreichen und beantworten muss.

An das Grundwasser meiner eigenen Motivation kommen, ist keine unnütze Bemühung. Je unlösbarer eine Situation ist, je mehr ich mein Ungenügen, meine Begrenzungen zu spüren bekomme, umso wichtiger wird die Antwort, wo meine tiefsten Quellen der Freude liegen. Und zwar ganz im Sinne der Gebetsbitte „fülle Herz und Angesicht“. Eine Freude ganz in der Tiefe meiner Überzeugungen und Erfahrungen und gleichzeitig auch eine, die das „Angesicht“ zum Leuchten bringt.

Und gerade das, was uns traurige Gesichter und hängende Schultern macht, ist der Grabstein, der weggewälzt werden muss, so wie der am Ostermorgen am Grab Jesu. Ablenkung hilft nur kurz. Pater Kentenich empfiehlt daher gerade das als Gegenstand von Betrachtung und Meditation. Wenn man lernt, an der Grenze des eigenen Könnens und im Leid am eigenen Versagen das Sich-ganz-Gott-Überlassen einzuüben, dann übt man den andauernden Zugang zu den Quellen und zum Grundwasser göttlicher Freude. „Im Nachprüfen und Nachkosten, im Vorprüfen und Vorkosten der göttlichen Erbarmungen und der persönlichen Erbärmlichkeiten“ geben wir dem Aufbrechen göttlicher Kräfte Raum und gewinnen Klarheit über das, was zu tun und was loszulassen ist.

Interessanterweise beschäftigt sich Papst Franziskus bei seinen Betrachtungen über eine Alltagsheiligkeit recht ausführlich mit der Gefahr, Heiligung, Wirksamkeit des Evangeliums und das Wachsen des Glaubens letztlich doch vom eigenen Können und Bemühen zu erwarten. Diese Haltung führe nicht nur in die Überforderung und Versteinerung. Er kritisiert sie mit harten Worten als „egozentrische und elitäre Selbstgefälligkeit, ohne wahre Liebe“. Der Schlüssel im Umgang mit Grenzen und Schwächen ist es, sie in das Licht des göttlichen Erbarmens zu halten und sie so sogar zur Quelle der Freude, der Dankbarkeit und der Erlöstheit werden zu lassen.

Wenn Paulus vom „neuen Mensch in Christus“ spricht, dann meint er keinen fehlerlosen, perfekten alten Menschen, der möglichst keine Erlösung braucht. Der neue Mensch findet seine Freude darin, dass er „in Christus“ ist, dass er zusammen mit Jesus geliebter Sohn und geliebte Tochter des Vaters ist.

Pfingsten ist Geist des Aufbruchs mitten in der Kleinheit der betenden Gruppe im Abendmahlsaal

Wir feiern den 18., den Bündnistag im Monat der Gottesmutter unmittelbar vor dem Pfingstfest. In den Tagen vor Pfingsten will die ganze Kirche bewusst so sein wie ganz am Anfang: Eine betende Gemeinschaft, die die eigenen Fähigkeiten und Grenzen loslässt und wirklich mit dem Beistand des Heiligen Geistes rechnet. Wir alle wollen uns selber und den anderen, den Bruder und die Schwester, die mit mir den Weg des Glaubens gehen, als betende, hoffende und vertrauende Menschen sehen. Mit dem Projekt „Pfingstgebet“ wollen wir dafür sorgen, dass „ganz Schönstatt betet“ und dass wir uns auch so erleben dürfen.

Ich freue mich auf die Gemeinschaft im Gebet gerade auch hier am Urheiligtum und vom Urheiligtum aus.

Viel Freude „im Herzen und auf dem Angesicht“!


Ihr


P. Ludwig Güthlein
Schönstatt-Bewegung Deutschland


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