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20. November 2015 | Impuls aus Schönstatt | 

Attentate in Paris. Angriff auf die Menschlichkeit.


Impuls aus Schönstatt (Foto: Brehm)

Erschrecken, Hilflosigkeit, Mitgefühl, Kerzen, Solidaritätsbekundungen aus aller Welt; das Brandenburger Tor und die Oper von Sydney in den Farben der Trikolore; abgesagte Fußballspiele und Angst vor weiteren Anschlägen auch bei uns und eine geänderte Rhetorik: Das sind Reaktionen auf ein Ereignis, das uns sprach- und hilflos macht. Doch irgendwie müssen wir versuchen, angemessen mit einer solchen Situation umzugehen: als Christen, als Schönstätter. Dazu sieben Thesen.

Warnung vor vorschnellen Überreaktionen

  • Wenn ein schreckliches „man-made disaster“ geschieht, wenn also Menschen anderen Menschen etwas antun, dann ist der Schrei nach schneller Aufklärung und Vergeltung eine der ersten und lautesten Reaktionen. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit, dass gleich wieder etwas passiert, gering ist, suggerieren mehr Polizisten und Soldaten mehr Sicherheit. Schnell Schuldige unschädlich machen, beruhigt die Bevölkerung. Radikale Forderungen klingen nicht nur am Stammtisch plausibel. Doch allzu schnelle Schlussfolgerungen schaden mehr als sie nützen.

Verdächtigungen und Verschwörungstheorien

  • Einige der Attentäter hatten gefälschte syrische Pässe und sind als Flüchtlinge ins Land gekommen. Auch weitere Islamisten werden diesen Weg nutzen, wie sie jede andere Möglichkeit ebenso nutzen. Es ist falsch, aufgrund dieser Tatsache alle Flüchtlinge zu verdächtigen. Vielmehr gilt: Die allermeisten Menschen sind vor Krieg und Terror geflohen. Sie sind genauso Opfer wie diejenigen, die jetzt im Herzen Europas mit derselben Gewalt konfrontiert werden. Auch die Neigung, einen „Sündenbock“ auszumachen, begegnet uns in solchen Krisen. Aber was sich anfühlt wie eine Lösung, lenkt von den wirklichen Ursachen ab. Stattdessen blühen Verschwörungstheorien, die Kriege und negative Entwicklungen erklären sollen. Diese Theorien enthalten - obwohl frei erfunden - eine gewisse Plausibilität allein schon deshalb, weil sie oft genug verhandelt und wiederholt werden.

Eine Rhetorik, die schadet

  • Die Attentäter waren sehr gut vernetzt und organisiert, waren mit Geld und modernen Mitteln ausgestattet. Die dahinter stehende Organisation ist in der Lage, auch in der Zukunft Anschläge auszuüben. Vor allem haben es die IS-Terroristen auf Orte und Ereignisse von hohem symbolischem Wert abgesehen. Da ist Vorsicht und effektiver Einsatz der Sicherheitskräfte geboten. Dennoch ist die Sprache vom „Krieg“, wie sie jetzt vermehrt von Politikern gebraucht wird, überzogen. Sie befördert einen Mentalitätswandel in der Gesellschaft, der die militärische Gewaltanwendung in dieser Situation legitimieren soll. Sofort ist die Rede vom NATO-„Bündnisfall“ und Frankreich ersucht nach Artikel 42.7 der Europäischen Verträge die Mitglieder der Europäischen Union (EU) um militärischen Beistand. Das erhöht die Gefahr, dass nicht mehr zuerst friedliche Lösungen gesucht und Staaten überhastet in eine kriegerische Eskalation hineingeführt werden.

Ausbrechen aus der Spirale der Gewalt – und die Wurzeln heilen

  • „Solange jemand dabei verdient oder eine Seite glaubt, durch militärische Stärke siegen zu können, gibt es keinen Frieden“, ist eine traurige Erkenntnis aus vielen gescheiterten Friedensverhandlungen. Die Geschichte zeigt, dass Vergeltungsmaßnamen zu einer Spirale von Hass und Gewalt führen. Stattdessen rufen wir mit dem Apostel Paulus dazu auf: „Vergeltet niemand Böses mit Bösem! Seid allen Menschen gegenüber auf Gutes bedacht!“ Röm 12, 17.
    Bei allen nötigen Sicherheitsmaßnahmen muss die Aufmerksamkeit darauf gerichtet sein, dass die Wurzeln geheilt werden. Dies geschieht durch Vergebung, Erlösung und Gnade, durch die es dem Menschen mit Gottes Hilfe möglich ist, aus der Spirale des Bösen auszubrechen und neue Wege des Miteinanders zu finden. Jesus sagt: „Euch, die ihr mir zuhört, sage ich: Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen. Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch misshandeln. Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist!“ Lk 6, 27.28.36 Ein wesentlicher Wegbereiter für Gottes Eingreifen und Hilfe ist unser Gebet.

Glauben investieren und am Reich Gottes mitbauen

  • Schönstatt ist geworden, als gerade der Erste Weltkrieg ausgebrochen ist. Pater Kentenich gab am Gründungstag, dem 18. Oktober 1914, seinen jugendlichen Zuhörern eine Deutung und schlug einen Weg vor. Er erklärte: „Ohne Sünde gäbe es keinen Krieg.“ Der einfühlsame Pädagoge leitete die Jungen dazu an, sich selbst besser kennenzulernen und an sich zu arbeiten. Das Ziel der Erziehung war für Pater Kentenich:  Eine Persönlichkeit werden, die sich nicht von der Logik des Bösen bestimmen lässt, sondern die sich aus der Grundkraft der Liebe für das Gute einsetzt. Dies geschieht in Rückbindung an Gott und in Beziehung mit anderen Menschen. Diese Art zu leben, ist scheinbar hilflos gegenüber der Macht des Bösen, wird sich aber auf Dauer als „Gottes Reich“ durchsetzen (vgl. Gleichnis vom Senfkorn Mt 13,31).

Solidarität statt Spaltung

  • Angesichts von Gewalt, die eine Gesellschaft spalten will, braucht es ein neues solidarisches Bewusstsein. Die Gewalttäter sind eine kleine radikalisierte Minderheit, die keinesfalls für die gesamte islamische Welt steht. Wir dürfen als Reaktion auf den Terror die Grundwerte unserer westlichen Demokratien nicht aufgegeben, wie recht verstandene „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“. Die Angriffe von Paris sind gegen alle Menschen gerichtet. Umso mehr muss uns der Wert des Menschen, seine Würde und seine Berufung zu solidarischer Einheit bewusst werden und unser Handeln bestimmen.

Der Radikalisierung einen Weg der Mitmenschlichkeit entgegen stellen

  • Menschen, die sich radikalisieren – religiös motiviert oder mit nationalistischem Hintergrund –, leiden oft unter tief greifenden Frustrationen, die sie empfänglich machen für Botschaften, die sie in eine angeblich große Bedeutsamkeit oder etwas Heiliges führen. Sie überlassen sich in blindem Gehorsam Autoritäten wie religiösen Führern. Ihnen werden einfache Antworte auf komplizierte Zusammenhänge angeboten, die ihre Welt überschaubarer macht. Pervertierte Religion ist grausam. Eine christliche Sicht erkennt in persönlichen und sozialen Schieflagen einen Nährboden, wo böse Mächte auf einzelne Menschen und Gruppen Einfluss nehmen können. Daher ist es wichtig, uns dafür einzusetzen, dass jeder Mensch Perspektiven für sein Leben gewinnt.
    Wer erbarmungslos gegenüber den Menschen wird und tötet, hat etwas in sich selbst getötet, so dass kein Mitgefühl mehr da ist.
    Wir erstreben eine Herzensbildung, die Nähe aufbaut und versucht, die Menschen in ihrer Andersartigkeit und Gleichheit mit uns zu verstehen, ihre Nöte und Hoffnungen zu erkennen und auf ein Miteinander zu bauen, das wir „Bündniskultur“ nennen.

Was kann jeder von uns tun? In diesem Chaos der Gefühle, Ängste, Verunsicherungen ist es ratsam, selber kleine Aktionen des Vertrauens zu setzen: in unserer Umgebung und vor allem zu Fremden, die damit gar nichts zu tun haben, jetzt konkrete Schritte der Beziehung tun. Kontakt aufnehmen, auf jemanden zugehen, zum Essen einladen, den Nachbarn besuchen: das gibt festen Boden unter die Füße, hilft Balance zu finden, und Urvertrauen wieder herzustellen.

Pater Lothar Herter
Arbeitskreis Impuls aus Schönstatt

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8.12.2015

Der bzw. die Impulse haben bei mir eine noch größere Klarheit meiner Haltung gegenüber Flüchtlingen gegeben. Danke! In meiner Arbeit mit Jugendlichen habe ich mal die Frage gestellt, was macht uns überhaupt aus, dass wir Deutsche sind! Sie hatten mir zuvor über Mitschüler berichtet, deren Namen schon daraus schließen lassen, dass ihre Wurzeln nicht in Deutschland liegen. Aber geht es wirklich um Besitzansprüche um Nationalitätszugehörigkeit? Oder vielmehr darum, wie wir miteinander umgehen. Da spielt es doch dann überhaupt keine Rolle, welche Nationalität wir haben. Hier ist Humanität gefordert und die macht nicht vor Landesgrenzen halt oder hält sich Religionszugehörigkeiten auf. Wir können es wirklich schaffen! Und da denke ich, ist unser Menschenbild gefragt. Wir als Christen haben in unserem Hauptgebot die Nächstenliebe. Aber zuerst müssen wir uns lieben bzw. von Gott geliebt wissen, dass wir dann auch andere - egal woher sie kommen und was sie sind – annehmen können wie sie sind. Das ist das wirklich Entscheidende!

Irene Eldracher, Karlsruhe

 


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