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26. November 2016 | Impuls aus Schönstatt | 

Dem Leben trauen - Zur Kritik an Amoris Laetitia


Impuls aus Schönstatt (Foto: Brehm)

Verfolgt man dieser Tage die kritische Bewertung des Nachsynodalen Apostolischen Schreibens "Amoris laetitia" durch einen öffentlich bekannt gemachten „Zweifel“-Brief von vier Kardinälen an den Heiligen Vater Papst Franziskus, so kann man sich nur die Augen reiben. „Amoris laetitia“ habe zu divergierenden und im Gegensatz zueinander stehenden Interpretationen sowie zu Ungewissheit, Verwirrung und Verunsicherung geführt. Die Kardinäle Brandmüller, Burke, Caffarra und Meisner fordern deshalb den Papst als „obersten Lehrer des Glaubens“ auf, „Ungewissheiten zu beseitigen und Klarheit zu schaffen“. Schon der Vorgang an sich ist äußerst bemerkenswert. Ausgerechnet Würdenträger, die zeitlebens Loyalität gegenüber dem Papstamt eingefordert haben, greifen zum populistischen Mittel des offenen Briefes, um die Positionen des amtierenden Heiligen Vater bezüglich einiger Fragen von Ehe und Familie in Frage zu stellen.

Papst Franziskus sieht sich gezwungen, in einem Interview mit Stefania Falasca für „Avvenire“, die Zeitung der italienischen Bischofskonferenz (Ausgabe vom 18. November 2016), den Vorwurf zurück zu weisen, im Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen nicht klar genug zu sein. Mit dem Hinweis auf gewisse Entgegnungen zu ‘Amoris laetitia’ formuliert der Papst: „Einige verstehen immer noch nicht, entweder weiß oder schwarz, auch wenn es doch im Fluss des Lebens selbst ist, dass man unterscheiden muss!“ Im Jahr der Barmherzigkeit, das Franziskus als konsequente Fortsetzung des Weges der Kirche seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil beschreibt, sei besonders deutlich geworden, dass die Kirche mit dem Konzil begonnen habe, „von einem gewissen Legalismus, der auch ideologisch sein kann“ wegzukommen und „Gott als Person“ und seine Barmherzigkeit, die sich in der Menschwerdung des Sohnes zeige, neu ins Zentrum zu stellen.

Dass die Anfrage der Kardinäle an den Papst sich des Stilmittels der „Dubia“ (lateinisch: „Zweifel“) bedient, also so formulierte Fragen stellt, dass als Antwort eigentlich nur ein „Ja“ oder „Nein“ erwartet wird, macht die Unterschiede in der Herangehensweise an die Problematik einmal mehr deutlich.

  • „Amoris laetitia“ atmet den Geist eines Seelsorgers, der die Menschen kennt, der um die Sehnsucht der Menschen nach Einheit und Verlässlichkeit weiß, der sich des Weg- und Prozesscharakters der Ehe bewusst ist, der dem Leben traut und dem es darum geht, Ehe und Familie in allen Situationen zu fördern.
  • Leitschnur für Papst Franziskus ist eine Option für das Leben, von dem er weiß, dass es bunt, vielfältig aber nicht beliebig ist. Dem steht eine Option für das Gesetz gegenüber, die nach klaren Regeln ruft, eher schwarz-weiß malend erscheint, Standfestigkeit suggeriert, aber auch Intoleranz ausstrahlt.
  • „Amoris Laetitia“, orientiert am „Fluss des Lebens“, folgt einer barmherzigen Grundeinstellung und schafft den Perspektivwechsel hin zur Unterscheidung. Das Apostolische Schreiben hält einerseits am Eheideal und der Wichtigkeit allgemeiner Normen fest und betont gleichzeitig, dass diese in ihren Formulierungen unmöglich alle Sondersituationen umfassen können [AL 304]. Dort, wo es Probleme im Einzelfall gibt, sollen diese im Gespräch mit den Betroffenen gelöst werden.
  • Konsequent und herausfordernd zugleich ist in diesem Zusammenhang der Hinweis des Apostolischen Schreibens, „dass nicht alle doktrinellen, moralischen oder pastoralen Diskussionen durch ein lehramtliches Eingreifen entschieden werden müssen“ [AL 3]. Bei aller Sorge um die Einheit der Lehre und der Praxis, die notwendig sei, könnten einzelne Länder und Regionen zu verschiedenen Fragen besser inkulturierte Lösungen finden, vor allem solche, die die zum Teil sehr verschiedenen örtlichen Traditionen und Herausforderungen berücksichtigen.
  • Bei allem Wohlwollen für das Anliegen der Verfasser, sich um die Einheit in der Glaubenslehre zu sorgen, hinterlassen die „Dubia“ doch den Eindruck, dass es ihnen ums Gesetz und nicht um das Leben und um Beziehung geht. Müsste der Heilige Vater im Sinne einer Ideal-„Pädagogik“ nicht viel mehr Unterstützung erfahren in seinem Bemühen, die Ehe als einen Weg und einen Prozess zu begreifen, der in immer größeren Wachstumsringen auf das Ideal zuführt, der aber auch die Möglichkeit und die Realität des Scheiterns nicht ausschließt? Wenn „die Barmherzigkeit die stärkste Botschaft des Herrn“ ist, wie es Papst Franziskus einmal zum Ausdruck brachte, dann müssen auch für Menschen, die auf dem Weg der Ehe gescheitert sind, Schritte auf die volle Gemeinschaft in die Gemeinde hinein möglich sein. Dabei geht es nicht darum, das Ideal der lebenslangen und einen Ehe zu verwässern, sondern den Menschen einen Weg mit der Gemeinde zu ermöglichen, auf dem sie sich nicht wie Christen zweiter Klasse erleben. Und es geht darum, dem Leben zu trauen und darauf zu bauen, dass ER, Christus, hinzukommt und mitgeht!

Redaktion Impuls
Heinrich Brehm

Leserbeiträge

Peter Speth, Klingenberg (Main), am 29. Dezember 2016 um 16:40

Ich erinnere an einen wichtigen Grundsatz Schönstatts: "Autoritär im Prinzip, demokratisch in der Anwendung".
Oder ein Wort von Erzbischof Zollitsch: "Wir sollten uns nicht scheuen, unsere Ideale offen zu verkünden, aber im Bewußtsein, dass die Latte für manche zu hoch ist."

Harald Braun, Kastellaun, am 7. Dezember 2016 um 09:36

"Wer nur schwarz oder weiß kennt, hat die Farben des Lebens noch nicht entdeckt."
Danke für den trefflichen Kommentar. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen..

Elke Grün, Schwalbach, am 3. Dezember 2016 um 08:40

Vielen Dank für die Ausführungen. Wer sind wir, andere zu verurteilen, Not nicht sehen zu wollen und auch noch diejenigen vor den Kopf zu stoßen, die an der kirchlichen Gesetzeslage leiden?
Viele Tausende habe dieser Kirche -wenn es um richtig und falsch im Sinne von "Schwarz und Weiß" geht längst den Rücken gekehrt.
Das Jahr der Barmherzigkeit ist kaum vorüber, da wird schon wieder aufeinander eingeschlagen ...

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