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11. März 2016 | Delegiertentagung2016 | 

Großthema Bündniskultur und aktuelle Konkretisierung


Großthema Bündniskultur und aktuelle Konkretisierung

Pater Ludwig Güthlein, Bewegungsleiter Schönstatt

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12. März 2016

  • Film: Seed of a New World
  • Was heißt es, Saat zu sein?
  • Die Frage bei der Delegiertentagung 2015

Hinführung

  • Bündniskultur das Geschenk des Jubiläums als Erlebnis und als Wort
  • Die gemeinsame Zentrierung ist eine Schicksalsfrage Schönstatts ...
    ... genauso wie die Weite
  • Zentrierungen, die Pater Kentenich formuliert hat

Kultur

  • Endlich ein Wort, das so kompliziert und so weit ist wie Schönstatt
  • Eisberg: die unsichtbare Dimension von Kultur
    die Bedeutung der tieferen Schichten in der Lebenserfahrung Pater Kentenichs
  • Vielfalt ist unsere Kompetenz, aber es braucht ...
    Rückkopplung durch Pater Kentenich
    Rückkopplung als Spannung
    Rückkopplung als Wertschätzung
    „Ein komplexes Problemsystem braucht ein ebenso komplexes Antwortsystem“ (Ashby’s Law)

Bündnis

  • Der „ethisch-mythische Kern“ unserer Kultur (Paul Ricoeur)
    Freiheit, Authentizität, Persönlichkeit und
    Verbindlichkeit, Miteinander, Achtsamkeit, Gemeinschaft
  • U-Bahn der Megatrends: Kistensicherheit oder Pendelsicherheit

Bündniskultur

  • Struktur in der Vielfalt: Felder der Bündniskultur
  • Bündniskultur ist gesellschaftlich groß und alltäglich klein
  • Neue apostolische Freude
  • Schönstatt für die „Aktiven“

 

 

(Einleitend Film: Seed of a New World)

Hinführung

... Wenn man diesen Film anschaut, wird einem schon am Anfang eine Frage vorgelegt: Ein Schrei nach einer neuen Welt – was heißt es, die Saat zu sein?

Schon im Titel liegt eine ungeheure Spannung. Eine neue Welt ist das Ziel. Nicht weniger. Kleiner machen wir es nicht. Aber dann die Saat – ein wirklich kleiner Anfang, ein gewissermaßen unsichtbarer Anfang. Aber eben mit Potential.

Das Wort von der Bündniskultur, wie es entstanden ist, wie es gewachsen ist, ist für uns in den letzten Jahren mit dem Jubiläum und danach zu einer Beschreibung dieser Spannung geworden. Die Saat, die eine große Dimension in sich trägt. Bei der letzten Delegiertentagung hat Pater Penners das zusammengefasst in einer Frage an die Delegierten:

„Jetzt die Frage an Sie als Delegierte: Sie kommt von der Zentrale mit der Bitte, dazu Stellung zu nehmen. Sie lautet: Zielen wir einen längeren Zeitraum an, uns tragen lassend von der Gnade des Jubiläums, in dem wir uns mit einer gewissen Konzentration befassen mit der Zielsetzung einer Kultur aus dem Liebesbündnis, der Frage einer Kultur des Bundes? – Dies aber nicht, indem wir grundsätzliche Fragen der Reihe nach durchgehen, sondern indem wir Antwort geben auf zentrale Herausforderungen der Gegenwart, etwa durch die Flüchtlingsproblematik, den Islam und das Zusammenleben von Christen und Muslimen, oder aber auch wirtschaftlich-politisch aktuelle Fragen. Ganz sicher hat Bündniskultur etwas mit dem zu tun, was wir im Oktober 2013 getan haben, indem wir das ‚Liebesbündnis für die Menschen in unserem Land‘ schlossen.“

Die Frage: Ist das das Wort, das uns geschenkt worden ist, mit dem wir in die nächste Zukunft gehen wollen?

Eine Aufgabe, die mir gestellt wurde – neben der Sammlung von allen möglichen Themen, die doch irgendwie mit zu beachten wären –, ist es, diese Frage, dieses Thema, diese Ausrichtung noch einmal leuchten zu lassen, anzureichern, verständlich zu machen und ihre Kraft und Bedeutung aufscheinen zu lassen.

Ich mache vier Schritte: eine Hinführung, dann etwas zum Wort „Kultur“, zum Wort „Bündnis“ und zu „Bündniskultur“.

In dem Text von Pater Penners ist es als Frage an die Delegierten formuliert. Das bleibt auch für diese Delegiertentagung so als Frage an uns alle. Dazu kommt, wie es weitergewachsen ist im vergangenen Jahr.

Ich habe geschrieben auf dem Blatt:

Bündniskultur das Geschenk des Jubiläums als Erlebnis und als Wort

Beim Vorbereitungstreffen 2009 hat man lange gerungen als wirklich breite, internationale Versammlung: Was feiern wir eigentlich? Was ist der Kern unserer Feier des Jubiläums? Dann hat man gesagt: Wir feiern das Liebesbündnis. Das klingt vielleicht selbstverständlich, zu selbstverständlich. Aber es ist noch mehr klar geworden: Das ist der Kernvorgang, aus dem das Ganze wächst. Und es hat sich die Perspektive eröffnet in dieser Vorbereitung und dann durch das Gebet, die Perspektive von den apostolischen Feldern, den Feldern der Bündniskultur.

Ich habe für mich das Wort zum ersten Mal wahrgenommen – vielleicht versuchen Sie sich zu erinnern, wie das bei Ihnen war – durch das Vorbereitungsgebet: „Gib Kraft zur Gestaltung einer Bündniskultur in dieser Welt“ (1 Wallfahrtsgebet 2014.). Und es ging mit mir, und es hat mir immer besser gefallen. In der Vorbereitung auf diese Delegiertentagung habe ich festgestellt, dass es auch im Leitbild, das nach dem Zukunftsforum entstanden ist, einen ganzen Abschnitt über Bündniskultur gibt. Ich weiß nicht, wo das Wort geboren ist, aber es hat mich noch einmal berührt – wie ich das gestern schon sagte –: Manchmal staunt man, wie Wässerchen zusammenfließen und dass auch in solchen Vorgängen, wo viele mitdenken und viele mitreden, so etwas wie ein roter Faden zu sehen ist. Ich persönlich bin überzeugt, aber fragen Sie Ihre eigene Überzeugung, dass uns mit der Feier in dieser Spannung von Kernvorgang Liebesbündnis und Weite der Bündniskultur, Felder der Bündniskultur ein Impuls durchs Jubiläum geschenkt worden ist, den wir nicht untergehen lassen dürfen, der ein Angebot ist, der uns in die Zukunft trägt, auch in dem Wort Bündniskultur, Kultur des Bündnisses.

Wenn wir das heute zum Thema machen: Was ist unsere gemeinsame Zentrierung im Blick auf das nächste Jahr, der Zentralwert? Ist Bündniskultur die große Ausrichtung, aber mit welcher besonderen Betonung, die dann zu einem Jahresmotto werden kann? Dann geht es nicht darum, wie mit einer Gruppe ein Zeltlager vorzubereiten ist. Da fragt man sich: Was ist das Thema, was liegt gerade in der Luft? Da ist es meine Gruppe, mein Zeltlager, wir haben einen Raum, in dem das entsteht. Wir alle kommen aus solchen Räumen. Jeder hat seinen Lebensraum, in dem ein Motiv, ein Wert, ein Zentralwert lebendig ist. Bei der Delegiertentagung aber wollen wir darüber nachdenken, was ist der gemeinsame Wert? Wir haben als Delegierte eine echte Aufgabe. Und das muss man bei sich mal betrachten: Wie ist das für das Ganze, die Stimme Gottes herauszuhören, wo er uns hinführen will. Die gemeinsame Zentrierung ist für Schönstatt eine Schicksalsfrage.

Ich habe ein Zitat unseres Vaters, das wir zusammen lesen, wo diese Schicksalsfrage thematisiert wird:

„Kurz: Alle Typen dürfen in Schönstatt ihr Heimatrecht anmelden, dürfen dort befruchten und sich befruchten lassen. Bislang haben sie beides reichlich besorgt. Es muss auch künftig so bleiben. Das verlangt die Spannweite Schönstatts, die es mit der Kirche schlechthin teilt, wie es mit ihr und in ihr als Ziel das allseitige Apostolat gemeinsam hat: die Aktivierung, Mobilisierung und Organisierung aller apostolischen Arbeitskräfte, aller Arbeitsgebiete, aller Arbeitsmethoden und aller Arbeitsmittel. Solch endlose Weite ist nur gefahrlos möglich, weil in unserem System die Synthese aller bewährten geistigen Arten auf einer höheren Ebene eine eigenartige Neu-schöpfung darstellt, deren Originalität und Fülle nicht ohne Weiteres jedermann ersichtlich ist, und weil diese Neuschöpfung eine organische einseitige Konkretisierung erhalten hat durch das Schönstattgeheimnis, das den Universalismus vor der Gefahr des Nihilismus wirksam bewahrt.“(2 Epistola Perlonga Teil 1.)

Zum Thema Universalismus und Nihilismus gibt es viele Texte. Ohne eine ganz starke lebendige zentrierende Quelle kann man eine solche Spannweite, wie Schönstatt sie hat und haben will, nicht leben, kann sie nicht fruchtbar werden. Deswegen ist die Frage der Zentrierung im Liebesbündnis, im Schönstattgeheimnis, wie es in diesem Text heißt, in den Kontaktstellen – wir sind gewohnt, das so zu sagen – für unseren Vater immer auch eine Frage gewesen: Mit welchen Motiven inspiriert er das Ganze. Er hat mehrere, eine Epoche lang tragende gemeinsame Zielformulierungen gehabt. Das sehen wir auf der nächsten Folie:

  • Parallele Ingolstadt – Schönstatt
  • Nova Creatura in Jesu et Maria (Neue Schöpfung in Jesus und Maria)
  • Marianische Christusgestaltung der Welt
  • Aufbau des marianischen Vaterreiches

Ich weiß nicht, aus welchen Generationen sich Leute noch erinnern? – Also die Parallele Ingolstadt – Schönstatt, damit musste ich natürlich mein Heimatheiligtum hier einbringen.

  • Schon im Studienheim suchte man nach einer Formulierung, was wir wollen. Das ist so eine schwierige Mischung von ganz groß und gleichzeitig konkret, was wir sind und wollen, dass die Chiffre entstand „Parallele Ingolstadt – Schönstatt“. So wie die damals für die Erneuerung gelebt und gearbeitet haben, besonders radikal, so machen wir das heute. Was die damals wirklich gemacht haben? Ich weiß nicht, ob die Studenten das irgendwann mal näher angeschaut haben und wirklich wussten. Aber es hat sie motiviert. Es war ein bisschen geheimnisvoll, man weiß es nicht genau. Man muss dazugehören.
  • Dann dieses Wort von der neuen Schöpfung in der Zeit des Dritten Reiches.
  • Die Marianische Christusgestaltung der Welt. – Eine Zeit lang so ein Wort. Die ganzen Fragen der dreifachen Zielgestalt, der dreifachen Sendung, der dreifachen Gnade, sozusagen der Katechismus von allem, blieb unberührt und war selbstverständlich, aber es gibt so ein zusätzliches, tragendes Motiv. Übrigens bei den Generationen hat Pater Stefan von den Kirchenvätern gesprochen. – Pater Stefan, ich bin mal gespannt, wann bei uns die Zeit der Katechismen kommt.
  • Aufbau des marianischen Vaterreiches. – Da kann ich mich noch erinnern, wie in den Fürbitten bei Familientagungen für den Aufbau des marianischen Vaterreiches gebetet wurde. Eine wirklich große Kategorie, die da aufgefahren wurde. Nicht gerade Kleingeld, wie man das auch konkret macht. Aber es ist ein zusammenführendes Motiv, das man sagen kann. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht: Clemens Mann, der die Pressearbeit beim Jubiläum gemacht hat, hat immer wieder die Frage gestellt: Was will Schönstatt? Ich schreibe alles, was ich soll – aber was will Schönstatt, wer sagt mir denn, was ich, auf den Punkt gebracht, sagen kann? Und Sie kennen alle diese Frage: Was will Schönstatt? Und jedes Mal fühlt man sich, als ob man zum ersten Mal im Leben gefragt wird und dann noch nicht weiß, was man sagen soll. Und nicht nur: Versteht das der andere? Sondern durchaus, was meine ich selber, was meine ich auch für mich selber? Irgendwie wollen wir alle immer viel. Ich habe Pater Angel Strada schon angekündigt, dass ich eine Geschichte von ihm erzählen werde. Jetzt in der schriftlichen Fassung kann ich meine Darstellung dahingehend korrigieren, dass das Erlebnis sich nicht auf Pater Angel selbst bezieht, sondern auf einen Mitstudenten, von dem er uns als Rektor im Studentat in Münster einmal erzählt hat.

Also: Bei den Exerzitien der Studenten in Münster, die unser Vater 1967 gehalten hat, hatte jeder die Möglichkeit, ein Gespräch mit ihm zu führen – also im Blick auf das Impulsreferat von Pater Stefan zu den Generationen: Das war die erste Generation, direkter Kontakt zum Gründer – eine halbe Stunde persönliches Gespräch eine einmalige Gelegenheit. Und unser Vater hat den ganzen Tag Vorträge gehalten und Gespräche geführt und die halbe Nacht auch noch. Und er war müde. Und bei einem dieser Gespräche hat er sehr konzentriert zugehört, eine Zeit lang mit geschlossenen Augen zugehört. Dann hatte der Betreffende den Eindruck, jetzt ist er eingeschlafen, und machte eine Pause. Unser Vater: „Reden Sie ruhig weiter, ich höre zu.“ Dann noch mal der Eindruck, unser Vater ist eingeschlafen. Der Student hört auf zu reden, längere Stille. Pater Kentenich war wirklich eingeschlafen. Nach einer Weile schreckt er hoch und sagt: „Ite incendite mundo – clarifica te!“ (Geht hinaus, entzündet die Welt! – Verherrliche dich!). Das war das Grundthema seiner Vorträge.

Also wenn man mich aufweckt, dann weiß ich nicht, was dann kommt. Wenn wir uns alle vorstellen: Was kommt mir als Erstes in den Sinn, wenn ich aufwache, im Blick auf die Frage: Was will Schönstatt? Ich sage das, damit wir merken: Wohin kann es gehen, wenn wir so miteinander die Führung des Geistes finden wollen, auch unter dem Gesichtspunkt, wie formuliert sich aktuell das, was wir wollen. Gibt es da ein Wort, in dem wir Führung des Geistes erkennen? Heute ist der eigentlich spannende Tag unser Delegiertentagung. Wir haben geschrieben, wir wollen lernen, wie Delegiertentagung geht. Heute halten wir ein bisschen die Luft an. Wie geht das, dass wir gemeinsam diese zentrale Ausrichtung finden? – Aber jetzt weiter:

• Bündniskultur ein Geschenk durch das Jubiläum als Erlebnis. Die Feier des Bündnisses am Gnadenort und die internationale Weite, aber auch die Weitung hinein in die Felder der Bündniskultur. Das Jubiläum ohne diese fünf Zelte wäre nicht das gleiche Jubiläum, ganz bestimmt nicht. Da gibt es eine ganze wichtige, unglaubliche Führung – wir haben es erlebt, dass die Gottesmutter uns willkommen heißt. Ich habe von der Zusage gesprochen im Oktober, die wir jetzt im Rücken haben –, aber die Weite hinein in die Felder der Bündniskultur gehört genauso dazu. Und das Wort Bündniskultur, meine ich, trägt diese Spannung weiter.

Kultur

Das Wort Kultur ist ein interessantes Wort. Wer anfängt zu suchen – Kulturphilosophie –, merkt, dass es ein uferloses Thema ist. Es gibt alles. Ich habe mir als Überschrift geschrieben: Endlich haben wir ein Wort für Schönstatt, das genauso kompliziert ist wie Schönstatt, da weiß man auch nicht genau, was gemeint ist. Da ist alles gemeint und doch mit einer interessanten Identität. Man spürt den Unterschied von Kulturen sofort. Chesterton sagt mal im Blick auf Nationen: Es ist schwer zu beschreiben, wie der Duft von Blumen schwer zu beschreiben ist, aber man spürt sofort, dass sie verschieden sind. Aber wenn man dann anfängt, es genauer zu fassen, dann wird es kompliziert. Ich glaube, es gibt etwas ganz Wertvolles in einer so schwer formulierbaren und doch benannten Größe wie dem Wort Kultur.

In einer Lehrerfortbildung zum Thema Begegnung der Kulturen wurde ein Bild gebraucht, das Kultur als Phänomen mit einem Eisberg vergleicht. Der eine Teil des Eisbergs ist unter Wasser und der andere Teil des Eisberges ist oben. Es gibt die sichtbare Dimension der Kultur, aber es gibt noch viel mehr nicht so sichtbare Elemente einer Kultur, die aber diese von innen her bestimmen. Wenn wir an Frau Prof. Hoffmann denken, wie sie uns beschrieben hat, wie die Kultur im Sinne der Säkularität sich verändert hat, wenn wir die Frage stellen: Glauben Sie an Gott?, dann schauen wir oben auf den Eisberg und fragen: Ist da einer, der an Gott glaubt?, und haben die Veränderung unter dem Wasser noch gar nicht angefragt, geschweige denn realisiert, geschweige denn beantwortet.

Ich glaube, unser Vater wäre mit dem Referat gestern sehr froh gewesen, das uns Frau Prof. Hoffmann mit Selbstbewusstsein, mit Wissen und Können dargeboten hat. Ich glaube, so etwas hat ihm Freude gemacht, wenn er solche Menschen erlebt hat, aber auch, dass sie uns durch ihr Thema so deutlich gezeigt hat: Es gibt etwas darunter, was das eigentliche Thema ist. Und dieses Feld darunter, dafür ist er angetreten, das war seine Lebenserfahrung. Nach dem Konzil, wir haben es gestern gehört, hat er auch diesen Gesichtspunkt hervorgehoben. Er hat Schönstatt ungeheuer geholfen, dadurch, dass er sich eindeutig hinter das Konzil gestellt hat. Das hätten wir selber so deutlich, meine ich, nicht geschafft als Bewegung, wenn uns der Gründer das nicht so massiv gesagt hätte: Wir wollen den Geist des Konzils unterstützen, aber wir haben vieles schon in uns. Diese Dimension, was darunter sich abspielt und wie man diese Tiefenschicht erreicht, sowohl im Einzelnen wie in der kirchlichen oder gesellschaftlichen Kultur, das steht noch aus, und das ist die Aufgabe, um die es geht.

Säkulare Kultur haben wir zum Thema gemacht. Das war der Grund für dieses Referat. Und das, was uns alle beschäftigt und bedrängt, die Begegnung mit dem Islam, da begegnen sich unterschiedliche Kulturen, und es ist eine Frage, mit wie viel Kraft sich Kulturen begegnen. Das ist nicht eine Frage von Argumentation, sondern das ist die Frage – der Eisberg darunter –, was ist alles vital wirksam, was kann man in der Begegnung erleben? Bei dieser Lehrerfortbildung ist noch ein Bild dabei, wo zwei solche Eisberge zusammenstoßen, die sich über dem Wasser im sichtbaren Bereich noch gar nicht berühren und unter dem Wasser doch schon zusammenstoßen. Das ist das Interessante bei der Begegnung von Kulturen.

Ich hätte großes Interesse, einen kurzen kleinen Exkurs zu machen zum Islam, was uns Dr. Güzelmansur gesagt hat, und wo diese Spannungen entstehen.

Es gibt ein sehr interessantes Interview mit dem Verfassungsrichter Kirchhof, wo es um die Frage der Kruzifixe in den Schulen geht und wie das Urteil damals ausgefallen ist. (3 www.br.de/fernsehen/ard-alpha/sendungen/alpha-forum/paul-kirchhof-gespraech102.html)

Ich will es jetzt nicht vorlesen, aber man hat ja manchmal Erkenntnisse; bei diesem Interview ging es mir so. Es gab damals viele Diskussionen, wie das etwa in Frankreich ist mit der Betonung der Laizität. Oder in der Europäischen Union: Wie ist das mit dem neutralen Staat? Wir haben in Deutschland eine sehr interessante Art, dieses Thema bisher anzupacken als Gesellschaft und als Staat. Prof. Kirchhof sagt kurz so: Wenn wir wollen, dass es Religionsfreiheit gibt, und das ist ein Thema für alle, dann müssen wir allen helfen zu verstehen, was Religion ist. Wir dürfen das Thema nicht ausklammern. Wir machen alles Mögliche, wir sagen überall, wir sollen Goethe lesen in der Schule, wir sollen Brecht lesen, das ist eine ganze Menge im Sinne von Beeinflussung, und beim Thema Religion hat man plötzlich das Gefühl, darüber muss man schweigen, wenn man Religionsfreiheit will. Das ist falsch. Wir müssen hinführen zur Religion, damit man sich in Freiheit entscheiden kann dafür oder dagegen oder wofür. Vor allem, dass man lernt, eine Achtung vor der Religiosität der Menschen zu haben. Die Ausklammerung aus dem säkularen Staat ist keine Freiheit, sondern Verhinderung von Freiheit, von Religionsfreiheit. Darüber muss man ein bisschen nachdenken. Ich glaube, diese Fragen werden uns sehr beschäftigen, was das heißt.

Ich möchte noch einen Vergleich anführen, den Prof. Kirchhof macht: Wenn ich Musik lernen möchte, dann lege ich vor ein Kind nicht alle Instrumente hin, die es gibt, sondern man fängt irgendwann mal an mit Flötenspielen zum Beispiel. Man hat einen Zugang zur Musik, man lernt dazu, man spürt, das ist mir sehr wichtig. Und dann lernt man irgendwann Klavier oder Geige oder was immer. Aber das Thema Musik vorzuenthalten, das würde einen Bereich unserer Kultur dem Menschen vorenthalten, das ihn unfähig macht für ganz wichtige Aspekte unserer Kultur.

Das war ein kurzer Exkurs, aber ich glaube, wir spüren, dass er eng zusammenhängt mit dem Thema Kultur. In der Begegnung mit dem Islam, mit der christlich geprägten Kultur, mit Freiheit, Religionsfreiheit, Menschenwürde und Grundrechten im Sinne unserer Verfassung geht es um grundlegende Werte, die im Rahmen dieser christlichen Kultur entstanden sind. Durchaus mit Spannungen, das will ich hier mal übergehen, wie auch Gegenströmungen wirksam waren. Es ist einerseits entstanden im Erbe des christlichen Menschenbildes, aber auch mit eigenständigen Wurzeln.

Aber der Staat selber kann diese Grundlage nur schwer selber hervorbringen. Er braucht dabei gesellschaftliche Kräfte, er braucht Menschen, die den unteren Teil des Eisberges in sich haben.

Kultur und die Schönstatt-Bewegung

Ich habe gesagt: Ähnlich kompliziert wie wir es sind, ist es, sich mit dem Thema Kultur auseinanderzusetzen. Vielfalt ist ein Kennzeichen von Kultur. Die Gesamtheit vieler Aspekte gehört dazu. Und genauso ist für uns ein ganz wichtiges Kennzeichen als Schönstatt-Bewegung die Vielfalt. Eine Fülle von Originalität, eine Fülle von strukturellen Unterscheidungen, Liga, Bund und Verband, jeder hat seinen Raum. Vielmehr Unterscheidungen, als die Größe unserer Bewegung zu verkraften scheint. Aber besonders hat mich einmal beeindruckt, wie ich das von Dachau aufgenommen habe: Es gab Ligagruppen für Priester und Bundesgruppen. Ich dachte, Herr Pater, Dachau, lass uns das hier überleben, machen wir Gruppen einfach alle zusammen. Wozu jetzt Liga und Bund? Nein, nicht alles ist für jeden. Vielleicht waren es auch die konkreten Leute, die verschiedene Gruppen brauchten, das könnte auch sein.

Aber diese Differenziertheit gehört zu uns als Schönstatt, weil wir eine Antwort geben wollen auf das Ganze der sehr komplexen Kultur. Ich habe hier einen Satz, das sogenannte Ashby’s Law, hingeschrieben:

„Ein komplexes Problemsystem braucht ein ebenso komplexes Antwortsystem.“ Das ist aus der Kybernetik und besagt, dass ein Steuerungssystem so komplex sein muss wie das Problemsystem. Wenn wir Antwort geben wollen auf unsere Zeit in dem Sinne, wie unser Vater sich das vorstellt, dann brauchen wir diese Komplexheit, die uns so viel zu schaffen macht. Denn wir müssen Komplexheit lernen, wir müssen Umgang mit Vielfalt lernen, um in der heutigen Zeit zurechtzukommen. Und das hat er in Schönstatt in einer Weise durchgeführt in einem Gespür für die gottgewollten Originalitäten, dass man nur staunen kann, dass er das so hingekriegt hat und dass wir jetzt die Frage haben, wie wir das hinkriegen. Denn diese Vielfalt ist nur dann eine Antwort – und das ist ein wichtiger Punkt –, wenn sie in einem dynamischen Bezug zueinander steht. Allein dass es vieles gibt, ist noch nicht die Antwort. Das ist ein Nebeneinander von vielem. Es wird dann zu einer Antwort, zu einer Lösung, wenn Rückkoppelungen passieren, wenn der eine auf den anderen wirkt. Wenn wir leben nach dem Motto: Uns geht’s gut, solange uns die anderen nicht auf die Nerven gehen, und wir machen unsere Sache, machen wir nicht Schönstatt. Natürlich macht auch jeder für sich Schönstatt. In unserer Zeit machen wir dann aber etwas Wichtiges nicht. Und das ist der interessante Punkt, ob wir das lernen. Diesen Vorgang Rückkoppelung hat in kreativer Weise, sodass es kreativ geworden ist, unser Vater gemacht. Er hat diese zentrierenden Formulierungen gebracht, hat gehört und geschaut, hat gespürt, hat zusammengeführt, hat erzählt, was bei den einen los ist und was bei den anderen geschieht. Er hat diese Vorgänge zustande gebracht. Wie bringen wir diese zustande? Wir kennen das Wort vom Spannungsprinzip. Ich glaube, es bräuchte dafür eine Ergänzung. Es geht nicht nur um Spannung. Das ist natürlich ein ganz wichtiger Punkt. Denn sobald es Verschiedenheiten gibt, sobald es Vielfalt gibt, gibt es ein Moment von Spannungen, notwendige Spannungen für Kreativität. Ich glaube, und wir freuen uns schon auf die schriftliche Fassung von Pater Stefan im Heft, das herauskommen wird – kurze Zwischenbemerkung, habe ich vergessen: Man kann dieses Buch (das Buch von der letzten Delegiertentagung und den Oktober-Tagen) zum Vorzugspreis von 12 Euro an der Rezeption kaufen als Teilnehmer der Delegiertentagung – so viel wie man will. Und wenn man das tut, dann ist man ein Freund des Bewegungsleiters. Diese Formulierung ist keine Erfindung von mir. Pater Guillermo Carmona hat in Argentinien einen e. V. gegründet: Freunde des Bewegungsleiters. – Wie heißt unser Verein: Schönstatt-Bewegung Deutschland e. V. – Es klingt doch viel besser: Freunde des Bewegungsleiters. Da hat jeder Lust, diesen e. V. zu unterstützen. Das nächste Freundschaftsangebot wird kommen!

Ich glaube, es gibt eine spannungsvolle Rückkoppelung, die ist notwendig, aber es gibt auch und immer mehr die Notwendigkeit einer Rückkoppelung durch Wertschätzung.

Wenn wir uns an den Pfeil erinnern und an das, was Pater Stefan über die kritische Masse gesagt hat, das ist ein ernstes Thema. Es wird nicht einfach ein starkes Gebilde sich durchsetzen gegen die Vorgängergeneration. In der Situation sind wir auch gesellschaftlich nicht mehr so ohne Weiteres. Die Frage ist, ob dieser von Wertschätzung getragene Pfeil zusammen wirkt, zusammen erlebt wird. Da haben wir eine richtig spannende Aufgabe.

Wenn man solche Großkategorien hat, wie mit dem Begriff Kultur eine angesprochen ist, was ist dann? Hat man da Antworten für das tägliche Leben? Dazu ein Bild: Wenn ein Schiff im Sturm ist, und alle sind am Rotieren, wie sie das bewältigen, und es ist auch noch dunkel, dann nützt ihnen der Leuchtturm am Ufer nichts in der Frage, wie sie mit ihrem Segel umgehen müssen. Die müssen eine ganze Menge wissen, dass sie in der Situation zurechtkommen, und müssen das lernen, die müssen sehr viel Kleinwissen, Fachwissen und Detailwissen für ihre Situation haben. Aber zu wissen, wo die Klippen sind, ist trotzdem sehr entscheidend, denn man kann perfekt zurechtkommen mit seinem Schiff und in der Dunkelheit und im Sturm genau in die falsche Richtung fahren. Wir müssen beides haben in der Bewegung, diese Orientierungsleuchttürme, gemeinsame Zentrierungen, aber dann natürlich auch die Vielfalt der ganz konkreten Lebensangebote, die uns helfen und hineindringen in das alltägliche Leben.

Unser Vater hat immer wieder in sehr großen Kategorien geredet. Das, was uns die Verbannungszeit geschenkt hat: ein neues Vater- und Kindesbild. Was ist da alles drin in dem neuen Vater- und Kindesbild? Das ist eine Großkategorie besonderer Art. Und alle, glaube ich, die sich wissenschaftlich damit beschäftigen, haben damit ihre Mühe. Und gleichzeitig ist es wie ein Leuchtturm. Es ist eine Orientierung, auch wenn es nicht leicht ist, das in allem auszudifferenzieren. – Also ich halte das Wort Kultur für ein sehr spannendes Wort. Es passt wunderbar zu uns.

Aber es geht um Bündniskultur. Die hat eine Prägung. Ich habe geschrieben: Bündnis ist der „ethisch-mytische Kern“ unserer Kultur (Paul Ricoeur). Pater Herbert King lächelt mich an. Er erinnert sich an das Propädeutikum, das er uns als Studenten gehalten hat. Pater Joaquín Alliende hat uns im Pastoralkurs mit dem ethisch-mythischen Kern, ich weiß nicht, wie viele Wochen, beschäftigt. Ein Wort von Paul Ricoeur, das Enrique Dussels, ein Philosoph, meine ich, in Lateinamerika – der die Kirchengeschichte, die Geschichte Lateinamerikas viel bearbeitet hat –, dann auch als Inspiration für die Befreiungstheologie eingebracht hat. Er hat das sehr aufgegriffen und gezeigt, dass man dieses Großgebilde Kultur trotzdem zentriert betrachten und wahrnehmen kann. Es gibt einen Kern von Ethik, von Werten und von Bildern, von Mythos, von Vorstellung.

(Beamer-Bild Deutsches Eck) Das nächste Bild, das kennen Sie alle: das Deutsche Eck in Koblenz. Nach der Wiedervereinigung haben Leute zu viel Geld gehabt und haben Folgendes geleistet. Man könnte sich auch etwas anderes vorstellen, was man mit Geld macht, aber der Kaiser Wilhelm wurde neu auf das Deutsche Eck gesetzt, ein Feldherr zu Pferde. In jeder europäischen Stadt stehen in der Mitte Denkmäler von irgendwelchen gewonnenen Schlachten und Kriegen und Feldherren auf dem Pferd. Ich rede plakativ, aber ich habe das oft schon so gesagt: Wenn wir uns vorstellen würden, in ganz Europa würde der heilige Martin auf dem Pferd sitzen und seinen Mantel teilen, wäre ein anderer ethisch-mythischer Kern sichtbar in jeder Stadt. Und in der heutigen Situation eine spannende andere Akzentuierung. Also es geht um so etwas, aus einem Kern heraus, der das Ganze prägt, die Kultur zu verstehen und zu gestalten.

Enrique Dussels hat im Kontext dieser Überlegungen der Befreiungstheologie die Frage, glaube ich, so behandelt: Ist das, was an Kulturzerstörung durch die Eroberer geschehen ist, durch die Begegnung der Kulturen, ist ethisch-mytischer Kern eine Kategorie, wie man das denken und damit umgehen kann? Vielleicht haben wir das Problem, dass das Thema Kultur so wie Kulturverein, Folklore, Trachtenverein wirken kann. Es ist klingt so traditionsbezogen – lange, lange Traditionen, das ist Kultur. Und er hat dieses Progressive, umgestaltende Motiv in dieses Thema vom ethisch-mythischen Kern der Kultur hineingebracht. Ein Kern, der erneuert, der verändert, der auf ein Ziel hin, auf eine gerechtere, bessere, dem Menschen angemessenere Kultur ausgerichtet ist. Und ich glaube, in dieser Perspektive benutzen wir Bündniskultur, dass das Bündnis etwas entwickelt, was verändernde Kraft hat. Bündnis hat das auf jeden Fall in sich.

Ich meine, das Wort Bündniskultur hat eigentlich drei zentrale Punkte, nämlich im Bündnis sind immer schon zwei. Das ist sehr interessant, dass ein Begegnungsmoment, ein Dialogmoment in diesem Wort einfach drin ist, und dann diese Weite, das Ganze – eben die Kultur – prägen wollen. Ein Kernvorgang Bündnis einerseits und das Weite prägen wollen andererseits. Man könnte sagen, es ist Dialogkultur, man könnte sagen, es ist Augenhöhekultur, man könnte sagen, es ist Treuekultur. In diesem Wort Bündnis stecken sehr viele Themen, sehr viele Aspekte, sehr viele Werte, und wir fragen uns nach dem Zentralwert. Es geht auf jeden Fall um den heutigen Menschen, den uns Frau Prof. Hoffmann beschrieben hat, der aus seiner eigenen Mitte in Authentizität sein Leben gestalten will und muss, der das in einer Herausforderung von vielen Optionen, von vielen Möglichkeiten tun muss. „Vom Herz geleitet“ – ich habe es schon mal zitiert und ergänze es jetzt mit dem Motto der Mädchenjugend: „weil es dich für etwas Großes gibt“. Aus der eigenen Mitte, aber für etwas. Ich glaube, in dem Wort Bündniskultur liegt als Kernvorgang die Freiheit der Entscheidung, aber auch: Verbindlichkeit, Kontinuität schaffen, Miteinander, Gemeinschaft. Man kann das fortsetzen.

Wenn Sie Ihr Blatt umdrehen, dann sehen Sie ein interessantes Bild: eine U-Bahn, so könnte man im ersten Moment meinen. Wenn man in München zu Hause ist, wie ich das in der letzten Zeit war, dann ist das auf den ersten Blick ein U-Bahn-Netz. Es handelt sich aber um die Megatrend-Map vom Zukunftsinstitut.4 Die Schrift ist sehr klein, man kann es kaum lesen, und das ist beabsichtigt von dem Institut, damit man sich diese Dinge kauft. Und sich einkaufen in deren Publikationen, da reden wir über mehrere hundert Euro, nur damit man diese Dinge lesen kann. Das hier kann man herunterladen, ohne dass es etwas kostet. Sie haben versucht, Entwicklungen, Trends der Gesellschaft – die nennen das Megatrends – Entwicklungen, Wertverschiebungen, die eine mittelfristige Dauer haben und meistens auch nicht so leicht zurückzudrehen sind, darzustellen. Jeder Trend ist nie eindeutig. Deswegen, wenn man das näher anschaut, könnte man sofort Gegenbeispiele erzählen. Das ist das Wesen von einem Trend in einer Kultur. Es gibt immer die Gegentrends. Also, es geht darum, zu begreifen, was sind langfristige, nicht rückgängig machbare Verschiebungen in einer Gesellschaft. (4 http://www.zukunftsinstitut.de/fileadmin/user_upload/Megatrend_Doku/Megatrend_ Map_480x340.png.)

Da gibt es oben das Stichwort: „Female Shift“. Das ist diese violette U-Bahn, die durch verschiedene Stationen geht. Eine Verschiebung zum Fraulichen in der Gesellschaft. Das wird sich nicht mehr ändern. Da wird es immer noch Änderungen geben, aber diese Verschiebung ist ein Megavorgang für unsere Gesellschaft.

Oder, das ist auch vielleicht interessant: die „Silver Society“. Das ist die Society, die Gesellschaft, die geprägt ist von Menschen mit silbernem Haar. Es ist wirklich eine deutsche Homepage, aber fast jedes Wort ist in Englisch. Und es gibt Bahnhöfe, wo viele der Linien durchgehen, zum Beispiel, wo vier oder fünf durchgehen: „Selfness“, Selbstsein. Viele Entwicklungen haben das – Authentizität haben wir im Hinterkopf, Persönliches Ideal, Resonanz im Eigenen –, das gehört als Schlüsselvorgang zu vielen Veränderungen.

Oder, Sie sehen es als Knotenpunkt vieler Linien: „Feedback-Gesellschaft“. Eine Gesellschaft, wo die Möglichkeit der Rückmeldung dazugehört als selbstverständliche Sache.

Wir wollen lernen, wie Delegiertentagung geht. Bahnhof-Feedback, Bahnhof, wo es um mitdenken, mitreden, mitmachen geht.

Wir könnten jetzt denken: viele wichtige Themen, also ein Programm für die nächsten 25 Jahre, einen Bahnhof nach dem anderen fahren wir an und versuchen Intelligentes und Hilfreiches dazu zu sagen. Und das müssen wir auch in unserer Tagung.

Aber es gibt eine noch wichtigere Antwort, die unser Vater gegeben hat, in seiner Art auf die neue Kultur zu reagieren. Ich habe es in der Gliederung so geschrieben: Geht es um Kistensicherheit oder Pendelsicherheit in so einer komplexen Kultur? Beides sind Worte unseres Gründers: Kistensicherheit und Pendelsicherheit. Er beschreibt das ungefähr so: Kistensicherheit heißt, ich habe ein Thema nach dem anderen geklärt und kann die Kisten aufeinanderbauen und dann stehe ich oben drauf und habe die Sache im Griff.

Ich habe für mich – das ist meines Wissens nicht Kentenich – das auch genannt: Ordnungssicherheit. Gegliedertes Denken, alles geordnet, ich habe Klarheit. Ich glaube, die Antwort unseres Vaters, und das ist nicht nur eine spirituelle Antwort, die hat ihren Kern im Spirituellen, aber es ist eine pädagogische Antwort auf diese komplexe Situation, die heißt Pendelsicherheit, heißt, in einem übergeordneten Punkt so verankert sein, dass es mich hin und her werfen kann und ich doch immer wieder in diese Mitte zurückkomme. Wenn wir das Wort vom Bindungsorganismus hören, dann geht es um diese Verankerungspunkte, die unser Vater uns gegeben hat in Schönstatt, wo wir meinen, das ist Antwort für die Kirche, einen Bindungsorganismus zu schaffen, Verankerungspunkte zu schaffen. Es geht um ideenmäßige Bindungen, aber besser noch Gedanken, die Werte in sich haben, Ideale. Es sind Dinge, lokale Gebundenheit, die Welt, die uns umgibt. Man kann sich fragen, wie Flüchtlinge sich erleben, wenn sie im dritten Heim untergebracht werden und sowieso kaum etwas als Eigentum haben. Was gibt Verankerung? Was gibt ein bisschen äußere Verankerung in einer Situation, wo die Werte, die man lebt, völlig anders sind, nichts mehr so ist wie vorher?

Also, ohne die einzelnen Themen und Megatrends jetzt lesen zu können; wenn wir diese Situation beantworten wollen, dann brauchen wir sozusagen in diesem Netz noch einmal neue Bahnhöfe, durch die möglichst viele Bahnen hindurchfahren. Und das ist unsere Arbeit, eigentlich immer wieder das Gleiche zu sagen, möglichst so, dass man es nicht merkt, dass es immer neu ist und immer wieder die Verankerung vertieft, aber auch öffnet auf die Vielfalt der Themen.

Das letzte Stichwort: Bündniskultur

Ja, Verankerung ist so ein Stichwort. Wie das im Statement von Pater Boll gestern Abend kam, was unser Vater über die Verankerung in der Gottesmutter gesagt hat: Sie wird eine Lösung finden. Ich habe das 100 Mal erlebt. Ich weiß nicht, wann und wie, aber sie wird eine Lösung finden. Und sogar Pater Boll hat es nach 10 oder 15 Minuten ständiger Wiederholung angefangen zu glauben. Unser Gründer konnte etwas von Verankerung ausstrahlen und weitergeben. Und er hat sich das in seiner Jugend hart erkämpft. Die Krise seiner Studienzeit war ein – das ist die Dimension unter dem Eisberg – Skeptizismus in allem Möglichen: Kann man überhaupt Sicherheit haben? Und die Seele wurde, so sagt er selbst, „einigermaßen im Gleichgewicht gehalten“ von einer innigen Marienliebe. Das hat ihn zu der Erkenntnis gebracht, sozusagen: Ob es Gott gibt, weiß man nicht, kann man nicht völlig begründen, aber die Gottesmutter gibt es schon. So war sein inneres Erleben. Das ist nicht sehr logisch, und das war ihm auch klar. Aber das ist die Dimension, um die es geht. Wenn wir es schaffen, diese Art von umfassender Verankerung zu finden, zu unterstützen, als wirkliche Resonanz – man kann das nicht hineindrücken, es muss in Freiheit wachsen –, dann haben wir die Antwort gegeben, die für heute entscheidend ist.

Also wenn wir glauben können, wenn wir überzeugt sind, und ich meine, es spricht einiges dafür, inzwischen auch, wenn man das Leben der vergangenen zwei Jahre auf sich wirken lässt, dass dieses Potential in diesem Wort, in diesem Motiv von der Bündniskultur drinsteckt und dass wir damit umgehen können. Dann haben wir, meine ich, eine gute Schiene, eine gute Perspektive, wie wir in die Zukunft gehen können.

Interessant ist, dass in „Bündnis“-Kultur eine öffnende Dimension liegt. Man sagt im Blick auf Kulturen, sie haben nach innen eine integrative Funktion: sie integrieren – „wir gehören dazu“, „wir sind wir“ –, aber nach außen eine ausgrenzende Wirkung: Das sind die anderen. Eine ganz untergründig gefühlte Integration und Ausgrenzung. Und wir nennen unsere Kultur Bündniskultur und sagen damit: Zu unserem Wesen als Kultur gehört das Interesse über uns hinaus, gehört es, Bündnisse, Bündnispartner zu suchen, etwas, wo wir nicht bei uns bleiben. Das fängt im Kleinen an, das fängt im Spirituellen an, aber es hat die Dimension über uns hinaus. Ich finde das unglaublich spannend, dass wir einen Vorgang haben, das Eigene zu entwickeln mit einer Pluralität nach innen und gleichzeitig im Dialog stehen wollen mit anderen, für andere da sein wollen, Interesse haben über uns hinaus.

Noch ein Aspekt, den ich für sehr wertvoll halte, ist, dass es mit den Feldern der Bündniskultur eine Strukturierung gibt in der Vielfalt.

Ich weiß nicht, wie das auf Sie wirkt. Sie kennen diese Logos von den Zelten. Ich weiß nicht, wie die eine oder andere Gliederung denkt. Bin ich da so richtig dabei? Bei der Kirche sind wir schon irgendwie dabei, bei der Gesellschaft auch. Familie und Jugend ist eigens genannt. Es ist interessant, was passiert, wenn man in der Fülle wenigstens so eine Klarheit hat. Es ist niemand der Meinung, es ist immer alles gesagt. Aber ein strukturiertes Bild, das die Fülle umgänglich macht, ist sehr wertvoll.

Ich staune, dass die Mannesjugend immer noch die Säulen lebendig hat – ich erlebe das immer wieder. Das ist sehr erstaunlich für eine Jugendgemeinschaft. Natürlich gibt es ein Auf und Ab. Aber es hilft, ungefähr klar zu haben: Das sind wir und wollen wir. Fünf kann man sich noch merken. Wir haben im Anschluss an die Säulen der Mannesjugend eine Tagung gehabt mit unseren indischen Studenten über unser Priesterbild. Und, motiviert von der Mannesjugend, habe ich mit denen die fünf Säulen unseres Priesterbildes erarbeitet. Ich fand das ganz gut, was wir gemacht haben. Inzwischen sind sie Patres, und immer wieder, wenn ich einen treffe, frage ich ihn nach den fünf Säulen des Priestertums. Ich glaube, ich bin der Einzige, der die noch weiß. Es hat seinen Sinn, in der Fülle eine gewisse Struktur zu haben.

Bündniskultur, meine ich, ist etwas gesellschaftlich Großes. Ich habe es vielfältig beschrieben. Aber es ist auch etwas Alltägliches, Kleines, es findet ganz konkret statt. Und wir können fast alles, was wir tun, sehr leicht als Beitrag zur Bündniskultur übersetzen. Alltagskultur, wo Bündnisse, Begegnungen eine Rolle spielen. Dass wir für Ehe und Familie arbeiten: Das ist Kernvorgang Bündniskultur. Wenn ein Vater von der Arbeit nach Hause kommt oder eine Mutter und dann die ersten 10 oder 20 Minuten sich Zeit nimmt und für die Familie investiert, denn die gehören der Familie, und erst dann bin ich k. o. und kann vor dem Fernseher sitzen, dann sind das 20 Minuten Investition in Bündniskultur. Das hat sehr konkrete Auswirkungen, wenn man sagt: Ja, ich wache auf, und das Erste, was ich denke, ist Bündniskultur. – Mal schauen!

Wenn die großen Themen so konkret Leben werden und angewendet werden können, ich glaube, das gibt uns eine große neue, apostolische Freude. Man kann sich darüber streiten, ob das Wort neu richtig ist. Ich habe für mich gemerkt, es ist wichtig für mich. Ich muss immer wieder neu die Freude am Apostolischen, am Weitergeben-Wollen, erleben dürfen. Und dazu wollte ich Ihnen einen entspannenden kleinen Clip zeigen. Es ist eine Sprache, die wir nicht verstehen, aber mit Untertitel auf Englisch und Deutsch. – Aber man versteht allein durch die Handlung, worum es geht.

(Video-Clip: „Unsung Hero – Thai Life Insurance“( 5 https://www.youtube.com/watch?v=uaWA2GbcnJU))

Ein Werbespot einer Lebensversicherung kann uns motivieren. Das Bewusstsein haben, im Kleinen arbeite ich an etwas Großem. Wenn wir nicht immer wieder neu diese Freude entwickeln, dann schaffen wir unser Schönstatt ab. Ich glaube, die Größe Schönstatts hängt damit zusammen, dass bis ins Gnadenkapital hinein, wo man sozusagen fast selber nichts mehr tun kann, mein Beitrag, klein oder groß, fruchtbar wird, wirksam wird für eine vom Liebesbündnis geprägte Kultur.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Spenden zur Unterstützung des Büros des Bewegungsleiters sind – auch gegen Spendenquittung – möglich auf folgendes Konto: Schönstatt-Bewegung Deutschland – Bank im Bistum Essen – IBAN DE 07 3606 0295 0029 6200 24 – BIC GENODED1BBE

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