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Ein Werkstattgespräch über die Verlebendigung des Glaubens durch Hausliturgien
Werkstattgespräch beim Katholikentag in Münster (Foto: privat)
Hbre. Angesichts immer größer werdender Seelsorgeeinheiten stellt sich die ernsthafte Frage, wie die Weitergabe des Glaubens in der Zukunft gesichert werden kann. Der Blick in die jüdische Tradition zeigt, welche Bedeutung in diesem Zusammenhang Hausliturgien zugekommen ist. Für ähnliche Erfahrungen, wie sie zum Beispiel die Schönstatt-Bewegung macht, stehen Begriffe wie Hauskirche oder Hausheiligtum. Diese Orte des Gebetes in den Familien, wo Gott im Alltag präsent ist, sind Teil eines echten Gestaltwandels der Kirche. Mit dieser Thematik beschäftigte sich am ersten Arbeitsnachmittag des Münsteraner Katholikentages ein Werkstattgespräch unter dem Thema „Zwischen jüdischer Tradition und christlicher Neuentdeckung - Hausliturgien und die Verlebendigung des Glaubens, mit Rabbinerin Dr. Ulrike Offenberg, Hameln, Pater Elmar Busse, Dernbach, und Kerstin und Thomas Müller, Eichsfeld.
Rabbinerin Dr. Ulrike Offenberg, Hameln (Foto: privat)
Jüdische Erfahrungen mit der Weitergabe religiöser Traditionen in der Familie
In den Ausführungen von Rabbinerin Dr. Ulrike Offenberg über die Feier des „Seder-Abends“ wurde deutlich, wie sehr es in der jüdischen Erfahrung auf die Weitergabe religiöser Traditionen in der Familie ankam und ankommt. Aufgrund der Zerstörung des Tempels sei es nötig geworden andere dezentrale Formen der Glaubensweitergabe zu entwickeln. Dabei habe sich der Fokus auf die häusliche Gemeinschaft gelegt. Immer mehr sei die Familie und das Haus als Tempelersatz begriffen worden und tatsächlich werde vom Schabbat-Tisch als häuslichem Altar gesprochen.
Der Seder-Abend, der in einer festen Ordnung mit Texten und mit konkreten Ritualen und Liedern gefeiert werde, sei „für viele Juden wichtiger als die Synagoge und werde von nahezu allen Juden gefeiert, egal ob orthodox, liberal, a- oder antireligiös“, so die Rabbinerin. Kinder würden bei dieser Feier, die absolut nicht kindgerecht gefeiert würde, ganz automatisch jüdische Geschichte und Tradition erlernen. Dabei soll jeder beim Seder-Abend sich so fühlen, als ob er oder sie damals in Ägypten selbst dabei gewesen ist, als ob er oder sie persönlich befreit worden sei. Diese Vergegenwärtigung halte das Ritual sehr lebendig. Ein Seder-Abend sei in der jüdischen Tradition ein wichtiger, identitätsstiftender Vorgang.
Kerstin und Thomas Müller, Eichsfeld (Foto: privat)
Erfahrungen mit dem Hausheiligtum
Thomas und Kerstin Müller aus dem Eichsfeld stammend, Mitglieder in der Schönstattfamilienbewegung, gaben ein Zeugnis über ihr Leben mit dem Hausheiligtum. Gestaltet sei das Hausheiligtum vor allem mit einem Kreuz und einem Bild der Gottesmutter von Schönstatt. Es sei für sie nicht nur der Ort des gemeinsamen Gebetes, sondern auch der Ort, wo sie alle Sorgen und Nöte, aber auch alle Freude und alles Schöne vor Gott bringen können. „Aber auch Auseinandersetzung und Streit wie auch Versöhnung und neues Miteinander haben dort einen Platz“, so Kerstin Müller.
Durch das regelmäßige Praktizieren gewisser Rituale im Zusammenhang mit dem Hausheiligtum, wie zum Beispiel das gegenseitige sich Segnen vor dem Verlassen des Hauses, hätten ihre Kinder einen ganz ungezwungenen Zugang zu religiösem Handeln bekommen, das ihnen auch als junge Erwachsene kostbar geblieben sei.
„Das Hausheiligtum hat in unserer Familie seinen Platz mitten in der Wohnung“, erzählt Thomas Müller. Dadurch werde man immer wieder im Alltag damit konfrontiert, was in vielen Situationen gut täte. Im Hinblick auf die Frage der Weitergabe des Glaubens sei es sehr wichtig, dass Kinder konkret erleben könnten, wie ihre Eltern den Glauben praktizieren. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass das Leben mit dem Hausheiligtum zu einem lebendigen Glauben führt, der sich nicht nur am Sonntag abspielt“, so Thomas Müller. Gott berühre im Hausheiligtum ihr Herz und das Hausheiligtum befähige dazu, dass „Gott durch unser Handeln ein Stück sichtbar wird.“
Pater Elmar Busse, Dernbach (Foto: privat)
Den Alltag mit Gott in Verbindung bringen
Pater Elmar Busse, Schönstatt-Pater und Leiter des Fachbereiches Spiritualität der Katharina-Kasper-Akademie, Dernbach, sprach ebenfalls über das Hausheiligtum als dem heiligen Ort in der eigenen Wohnung. In der Schönstatt-Bewegung spiele es eine große Rolle. Die Schönstattfamilienbewegung bemühe sich, die guten Erfahrungen mit dem Hausheiligtum in die Kirche hineinzutragen. Das sei, so Busse, „auch eine Antwort auf die Situation mit den immer größer werdenden Pfarreien.“
Das II. Vatikanische Konzil spreche davon, dass die Eucharistiefeier der Gipfelpunkt des liturgischen Tuns sei. „Ich habe den Eindruck“, so der Schönstatt-Pater, „dass dem Gipfel der Berg abhandengekommen ist.“ Heute stelle sich doch vielmehr die Frage nach der ganz alltäglichen Verbindung mit Gott. „Was habe ich erlebt? Wie kann ich das Erlebte gläubig deuten und wie begegnet mir genau darin Gott?“, so Busse weiter.
In der Schönstatt-Bewegung habe sich die Spurensuche als ein guter, gangbarer Weg etabliert, den Alltag mit Gott in Verbindung zu bringen und im Alltäglichen Gottes Spuren, sein Mitgehen, seine Anregungen, sein Dabeisein zu entdecken. Durch die Spurensuche im Familienalltag würden religiöse Grundvollzüge wie Dank, Lob, Anbetung, Bitte, Umwandlung von Ängsten in Vertrauen, Delegieren von Problemen nach oben, um sich selbst zu entlasten, ganz nebenbei gelernt und praktiziert. „Wenn es gelänge, solches Brauchtum in den Familien wieder zu beheimaten, dann können die Pfarreien noch größer werden, denn die religiösen Grundvollzüge sind dann in den Familien gesichert.“ Die Jahrtausende alten jüdischen Traditionen stünden dafür als Beweis, dass die Weitergabe des Glaubens an die nächste Generation erfolgreich gelingen kann, wenn die religiösen Grundvollzüge in der Familie nicht nur durch Gedanken und Lehre, sondern durch Rituale und sinnenhafte Erlebnisse vermittelt werden. Das sei auch heute ein zukunftsträchtiger Weg, so Busse.