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5. November 2014 | 2014 | 

Kirche: Habt keine Angst vor der Heiligkeit.


Gebet zum Abschluss der Audienz (Foto: Neiser)

Gebet zum Abschluss der Audienz (Foto: Neiser)

Hbre. Neben den notwendigen äußeren Reformen sei der wichtigste Punkt einer kirchlichen Erneuerung „die innere Erneuerung“ jedes Christen, die „Renovierung des eigenen Herzens“, das betonte Papst Franziskus gegenüber Pilgern der Schönstatt-Bewegung bei einer Privat-Audienz der Schönstatt-Bewegung am 25. Oktober in Rom. „Ich bitte euch um Heiligkeit! Habt keine Angst vor der Heiligkeit“, mit dieser leidenschaftliche Bitte eröffnete der Heilige Vater seine Antwort auf den fünften Fragenbereich während der Audienz zum Thema Kirche. Heute ginge es darum, einer „Kultur des Auseinanderfallens“ eine Kultur der Begegnung entgegenzusetzen, die eine Kultur des Bündnisses, des Liebesbündnisses sei. Solidarität sei heute ein bedrohtes Wort. Bündnis aber bedeute Solidarität. „Es bedeutet, dass wir Bindungen schaffen und Beziehungen knüpfen.“

Um das Engagement in der Kirche bewegten sich die Fragen des fünften Themenkreises (Foto: Emilio SICT)

Um das Engagement in der Kirche bewegten sich die Fragen des fünften Themenkreises (Foto: Emilio SICT)

Vertreter der Schönstatt-Familie: Heiliger Vater, wir kommen als pilgernde Schönstattfamilie von unseren Heiligtümern. Wir sind stellvertretend für all diejenigen gekommen, die geistig mit uns verbunden sind und Herz und Seele auf das Treffen mit Ihnen richten. So freuen wir uns auch mit Vertretern anderer Gemeinschaften hier zu sein. Auch sie haben uns inspiriert. Die Vielfalt und der Reichtum der Kirche, Gaben des Geistes Gottes werden an diesem Ort sichtbar.

In der Kirche treffen wir auf Jesus, der uns zur Gemeinschaft einlädt, um gemeinsam an Gottes Reich zu bauen. Die Welt braucht Zeichen der Einheit, der Großherzigkeit und Freiwillige, die sich für ihre Mitmenschen einsetzen.

Unsere Schönstattfamilie möchte heute ein Wort von Ihnen hören. Wie können wir mehr an der Erneuerung der Kirche mitarbeiten und wo raten Sie uns in diesem neuen Jahrhundert die Akzente in unserer apostolischen Arbeit zu setzen?

Auch nach über einer Stunde mit vollem Engagement (Foto: Eduardo SICT)

Auch nach über einer Stunde mit vollem Engagement (Foto: Eduardo SICT)

Unter den Vertretern der Schönstatt-Bewegung waren auch Volontäre, die die Jubiläumswallfahrt mit vorbereitet hatten (Foto: Eduardo SICT)

Unter den Vertretern der Schönstatt-Bewegung waren auch Volontäre, die die Jubiläumswallfahrt mit vorbereitet hatten (Foto: Eduardo SICT)

Pater Heinrich Walter dankte dem Heiligen Vater zum Schluss für seine offenen und persönlichen Worte (Foto: Brehm)

Pater Heinrich Walter dankte dem Heiligen Vater zum Schluss für seine offenen und persönlichen Worte (Foto: Brehm)

Antworten von Papst Franziskus

Erneuerung der Kirche. Da denkt man an die große Revolution. Jemand hat schon vom „revolutionären Papst“ gesprochen, und all diese Geschichten. Aber es ist vielleicht der älteste Satz der Ekklesiologie. Die Lateiner, die lateinischen Kirchenväter, sprachen von der ‚Ecclesia semper renovanda‘. Die Kirche muss sich andauernd erneuern. Das gilt seit den ersten Jahrhunderten der Kirche. Und sie haben dafür gekämpft, die Heiligen haben dasselbe getan. Das heißt, diejenigen, die die Kirche voranbringen, sind die Heiligen, diejenigen, die fähig waren, ihre Heiligkeit zu erneuern und durch ihre Heiligkeit die Kirche zu erneuern. Sie sind es, die die Kirche voranbringen.

Als ersten Gefallen, um den ich euch bitte, als Hilfe, ist Heiligkeit. Heiligkeit. Keine Angst haben vor dem Leben der Heiligkeit. Das heißt die Kirche erneuern. Die Kirche erneuern, das ist nicht zuerst hier eine Änderung vornehmen und dort eine Änderung vornehmen. Das muss man tun, weil sich das Leben ständig ändert und man sich anpassen muss. Aber das ist nicht Erneuerung.

Konkret hier – es ist öffentlich, darum wage ich das zu sagen – muss die Kurie erneuert werden, erneuert sich die Kurie, die Vatikanbank, die muss erneuert werden. Das sind alles Erneuerungen von außen. Das, was die Zeitungen sagen. Es ist seltsam. Niemand redet von der Erneuerung des Herzens. Sie verstehen nichts davon, was es heißt, die Kirche zu erneuern. Das ist Heiligkeit. Das Herz jedes Einzelnen erneuern.

Eine andere Sache, die mir hilft, was deine Frage war, das ist die Freiheit des Geistes. In dem Maße, in dem einer mehr betet und den Heiligen Geist wirken lässt, gewinnt er diese heilige Freiheit des Geistes, die ihn dazu bringt, Dinge zu tun, die reiche Frucht bringen. Freiheit des Geistes. Was nicht dasselbe ist wie Laxheit, nein, das ist nicht dasselbe. Es ist nicht Bequemlichkeit, das ist etwas anderes. Nein! Freiheit des Geistes setzt Treue voraus und setzt Gebet voraus.

Wenn einer nicht betet, dann hat er diese Freiheit nicht. Anders gesagt: Wer betet, besitzt Freiheit des Geistes. Er ist fähig, „Wahnsinniges“ im besten Sinne des Wortes zu tun. „Und wie bist du darauf gekommen, das zu machen? Wie toll du das hingekriegt hast!“ – „Ich weiß auch nicht, ich habe gebetet und dann kam mir das in den Sinn.“ Freiheit des Geistes.

Sich nicht einkapseln – ich sage, einkapseln, das muss man gut verstehen – in Anordnungen oder Dinge, die uns einsperren. Wir kommen noch einmal zurück auf die Karikatur der Schriftgelehrten, die, weil sie übergenau, so furchtbar genau waren in der Erfüllung der Zehn Gebote, 600 weitere dazu erfunden hatten. Nein, das ist keine Hilfe. Nein, das bringt dich dazu, dich zu verschließen, dich einzukapseln.

Wenn der Apostel plant – und hier berühre ich etwas, das einigen von euch nicht gefällt, aber ich sage es –, wenn der Apostel glaubt, dass die Dinge dadurch vorangehen, dass er eine gute Planung macht, dann täuscht er sich. Das ist Funktionalismus. Das ist das, was ein Unternehmer machen muss.

Wir müssen diese Dinge benutzen, das schon. Aber sie haben keine Priorität, sondern stehen im Dienst des anderen, der Freiheit des Geistes, des Gebetes, der Berufung, des apostolischen Eifers, des Hinausgehens. Darum, Vorsicht mit dem Funktionalismus!

Manchmal sehe ich das in einigen Bischofskonferenzen oder Bistümern, die Verantwortliche für alles und jedes haben, für wirklich alles, denen nichts entgeht, und alles ist funktional, alles ist perfekt geordnet. Aber es fehlen oft Dinge oder sie machen höchstens die Hälfte von dem, was sie mit weniger Funktionalismus und mehr apostolischem Eifer, mehr innerer Freiheit, mehr Gebet machen könnten, oder einfach gesagt: mit innerer Freiheit und dem Mut, immer weiter hinauszugehen. Das ist es.

Damit keine Zweifel aufkommen: All das zum Thema Funktionalismus habe ich in Evangelii Gaudium beschrieben. Da können Sie nachlesen, was ich Ihnen sagen wollte.

Wann ist ein Weg, eine Hilfe, echt? Wenn sie de-zentriert. Das Zentrum ist ein einziger: Jesus Christus. Wenn ich aber ins Zentrum meine Pastoralmethoden, meinen pastoralen Weg, meine Art des Handelns und alles Mögliche stelle, dann de-zentriere ich damit Jesus Christus. Jede Spiritualität, jedes Charisma in der Kirche, so reich und vielfältig es auch sein mag, muss de-zentriert sein. Im Zentrum steht der Herr.

Darum schauen Sie einmal, wie Paulus im ersten Brief an die Korinther von den Charismen spricht, diesen schönen Dingen, dem Leib der Kirche, jedes Glied mit seinem Charisma, wie endet er da? Aber ich werde euch etwas noch Besseres erklären. Und er endet damit, über die Liebe zu sprechen. Das heißt, von dem, was von Gott kommt, aus dem Eigensten Gottes, und uns lehrt, ihn nachzuahmen. Vergesst das darum nicht. Und stellt euch oft die Frage: Bin ich ein „De-Zentrierter“ in diesem Sinn oder bin ich im Zentrum, im Mittelpunkt, als Person oder als Bewegung, als Charisma? So wie das, was wir in Spanisch – entschuldigen Sie, dass ich jetzt meine Muttersprache, mein Porteño spreche –, was wir in meinem Spanisch „Figuretti“ nennen, Leute, die sich überall in den Mittelpunkt stellen müssen; das Zentrum, der Mittelpunkt ist nur Jesus. Der Apostel ist immer ein De-zentrierter, weil er Diener ist, im Dienst am Zentrum steht.

Das de-zentrierte Charisma sagt nicht „wir“. „Wir“ oder „ich“. Es sagt: Jesus. Und ich. Jesus und ich. Jesus bittet mich, ich muss das tun für Jesus. Heißt, immer zum Zentrum. Kreist immer um die Person Jesu. Vergessen Sie das bitte nie. Eine Bewegung, ein Charisma muss notwendigerweise de-zentriert sein.

Dann eine Sache, die von uns heute verlangt wird und über die wir schon gesprochen haben, als es um die Kriege ging. Wir erleiden heute immer größere Entfremdungen. Und unter dem Schlüssel der Entfremdung können wir eine neue Lektüre all der Fragen, die Sie gestellt haben, angehen.

Entfremdung in der Familie, Entfremdung im Zeugnis, Entfremdungen bei der Verkündigung des Wortes, der Botschaft, Entfremdungen in Kriegen, Entfremdungen in den Familien, das heißt, die Entfremdung, die Spaltung, das ist die Waffe des Teufels. Und nebenbei gesagt, den Teufel gibt es, falls hier irgendjemand Zweifel hat. Er existiert und er holt sie sich.

Der Weg dazu ist die Entfremdung, die zu Streit, Feindseligkeit, Babel führt. Wie die Kirche dieser Tempel aus lebendigen Steinen ist, den der Heilige Geist aufbaut, so baut der Dämon jenen anderen Tempel aus Hochmut, Stolz auf, der entfremdet, weil man einander nicht versteht, verschiedene Dinge meint und sagt, das ist Babel.

Darum müssen wir für eine Kultur der Begegnung arbeiten. Eine Kultur, die uns hilft, einander als Familie zu begegnen, als Bewegung, als Kirche, als Pfarrei. Immer suchen, wie wir einander begegnen können.

Und ich empfehle Ihnen – es wäre schön, wenn Sie es jetzt in diesen Tagen tun könnten, denn wenn nicht, dann geht es Ihnen wieder aus dem Kopf und Sie vergessen es. Nehmen Sie sich im Buch Genesis die Geschichte von Josef und seinen Brüdern. Wie diese ganze schmerzhafte Geschichte von Verrat, Neid und Entfremdung in einer Geschichte der Begegnung endet, die möglich macht, dass das Volk 400 Jahre wächst und stark wird. Dieses von Gott erwählte Volk. Kultur der Begegnung.

Lesen Sie die Geschichte von Josef, es sind mehrere Kapitel der Genesis. Das wird Ihnen helfen zu verstehen, was ich Ihnen hiermit sagen möchte. Kultur der Begegnung ist Bündniskultur. Heißt, Gott hat uns erwählt, hat uns verheißen, und mittendrin hat er ein Bündnis geschlossen mit seinem Volk.

Abraham sagt er: “Geh, ich sage dir, was ich dir geben werde.” Und nach und nach sagt er ihm, dass seine Nachkommen zahlreich sein werden wie die Sterne am Himmel. Die Verheißung. Er erwählt ihn mit einer Verheißung. Und als der Moment gekommen ist, sagt er ihm: “Und jetzt Bündnis”. Und die verschiedenen Bündnisse, die er mit seinem Volk schließen wird, sind es, die diesen Weg der Verheißung und der Begegnung festigen.

Kultur der Begegnung ist Bündniskultur. Und das schafft Solidarität. Kirchliche Solidarität. Sie wissen, dass dies eines der gefährdeten Wörter ist. Jedes Jahr oder alle drei Jahre versammelt sich die Real Academia Española, um die neuen Wörter zu untersuchen, die entstanden sind, weil wir eine lebendige Sprache sprechen – und das geschieht in jeder lebendigen Sprache –, und genauso verschwinden einige, weil sie tote Sprachen sind, das heißt, sie sterben und werden nicht mehr benutzt. Und lebendige Sprachen haben tote Wörter. Das Wort, das vor dem Aussterben steht oder das eliminiert, aus den Wörterbüchern gestrichen werden soll, ist das Wort „Solidarität“. Und Bündnis bedeutet Solidarität. Bedeutet die Schaffung von Bindungen, nicht die Zerstörung von Bindungen. Und heute leben wir in dieser Kultur, in dieser Kultur des Provisoriums, einer Kultur der Zerstörung der Bindungen.

Was wir beispielsweise von den Problemen der Familie sagen. Bindungen werden zerstört, statt dass Bindungen geschaffen werden. Warum? Weil wir in einer Kultur des Provisoriums leben, der Entfremdung, der Unfähigkeit, Bündnisse zu schließen.

Darum Kultur der Begegnung, die eine Einheit schafft, die nicht verlogen ist und Einheit der Heiligkeit ist, die zur Kultur der Begegnung führt.

Vielleicht möchte ich damit schließen ... Es war sehr üblich im auserwählten Volk, in der Bibel, das Bündnis zu erneuern, eine Bündniserneuerung zu halten; das Bündnis wurde bei den und den Festen, in den und den Jahren oder nach dem Sieg in einer Schlacht, nach einer Befreiung erneuert, und Jesus kommt und bittet um eine Erneuerung des Bündnisses, nicht wahr? Und er selbst nimmt an dieser Erneuerung teil – in der Eucharistie.

Das heißt, wenn wir Eucharistie feiern, feiern wir Bündniserneuerung. Nicht nur als Nachahmung, sondern in sehr tiefer Weise, sehr real, sehr tiefgründig. Es ist die Gegenwart Gottes selbst, der das Bündnis mit uns erneuert. Was wir in der Regel nicht sagen, weil es uns gar nicht in den Sinn kommt oder nicht im Trend ist, das ist die Erneuerung des Bündnisses im Sakrament der Versöhnung.

Vergessen Sie das nie. Wenn ich nicht beichten gehe, weil ich nicht weiß, was ich dem Priester sagen soll, dann läuft etwas schief. Weil uns nämlich das innere Licht fehlt, um das Wirken des bösen Geistes, der uns schadet, zu entdecken. Diese Erneuerung des Bündnisses in der Eucharistie und im Bußsakrament, im Sakrament der Versöhnung, führt uns zur Heiligkeit, immer mit dieser Kultur der Begegnung, mit dieser Solidarität, mit diesem Schaffen von Bindungen.

Und das ist es, was ich Ihnen wünsche. Dass Sie in dieser Welt der Entfremdungen, der Diffamierungen, Verleumdungen, der Zerstörungen durch Worte, in der Erneuerung des Bündnisses eine Kultur der Begegnung voranbringen. Sicher, niemand kann allein erzogen werden. Er braucht die Mutter, die ihn erzieht. Darum empfehle ich Sie alle der Mutter, dass sie Sie weiterführe in dieser Erneuerung des Bündnisses. Danke.

 

Quelle: www.schoenstatt.org

 


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