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5. November 2014 | 2014 | 

Gesellschaft: Die Hand am Puls der Zeit und das Ohr am Herzen Gottes


Gespräch zum Fragenkreis Gesellschaft (Foto: Emilio SICT)

Gespräch zum Fragenkreis Gesellschaft (Foto: Emilio SICT)

Hbre. In beeindruckenden Worten ließ der Heilige Vater Papst Franziskus in der Begegnung mit der Schönstatt-Familie die Pilger Anteil nehmen an der Quelle seiner Hoffnung angesichts einer friedlosen, von Schwierigkeiten und Kriegen geprägten Zeit: „Der Herr hat mir die Gnade gegeben, ein unheimlich großes Vertrauen zu haben, mich ganz gehen zu lassen im Vertrauen, auch selbst dann, wenn ich viel Sünde erlebe“, sagte er bei der Audienz der Schönstatt-Bewegung am 25. Oktober in Rom. Er empfahl der Bewegung zwei paulinische Haltungen: Mut, auch im Gebet und Durchhaltevermögen auf dem Weg an die Peripherien unserer Welt. Pater Kentenich sei hier ein prophetisches Vorbild.

Im Beisein von Vertretern der Kirche stellten Vertreter Schönstatts ihre Fragen an den Papst (Foto: Emilio SICT)

Im Beisein von Vertretern der Kirche stellten Vertreter Schönstatts ihre Fragen an den Papst (Foto: Emilio SICT)

Vertreter der Schönstatt-Familie: In diesem Jahr, wo wir uns auch an den Beginn des ersten Weltkrieges erinnern, sehen wir uns auch wieder der Bedrohung des Hasses und die Entzweiung derjenigen gegenüber, die Kains Worten folgen: “Was interessiert mich mein Bruder?”

Schönstatt ist in diesem feindseligen Kontext entstanden, und schon seit damals lädt uns unser Gründer ein ums andere Mal ein „die Hand am Puls der Zeit und das Ohr am Herzen Gottes“ in den Ereignissen der Geschichte und unseres Lebens, in den hellen Momenten und auch in den dunklen Stunden, die Stimme Gottes herauszuhören, die uns ruft an seinem Liebesplan mitzuarbeiten. Wir möchten heute der Stimme Gottes in unserer Zeit eine Antwort geben.

Heiliger Vater, verraten Sie uns ein Geheimnis? Wie bleiben Sie bei dem Gedanken an die Schwierigkeiten und Kriege in unserer Zeit fröhlich und hoffnungsvoll? Wie bleiben Sie standhaft im Dienst an den Kranken, den Armen und den Schutzlosen?

Die Antworten des Heiligen Vaters waren vor allem wegen ihrer "persönlichen" Färbung sehr beeindruckend (Foto: Eduardo SICT)

Die Antworten des Heiligen Vaters waren vor allem wegen ihrer "persönlichen" Färbung sehr beeindruckend (Foto: Eduardo SICT)

Fast 8000 Teilnehmer folgten dem Papst gespannt (Foto: Emilio SICT)

Fast 8000 Teilnehmer folgten dem Papst gespannt (Foto: Emilio SICT)

Offensichtlich freute sich der Heilige VAter auch an den persönlichen Begrüßungen (Foto: Brehm)

Offensichtlich freute sich der Heilige VAter auch an den persönlichen Begrüßungen (Foto: Brehm)

Antworten von Papst Franziskus

Ehrlich gesagt, ich habe keine blasse Idee, aber das ist nicht wichtig … Ein wenig aus der Persönlichkeit, ich würde sage, ich bin etwas unbewusst. Die Unbewusstheit führt manchmal dazu, wagemutig zu sein – aber ich kann das nicht erklären, was Sie fragen.

Ich weiß es ehrlich nicht; ich bete und ich überlasse mich. Aber es fällt mir schwer, Pläne zu machen. Diese beiden Dinge wage ich nun aber doch zu sagen: Dass der Herr mir die Gnade eines sehr großen Vertrauens geschenkt hat, die Gnade, mich seiner Güte zu überlassen, auch in den Momenten großer Sünde. Und da er mich nicht verlässt, macht mich das noch vertrauensvoller, und so gehe ich mit IHM voran. Ich habe viel Vertrauen. Ich weiß, dass er mich nie verlässt. Und ich bete. Das schon, ich bitte, denn ich bin mir auch all der schlechten Dinge bewusst, die ich getan habe, und all des „Unsinns“, immer dann, wenn ich mich nicht dem Herrn überlassen und selbst das Steuer in die Hand genommen habe. Ich wollte diesen so „viel beschwatzten“ Weg gehen, der Selbst-Erlösung heißt, das heißt, ich erlöse mich durch Erfüllen, mit der Erfüllung – „erfüllt und gelogen“ (Anm. d. Ü.: Wortspiel mit dem spanischen Wort cumpl(i) – miento). So ist das. Diese Erfüllung, worin die Erlösung der Schriftgelehrten, der Sadduzäer besteht, dieser Leute, die Jesus das Leben unmöglich gemacht haben. Aber ich weiß nicht. Ehrlich gesagt, im Ernst, ich kann es nicht erklären. Ich überlasse mich, ich bete, und ich scheitere nicht. Er scheitert nicht. Er scheitert nicht. Und ich habe erlebt, dass er fähig ist, nicht durch mich, sondern durch die Menschen Wunder zu tun. Ich habe Wunder gesehen, die der Herr durch Menschen wirkt, die diesen Weg des Überlassens in seine Hände gehen.

Aber ich weiß nicht. Etwas möchte ich noch sagen zu meiner Behauptung, ich sei etwas unbewusst. Wagemut. Wagemut ist eine Gnade. Mut. Der heilige Paulus nennt zwei Dinge, die der Christ besitzen muss, um Jesus Christus zu verkünden: Mut und Ausdauer. Das heißt Mut, um voranzugehen, und Ausdauer, um die Last der Arbeit zu tragen. Und das ist jetzt eigenartig. Das, was es für das apostolische Leben braucht, das braucht es auch im Gebet. Ein Gebet ohne Wagemut ist “wässriges” Gebet, das nichts nützt.

Erinnern wir uns an Abraham, als er, guter Jude, der er war, mit Gott handelte. Und wenn es 45 sind und wenn 40 sind und wenn es 20 sind. Das heißt, er ist „unverschämt“. Er hat Mut im Gebet.

Erinnern Sie sich an Moses, als Gott ihm sagt: „Schau, dieses Volk ertrage ich nicht mehr, ich werde es vernichten, aber sei ruhig, dich werde ich zum Führer eines besseren Volkes machen.“ „Nein, nein, wenn du dieses Volk ausradierst, dann musst du auch mich ausradieren.“

Mut! Mit Mut im Gebet! Mit Mut beten. “Alles, um was ihr in meinem Namen bittet, wenn ihr es im Glauben erbittet und glaubt, dass ihr es bekommen werdet, das habt ihr schon erhalten.” Wer betet so? Wir sind doch schlapp! Mut! Und danach die Ausdauer, das Aushalten. Die Widerstände aushalten, die Niederlagen des Lebens aushalten, die Schmerzen, die Krankheiten, die harten Lebenssituationen.

Mich hat beeindruckt, wie euer Pater Generaloberer oder Generaldirektor oder ich weiß nicht, wie ihr ihn nennt, Bezug genommen hat auf das Unverständnis, das Pater Kentenich erleiden musste, und die Ablehnung. Das ist ein Zeichen dafür, dass ein Christ vorangeht, wenn der Herr ihn die Prüfung der Ablehnung erleiden lässt. Denn das ist das Zeichen der Propheten; die falschen Propheten wurden nie abgelehnt, weil sie den Königen oder den Leuten das sagen, was sie hören wollten. Also alles im Stil von „alles gut und wunderbar“ und sonst nichts. Die Ablehnung, das ist es, nicht wahr?

Hier kommt dann das Aushalten. Aushalten im Leben bis dahin, zur Seite gelegt zu werden, abgelehnt, und ohne sich mit Worten, mit Verleumdung, mit Diffamierung zu rächen. Und dann eine Sache, die unvermeidbar ist – ihr habt mich ja gefragt, was mein Geheimnis ist –: Mir hilft es, die Dinge nicht aus dem Zentrum heraus zu sehen. Es gibt nur ein Zentrum. Das ist Jesus Christus. Stattdessen die Dinge von der Peripherie her zu sehen, denn dort sieht man sie klarer.

Wenn man sich in der kleinen engen Welt einschließt, der kleinen Welt der Bewegung, der Pfarrei, des Bischofssitzes oder hier, der kleinen Welt der Kurie, dann sieht man die Wahrheit nicht. Da begreift man das vielleicht in der Theorie, aber man greift die Wirklichkeit der Wahrheit in Jesus eben nicht. Die Wahrheit greift man leichter von der Peripherie her als aus dem Zentrum. Das ist meine Hilfe.

Ich weiß nicht, ob das mein Geheimnis ist oder nicht, aber sicherlich … Ich denke daran, wie sich die Weltsicht, die Gesamtschau der Welt von Magellan an geändert hat; es war eine Sache, die Welt von Madrid oder Lissabon aus zu sehen, und eine andere Sache, sie von dort zu sehen, von der Magellanstraße aus. Da begann man, die Dinge anders zu sehen. Diese Revolutionen, die die Realität von der anderen Seite aus verstehen lassen. Dasselbe gilt für uns, wenn wir in unserer engen kleinen Welt verschlossen bleiben, die uns verteidigt und alles, dann werden wir nie verstehen, nie wissen, was die wirkliche Situation einer Wahrheit ist.

Dieser Tage war hier ein großes Treffen von Strafrechtlern, ein weltweites Treffen; einer von ihnen sagte mir im privaten Gespräch: „Manchmal passiert es mir, Pater, wenn ich ins Gefängnis gehe, dass ich zusammen mit einem Häftling weine.“

Da hast du ein Beispiel! Heißt, er sieht die Realität nicht nur vom Recht her, aus dem heraus er als Strafrechtler urteilen muss, sondern aus der Wunde, die da ist, und diese Wahrheit, die sieht er hier, die sieht er besser. Und für mich ist das eines der schönsten Dinge dieser Tage, dass ein Richter mir sagt, ich hatte die Gnade, er hat die Gnade, manchmal mit einem Häftling zu weinen. Das heißt, an die Peripherie gehen, nicht wahr?

Darum würde ich euch sagen: Eine gesunde „Unbewusstheit“ – oder anders, dass Gott alles tut –, beten und sich überlassen. Mut und Ausdauer, und hinausgehen an die Peripherien. Ich weiß nicht, ob das mein Geheimnis ist. Aber es ist das, was mir kommt, was ich euch sagen möchte, wie es bei mir geht.

Quelle: www.schoenstatt.org

 


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