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12. März 2016 | Delegiertentagung | 

Wahrnehmen von Zeichen der Zeit


Das Moderatoren-Ehepaar Etzold dankt Frau Prof. Dr. Hoffmann für ihren Beitrag  (Foto: Brehm)

Das Moderatoren-Ehepaar Etzold dankt Frau Prof. Dr. Hoffmann für ihren Beitrag  (Foto: Brehm)

CBre. Der Nachmittag des ersten Tages der Delegiertentagung der Schönstatt-Bewegung Deutschland stand ganz im Zeichen der Wahrnehmung von Zeitenstimmen. Prof. Dr. Veronika Hoffmann, Universität Siegen sprach zum Thema: „Zu den veränderten Bedingungen von (Un-)Glauben –Beobachtungen und Perspektiven“. Dr. Timo Aytac Güzelmansur, Geschäftsführer von CIBEDO, christlich-islamische Begegnungs- und Dokumentationsstelle der Deutschen Bischofskonferenz, Frankfurt, widmete sich dem Thema „Mehr als Theologie: Christen, Muslime und Zivilgesellschaft – eine Begegnung von Kulturen“.

Prof. Dr. Veronika Hoffmann, Universität Siegen (Foto: Brehm)

Prof. Dr. Veronika Hoffmann, Universität Siegen (Foto: Brehm)

„Zu den veränderten Bedingungen von (Un-)Glauben –Beobachtungen und Perspektiven“

In ihrem Vortrag zum Thema „Zu den veränderten Bedingungen von (Un-)Glauben –Beobachtungen und Perspektiven“ ging Frau Professor Dr. Veronika Hoffmann von der Universität Siegen – ehemals Mitglied in der Schönstatt-Mädchenjugend – auf die Vielzahl der Interviews und Befragungen „Glauben Sie an Gott?“ ein.

Diese Frage, deren Antworten immer lauten würden, dass immer weniger Menschen an Gott glauben und einen deshalb depressiv („was machen wir falsch?“) oder aggressiv („Die anderen erkennen nicht, was wahr und gut ist.“) machen würde, sei irreführend und greife zu kurz. Es gehe nicht einfach um „mehr“ oder „weniger“, um „noch“ oder „nicht mehr“ glauben. Die Veränderungen lägen tiefer, da die Bedingungen für alle Formen von Glauben oder Nichtglauben sich geändert hätten.

In Anlehnung an Charles Taylors Buch „Ein säkulares Zeitalter“ stellte sie das Moment der „Säkularität“ heraus. Während zur Zeit Jesu der Glaube an Gott und Göttliches selbstverständlich, die Natur und gesellschaftliche Ordnung zutiefst vom Wirken transzendenter, göttlicher Kräfte geprägt war, wandelte sich die Gesellschaft, in der es so gut wie unmöglich war, nicht an Gott zu glauben in eine Gesellschaft, in der Glaube eine Möglichkeit unter anderen ist.

Ihre zweite Beobachtung: in der heutigen Zeit spiele das Moment der „Authentizität“ eine große Rolle. Jeder Mensch habe seine eigene, originelle Weise des Menschseins. Jeder gebe der Welt eine Deutung, nicht die einzig mögliche, aber engstens mit der eigenen Identität verknüpft. Die eigene Religiosität müsse eine persönliche Resonanz im Menschen hervorrufen auf ein Ideal hin, das größer sei als er selbst.

Hoffmann ist überzeugt, eine Aussagen wie „Immer weniger Menschen glauben an Gott“ verkläre die „gute, alte Zeit“ selbstverständlichen Christseins und lasse außer Acht, dass in heutiger Zeit der Zweifel als Zeitgenosse mit dabei sein darf, ohne dass man Angst haben müsse. Heut sei Christsein weitaus anspruchsvoller, da eigene religiöse Praxis, Reflexion und Erfahrung gefordert seien, um die persönliche Resonanz zu spüren.

Christsein könne unmöglich in Einheitsgröße daher kommen, es müsse plurale Formen der Zugehörigkeit geben und die Auseinandersetzung mit den Fragen: „Was spricht mich an? Was bedeutet das für mich? Wie prägt mich das? Gott habe immer gesagt: „Ich bin gekommen, dass sie das Leben haben und es in Fülle haben!“ Es gelte für jeden einzelnen herauszufinden, wo für ihn das Leben in Fülle leuchte. Man folge nicht mehr einfach nur Lebenszeugnissen anderer, sondern frage nach dem eigenen Leben in Fülle und möglicherweise nach Begleitung auf dem Weg.

Dr. Timo Aytac Güzelmansur, Geschäftsführer von CIBEDO, christlich-islamische Begegnungs- und Dokumentationsstelle der Deutschen Bischofskonferenz, Frankfurt (Foto: Brehm)

Dr. Timo Aytac Güzelmansur, Geschäftsführer von CIBEDO, christlich-islamische Begegnungs- und Dokumentationsstelle der Deutschen Bischofskonferenz, Frankfurt (Foto: Brehm)

Mehr als Theologie: Christen, Muslime und Zivilgesellschaft – eine Begegnung von Kulturen

Dr. Timo Güzelmansur, ein im Süden der Türkei geborener Christ, der in Deutschland Theologie studierte und promovierte und heute als Geschäftsführer von CIBEDO (christlich-islamische Begegnungs- und Dokumentationsstelle e.V., Frankfurt am Main, eine Fachstelle der Deutschen Bischofskonferenz) tätig ist, gab eine gründliche Einführung in den Islam, seinen Stifter Muhammad und dessen Nachfolger, seine Grundsätze, Quellen des Islams und seine Ausbreitung, sowie die Entstehung und Unterschiede zwischen Sunniten, Schiiten und Aleviten.

Auf dem Hintergrund der aktuellen Flüchtlingssituation lassen Integrationshindernisse wie z.B. Schulpflicht, Tierschutz und Gleichheitsgrundsatz Herausforderungen erahnen, die der deutschen Gesellschaft noch bevorstehen. Die von Dr. Güzelmansur aufgezeigten vier Thesen für ein gelungenes Zusammenleben machten Mut, die Herausforderungen anzunehmen und gemeinsam daran zu arbeiten. Diesen Herausforderungen könne man nur entgegentreten mit einer persönlichen, vielleicht aber auch gesamtgesellschaftlich konsensfähigen Werthaltung.

Letztendlich hänge gelingende Integration von der Frage ab, so Dr. Güzelmansur, „wie bedingungslos wir hinter der freiheitlichen Demokratie stehen und wie unteilbar wir für die Geltung und Durchsetzung der Menschenrechte eintreten und welche Bedeutung der christliche Glaube oder auch die christliche Prägung Deutschlands für uns hat.“


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