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18. März 2018 | Worte des Bewegungsleiters | 

Heraushören, was die Menschen im Innersten bewegt


Jahresmotiv 2018 der Schönstatt-Bewegung in Deutschland (Grafik: POS Brehm)

Jahresmotiv 2018 der Schönstatt-Bewegung in Deutschland (Grafik: POS Brehm)

Liebe Mitglieder und Freunde unserer Schönstatt–Bewegung,

Beim Nachdenken über diesen Impuls habe ich – damit meine Gedanken langsam in Bewegung kommen – einfach mal einen ganzen Satz gegoogelt: „Woher weiß ich, was ich wirklich will?“ Gleich hatte ich über 3 Millionen Ergebnisse. Und genau das ist das Problem. Zu jeder Frage und zu jedem Anliegen gibt es immer sofort viel mehr Möglichkeiten, als ich mir überhaupt vorstellen kann.

Wenn ich etwas besorgen musste, habe ich das bislang immer dankbar als Gelegenheit genommen, zu schauen, was es vielleicht Neues und Interessantes gibt. Ich weiß nicht, ob das am Älterwerden liegt. Inzwischen schlägt mir so ein Einkaufsbummel immer mehr aufs Gemüt. Ich werde richtig müde und spüre eine Melancholie und Unlust. Meine Neugier und mein Interesse sind vorbei. Ich merke, dass ich eigentlich nichts brauche, und schaue, dass ich nach Hause komme.

Pater Kentenich schreibt (Foto: Archiv) Pater Kentenich schreibt (Foto: Archiv)

Pater Kentenich schreibt (Foto: Archiv)

Zu viel ist zu viel

Dabei ist Einkaufen trotz des Überangebotes ja noch harmlos. Wenn ich an Bücher, an Nachrichten, an Informationen, an Aufgaben, an Meinungen denke, ist alles ja noch uferloser. Im Blick auf die Menge und Vielfalt hatte Pater Kentenich in Milwaukee einmal ein Gespräch mit Eltern über ihre Sorge um die Kinder. Television, Fernsehen war das großes Thema. Wie kann man die Kinder schützen vor den vielen negativen Ideen und schlimmen Bildern, die dieses Medium ins Wohnzimmer bringt? Im Blick auf die Wertebeeinflussung war Pater Kentenich eher weniger besorgt. Eine einigermaßen gute Wertebildung in der Familie könne da schon immunisieren, sagte er zu den Eltern. Die vielen Eindrücke an sich – egal, ob gut oder schlecht – sah er als die größere Herausforderung. Das Viele, was auf uns heute einstürmt, nannte er „eine konstante Erziehung zur Untreue“. Dabei war Untreue nicht moralisch gemeint. Er meinte, die psychische Fähigkeit, Eindrücke festhalten zu können. Diese nimmt unter der vielfachen Beeinflussung ab. Wie unterstützt man den inneren Kern einer Person?

Orientierung und Begleitung von Menschen, seien es nun Kinder, Jugendliche oder Erwachsene, muss viel sensibler als früher die innere Tiefe im Menschen erreichen. Ohne dass meine innerste Sehnsucht berührt wird, bleibe ich ein von den äußeren Einflüssen Getriebener.

„Er hatte eine so noble Art“

Ich sah einmal hintereinander drei verschiedene Filmaufnahmen von Personen, die von einer Begegnung mit Pater Kentenich erzählten. Die Begegnungen waren so unterschiedlich, wie diese drei Personen eben unterschiedlich waren. Eine fast beiläufige Formulierung aber, die alle drei gebrauchten, hat mich beeindruckt. „Er hatte eine so noble Art, wie er mit mir sprach“. Er hat mich ganz ernst genommen und ist mir wertschätzend und aufbauend begegnet. Für jeden war es ein Gespräch, das ein Leben lang in Erinnerung blieb. Vor allem auch wegen der Art, wie er mit ihnen sprach.

Und für Pater Kentenich hat das etwas mit dem großen Thema Neugründung und Neuaufbau der Bewegung zu tun. „Will man aus den Seelen Gottes Wunsch und Willen herauslesen, so muss man ständig sorgfältig damit Fühlung halten, muss verstehen, die Seelen aufzuschließen, muss verstehen, darinnen zu lesen.“

Er weiß natürlich, dass die Herausforderungen der Zeit größer und globaler sind und gewaltige gemeinsame Anstrengungen und Gestaltungskraft brauchen. Und doch hat er das seelische Volumen und die innere Spannweite, daran zu arbeiten, mit einem ganz großen Respekt vor dem, was bei seinem Gegenüber gerade wirklich wichtig war. Für ihn konnte die Antwort auf Zeit- und Weltprobleme nicht am Menschen und seiner gefährdeten inneren seelischen Tiefe vorbei organisiert und gefunden werden.

Aus den Seelen Gottes Wunsch und Willen herauslesen

Es geht um menschliche Ehrfurcht, wenn man sich bemüht, herauszuhören, was der andere sagen möchte und was ihn bewegt. Die Überzeugung Pater Kentenichs reicht aber viel tiefer. In dem vielen, was wichtig und bedenkenswert ist, ist das, was sich in der Tiefe der menschlichen Seele zeigt und zeigen möchte, immer auch ein Fingerzeig Gottes. In dem Menschen, der mir begegnet, will Gott zu mir sprechen. Und dieses Sprechen Gottes hat immer eine besondere Aktualität. Pater Kentenich sieht diese Seelenstimmen, wie er sie nennt, zusammen mit den Zeitenstimmen (die Strömungen und Entwicklungen, die die Zeit in großem Maßstab bewegen) und den bleibend gültigen Seinsstimmen. Ein Ringen um Wahrheit, um richtige Einsicht, um Offenbarung und Tradition im Kontext des Glaubens gehören auch immer dazu.

Der ehrfürchtige Blick auf die Seelenstimmen hat in besonderer Weise die Art geprägt, wie er Menschen begegnet ist. Die Ehrfurcht vor den Seelenstimmen darf die Ehrfurcht vor der eigenen Seele und das Hören auf sie nicht übersehen. Einen Mitbruder hat er einmal sehr eindringlich zu diesem Hören auf die eigenen Seelenstimmen ermahnt. Nach einem längeren Austausch hat Pater Kentenich ihn sehr bestärkt, sich selber mehr zu vertrauen. Er müsse richtig umsteuern in diesem Punkt. „Er habe schon zu oft wie Petrus den Herrn verraten“, indem er sich und sein eigenes Denken abgewertet und nicht ernst genommen habe, dass „der Herr“ sich in diesen Seelenstimmen meldet.

Die Nachrichten der Welt sind laut und grell. Streit und Recht-haben-Wollen bestimmen den öffentlichen und privaten Alltag oft mehr, als Zuhören und Heraushören. Irgendwann muss jeder seinen Stil finden. Wir müssen uns entscheiden, ob es uns um mehr und lauter geht oder ob es um die größere Qualität von Begegnungen geht, in denen Liebes-Bündnis-Kultur entstehen kann.

Das wäre auch ein guter innerer Weg im Zugehen auf die Heilige Woche und für ein tiefes Erleben des Osterfestes.

Und mit der Kraft des pfingstlichen Geistes schauen wir dann auf die zweite Quelle von Neugründung und Neuaufbau im Reich Gottes: Der göttliche Atem in den „geistigen Strömungen der Zeit“.

Viel Freude an Begegnungen und reiche Ostergnaden

Ihr

P. Ludwig Güthlein
Schönstatt-Bewegung Deutschland


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