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Predigt beim Gründungstag der Schönstatt-Bewegung
Im Ursprung gehalten – zur Zukunft befähigt
Dr. Udo Markus Bentz, Mainz
Bischöfliches Ordinariat Mainz
Predigt beim Gründungstag der Schönstatt-Bewegung
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18. Oktober 2017
Der Evangelist Lukas gilt seit der Antike als der „Maler“ unter den Evangelisten, denn er male mit Wort und Sprache. Dazu passt auch, dass im Griechischen das Wort „graphein“ eine doppelte Bedeutung hat: schreiben und malen. Seine Kunst zu erzählen ist so bildhaft, dass es Ikonen und mittelalterliche Darstellungen gibt, auf denen Lukas, statt mit Schreibgriffel in der Hand und leeren Seiten auf einem Pult, mit einem Pinsel vor einer Staffelei dargestellt wurde. Lukas ist der Evangelist, der uns sehr bildhaft Jesus nahebringt. Er ist der Evangelist, der zu Jesus hinführt, da er nicht nur Fakten schildert und nicht einfach nur berichtet, sondern, indem er erzählt deutet und auch Entwicklungen aufzeigt.
Und was malt er auf der Staffelei? Die Gottesmutter und ihren Sohn! Indem er die Kindheitsgeschichte erzählt, indem er darin immer wieder auch die Rolle der Mutter umschreibt, geht Lukas den Ursprüngen nach! Worauf gründet etwas? Worin gründet etwas? Das Geheimnis Jesu gründet im Geheimnis Gottes und im Geheimnis der Gottesmutter. Am Gründungstag von Schönstatt kann uns Lukas helfen, dem nachzuspüren, was es heißt, einem Gründungsgeist nachzugehen. Am Beginn seines Evangeliums erzählt Lukas von seiner Motivation, warum er überhaupt ein Evangelium schreibt:
Schon viele haben es unternommen, einen Bericht über all das abzufassen, was sich unter uns ereignet und erfüllt hat. Dabei hielten sie sich an die Überlieferung derer, die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes waren. Nun habe auch ich mich entschlossen, allem von Grund auf sorgfältig nachzugehen, um es für dich, hochverehrter Theophilus, der Reihe nach aufzuschreiben. So kannst du dich von der Zuverlässigkeit der Lehre überzeugen, in der du unterwiesen wurdest.
Zunächst einmal wird deutlich, dass Lukas nicht der Erste ist, der ein Evangelium schreibt. Viele vor ihm haben es getan. Tatsächlich kennen wir mehr Evangelien als die vier kanonisch-biblischen. Lukas steht also in einem Strom der Tradition. Er fängt etwas Neues an, aber zugleich ist es nicht etwas radikal anderes – er hat Vorgänger und Vorbilder. Lukas stellt sich in die Tradition. Und er hebt sich zugleich von dieser Tradition ab, indem er „der Tradition ein eigenes Profil gibt“.
Das ist ein erster und entscheidender Gedanke: In der Geschichte der Kirche – in der Geschichte der Spiritualität – gibt es immer wieder „Gründungen“, echte Neuanfänge. Aber die Echtheit der Gründung zeigt sich nicht in dem ganz anderen bzw. im radikal Neuen, sondern indem ich mich einbinde in den lebendigen Strom der Tradition. Gründen heißt „der Tradition ein eigenes Profil geben“ und mit neuem Geist den Ursprungsgeist leben.
„Viele haben es unternommen“ – so sagt Lukas. Ganz wörtliche übersetzt heißt es: „viele haben es in die Hand genommen“. Das heißt weder, dass die anderen erfolglos waren, sodass Lukas es jetzt „richtig“ machen müsste. Noch heißt es, dass die anderen erfolgreich waren, sodass die neue Unternehmung des Lukas unnütze Ergänzung wäre. Gründungen im Fluss der Geschichte der Kirche dürfen sich nicht über das stellen, was schon an Leben da ist. Gründungen in der Geschichte der Kirche dürfen aber auch nicht abqualifiziert werden nach dem Motto, es war alles sowieso schon da!
Im Grunde gibt es so viele Evangelien wie Zeugen! Im Laufe der Kirche gibt es unzählige geschriebene und ungeschriebene Evangelien, von Einzelnen und von Gemeinschaften. Keines davon ist überflüssig. Keines davon hat alles. Jeder Zeuge des Evangeliums – wie Lukas auch – erzählt die Gestalt und Botschaft Jesu durch das eigene Leben, durch die eigene Biographie. Pater Kentenich weiß um diesen inneren Zusammenhang von Evangelium und Biographie.
In der Einleitung zu seinem Evangelium sagt dann Lukas auch: „Nun habe auch ich mich entschlossen, allem von Grund auf sorgfältig nachzugehen …“ In den anderen Evangelien ist es nicht üblich, dass der Verfasser über sich selbst spricht. Lukas hat keine Scheu davor. Er weiß, dass er selbst nicht außen vor bleiben kann, wenn er von Jesus spricht. Er versteckt sich nicht. Er gibt dem Evangelium ganz bewusst sein persönliches Gepräge. Doch zugleich ist dieses Evangelium keine subjektive Beliebigkeit. Schwestern und Brüder, gerade heute in unsrer Zeit braucht das Evangelium lebendige und glaubhafte Zeugen. Es braucht Menschen, die sich nicht verstecken und nicht hinter dem Berg halten mit dem, was sie mit Jesus erlebt haben.
Dabei geht es dem Zeugen nie um sich, sondern ihm geht es um das, was er erlebt hat. Deshalb ist es für Lukas auch so wichtig, nicht einfach nur seine Sicht der Dinge von Jesus zu erzählen. Sorgfältig fragt er nach den Ursprüngen. Woher kommt dieses Geheimnis Jesu? An Lukas kann man erkennen, wie notwendig es ist, dass Vorgabe, Maß und Tradition verknüpft sein müssen mit der eigenen biographischen Erfahrung. Es geht im Evangelium nicht einfach nur um fromme Gefühle. Es geht um Wahrheit, um Zuverlässigkeit und um Verantwortlichkeit. Lukas sagt: Wer ein Evangelium schreibt, muss sich „an die Überlieferung derer, die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes waren“ halten.
Auch hier spüren wir wieder:
Die Kraft des Evangeliums – auch die Kraft des Geistes einer geistlichen Bewegung – kann ich hier und heute nur dann erfahren, wenn ich immer wieder den Ursprung erfasse und gegenwärtig halte. Dazu gehört vor allem ein Schauen auf die Augenzeugen. Ich kann mich nur dann vom Ursprung in die Zukunft führen lassen, wenn ich mich orientiere an denen, die den Ursprung kennen. In allen Gründungen im Laufe der Kirchengeschichte erleben wir Ähnliches: das kreative Potential der Gründergestalt allein und isoliert für sich reicht nicht – die Augenzeugen um die Gründergestalt, die Gründergeneration hilft, den Ursprung zu erfassen und lebendig zu halten. Es braucht Sorgfalt und Mühe, sich immer wieder so mit dem Ursprung auseinanderzusetzen, um Orientierung für das Hier und Jetzt zu bekommen.
Wer nicht weiß, woher er kommt, weiß auch nicht, wohin er gehen soll! Wer zurück an den Ort des Ursprungs kommt, kann sich senden lassen – egal wohin!
Ein letzter Gedanke scheint mir wichtig: Lukas schrieb der Tradition nach nicht nur das Evangelium, sondern auch die Apostelgeschichte: Er schreibt über das Leben Jesu und er schreibt über den Beginn der Kirche. Jesus kann nicht verkündet und vermittelt werden ohne die Kirche. Das Wort, das durch Jesus ergangen ist, wirkt fort durch die Predigt der Kirche. Lukas will nicht nur zeigen, was das Leben ausmacht, sondern es kommt ihm darauf an, was das Geheimnis Jesu beim Menschen bewirkt und in Bewegung setzt. Am Ende seines Evangeliums steht die Himmelfahrt. Am Beginn der Zeit der Apostelgeschichte steht die Geistsendung von Pfingsten. Das, was die Jünger mit dem Leben Jesu persönlich erfahren und erlebt haben, gewissermaßen ihre Selbstheiligung, wird fruchtbar in der Sendung der Kirche. Unsere persönliche Selbstheiligung wird fruchtbar in der Sendung zum Apostolat. Der Glaube ist nicht zur Selbsterbauung da. Der Glaube genügt nie sich selbst. Glaube ist nie nur die persönliche, erbauliche Innerlichkeit – Glaube heißt immer auch Sendung und damit Fruchtbarkeit für den Glauben der anderen.
Nach innen und nach außen, Sammlung und Sendung, zurück zum Ursprung und vorwärts zum Apostolat. Das sind die notwendigen Armbewegungen eines jeden Christen.
Am Beginn des Evangeliums steht für Lukas Maria – in der Empfängnis des Wortes. Am Beginn der Apostelgeschichte steht Maria – betend in der Gemeinschaft der Jünger. Maria ist die zentrale Gestalt am Ursprung und im Apostolat. Am Beginn des Evangeliums wirkt für Lukas der Geist in der Verkündigung an Maria. Am Beginn der Apostelgeschichte ist es der Geist, der Maria und die Apostel in Bewegung zum Apostolat setzt. Wenn wir auf Maria schauen und um den Geist beten und bitten, dann werden wir zum Ursprung geführt, bleiben in der Gründung gehalten und finden den Weg zum Apostolat.
Ich habe zu Beginn von den mittelalterlichen Darstellungen des Lukas gesprochen, wie er statt mit Griffel und Buch mit Pinsel und Leinwand gezeigt wird, und statt zu schreiben malt: Er malt Jesus mit seiner Mutter. Auf der Schulter des Lukas sitzt der Heilige Geist, der ihn inspiriert, den Ursprüngen mit Jesus nachzugehen:
Vertrauen wir darauf, dass der Heilige Geist auch – im Bild gesprochen – auf unsrer Schulter sitzt und uns in der Gründung hält und zum Apostolat befähigt.
Spenden zur Unterstützung des Büros des Bewegungsleiters sind – auch gegen Spendenquittung – möglich auf folgende Konten: Schönstatt-Bewegung Deutschland –
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