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4. November 2014 | 2014 | 

Familie: lebendiges und unwiderstehliches Angebot


Papst Franziskus beantwortet Fragen von Familien (Foto: Emilio SICT)

Papst Franziskus beantwortet Fragen von Familien (Foto: Emilio SICT)

Hbre. Bei der Audienz der internationalen Schönstatt-Bewegung bei Papst Franziskus im Vatikan am 25. Oktober im Rahmen der Jubiläumswallfahrt „100 Jahre Schönstatt – 100 Jahre Liebesbündnis“ nach Rom, hat Papst Franziskus vor den 8.000 in der Audienzhalle versammelten Pilgern fünf Fragen von Vertretern Schönstatts in freier Rede beantwortet. Thematisch drehte sich die erste Frage um das Thema Ehe und Familie, mit dem sich auch die außerordentliche Römische Bischofsynode, deren erster Teil am 19. Oktober 2014 in Rom zu Ende gegangen war, beschäftigt hatte.

Pater Heinrich Walter, Vorsitzender des Generalpräsidiums Schönstatts hatte vor dem ersten Fragenblock der Familien den Heiligen Vater begrüßt (Foto: Neiser)

Pater Heinrich Walter, Vorsitzender des Generalpräsidiums Schönstatts hatte vor dem ersten Fragenblock der Familien den Heiligen Vater begrüßt (Foto: Neiser)

Vertreter der Schönstatt-Familie: Die göttliche Vorsehung schenkte uns die schöne Erfahrung viele Ehepaare und Familien durch die Spiritualität des Liebesbündnisses zu begleiten und zu stärken. In dieser Zeit haben wir festgestellt, dass viele Christen nicht die Schönheit des Ehesakramentes kennenlernen durften.

Die Familiensynode, die vor kurzem zu Ende ging, half uns zu erkennen, dass es in vielen Kulturen noch kein eindeutiges Familienkonzept gibt. Außerdem haben wir erkannt, dass es wichtig ist die vielen Gläubigen, die in unterschiedlichen und zerbrochenen Realitäten leben, zu begleiten. Lieber Heiliger Vater, wir möchten, dass Sie wissen, dass Sie auf diesem Weg, der mit der Familiensynode begonnen hat, auf uns zählen können.

Angesichts der Herausforderungen, denen sich Familien in der heutigen Zeit gegenüber sehen, welche Orientierung können Sie uns aus Ihrer pastoralen Erfahrung heraus mitgeben, wie wir unsere Brüder und Schwestern besser begleiten können, die sich in der Kirche noch nicht angenommen fühlen und wie wir Paare und Familien begleiten können, damit sie “lebendiges und unwiderstehliches Angebot” für diejenigen werden, die einen Weg der Fülle suchen?

Papst Franziskus antwortet in freier Rede (Foto: Eouardo SICT)

Papst Franziskus antwortet in freier Rede (Foto: Eouardo SICT)

"Wieviel Relativismus hat sich auch eingeschlichen in das Konzept der christlichen Ehe?" (Foto: Eouardo SICT)

"Wieviel Relativismus hat sich auch eingeschlichen in das Konzept der christlichen Ehe?" (Foto: Eouardo SICT)

Antworten von Papst Franziskus

Im Kern des Problems, das Sie ansprechen, um die Fragen zu formulieren, steht eine sehr traurige, eine sehr schmerzliche Realität. Ich glaube, dass die christliche Familie, dass Familie, Ehe, niemals so angegriffen wurden wie heute. Direkt angegriffen oder faktisch angegriffen. Vielleicht irre ich mich. Die Kirchengeschichtler werden es genauer sagen können, aber (es ist doch wahr), dass die Familie geschlagen wird, dass man die Familie schlägt, und dass man den Begriff Familie verfälscht, als wenn sie irgendeine Art von Verein wäre, und man alles und jedes „Familie“ nennen kann, oder?

Und dazu, wie viele verwundete Familien, wie viele zerstörte Ehen, wie viel Relativismus in der Auffassung des Ehesakramentes! In dieser Zeit sieht man klar - sei es vom soziologischen Gesichtspunkt her, sei es vom Gesichtspunkt der menschlichen Werte her wie auch vom Gesichtspunkt des katholischen Sakramentes, des christlichen Sakramentes - eine Krise der Familie. Eine Krise deshalb, weil sie von allen Seiten her geschlagen und tief verletzt wird.

Also bleibt nichts anderes übrig, als etwas zu tun. Daher Ihre Frage: Was können wir tun? Klar, wir können gute Vorträge halten, Prinzipienerklärungen abgeben, und manchmal muss man das wirklich tun, nicht wahr? Mit klaren Ideen: Schauen Sie her, was Sie da vorschlagen, ist keine Ehe, das ist ein Verein, aber keine Ehe. Manchmal muss man die Dinge klar benennen und muss es sagen. Doch die Pastoral der Hilfe muss in diesem Fall einzig und allein hautnah sein. Anders gesagt: Begleiten. Und das heißt, Zeit verlieren. Der große Meister des Zeitverlierens ist Jesus, nicht wahr? Er hat so viel Zeit verloren, um zu begleiten, um Gewissen reifen zu lassen, um Wunden zu heilen, um zu lehren. Begleiten heißt, den Weg gemeinsam gehen.

Ganz offensichtlich ist das Ehesakrament entwertet worden, ist aus dem Sakrament unbewusst ein Ritus geworden. Reduzierung des Sakramentes auf den Ritus. Daraus ergibt sich, dass das Sakrament ein gesellschaftliches Ereignis wird, schon mit dem Religiösen darin, nicht wahr, getauft schon, aber die Betonung liegt auf dem Gesellschaftlichen. Wie oft habe ich hier im pastoralen Leben Menschen getroffen, die nicht heiraten. Sie leben zusammen. Und warum heiratet ihr nicht? Ach nein, das ist ... bloß wegen dem Fest, wir haben kein Geld. Da überdeckt das Gesellschaftliche das Wesentliche, die Verbindung mit Gott.

In Buenos Aires, erinnere ich mich, kamen einige Priester mit der Idee, zu egal welcher Zeit Trauungen vorzunehmen. Denn normalerweise wird am Donnerstag oder Freitag standesamtlich geheiratet, und am Samstag kirchlich. Und dann schaffen sie es nicht mit den zwei Akten, weil eine der beiden Feiern immer mehr im Vordergrund steht. Darum kamen diese Priester, echte Hirten, um dabei zu helfen: „Trauung zu dem Zeitpunkt, wo ihr das möchtet!“ Standesamtliche Hochzeit beendet, ab in die Pfarrkirche, kirchliche Trauung – einfach ein Beispiel dafür, wie man es Menschen einfacher machen kann, wie man ihnen die Vorbereitung erleichtern kann. Man kann Paare nicht mit zwei Treffen, mit zwei Vorträgen auf die Ehe vorbereiten. Das ist Unterlassungsschuld von unserer Seite aus, von Seiten der Seelsorger und der Laien, wenn wir wirklich an der Rettung der Familie Interesse haben.

Die Vorbereitung auf die Ehe muss weiten Raum haben. Paare begleiten. Begleiten, aber immer hautnah, und vorbereiten. Wissen, was sie tun werden. Viele wissen nicht, was sie tun, sie heiraten, ohne zu wissen, was es bedeutet, welche Bedingungen es gibt, was sie versprechen. Ja, ja, alles ist wunderbar, aber es ist ihnen nicht bewusst, dass es für immer ist. Und nehmen Sie dazu noch die Kultur des Provisorischen, die wir erleben, nicht nur in der Familie, sondern auch unter den Priestern.
Ein Bischof erzählte mir, dass sich ein ausgezeichneter junger Mann bei ihm vorstellte, der Priester werden wollte, aber nur für zehn Jahre, danach wollte er wieder zurück … Das ist die Kultur des Provisorischen. Das ist in. Das “für immer” scheint vergessen. Man muss vieles in der verletzten Familie von heute wiedergewinnen. Sehr viel. Aber gleichzeitig sich über nichts entrüsten, das in der Familie geschieht: Familiendramen, kaputte Familien, Kinder. Bei der Synode fragte sich ein Bischof: Sind wir Seelsorger uns dessen bewusst, was ein Kind leidet, wenn die Eltern sich trennen? Das sind die ersten Opfer. Darum: Wie begleiten wir die Kinder? Wie helfen wir, dass die Eltern, die sich trennen, die Kinder nicht als eine Art Geiseln missbrauchen?

Wie viel pseudopathologisch-psychologisches Gehabe von Leuten, die mit ihrem Reden andere zugrunde richten, kommt daher, dass sie aufgewachsen sind mit einem Vater, der schlecht über die Mutter und einer Mutter, die schlecht über den Vater redete? Das sind Dinge, mit denen muss man an die Familien herangehen, sie begleiten, heißt, dass sie sich bewusst werden, was sie da machen. Und da gibt es heute so viele unterschiedliche Situationen. Sie heiraten nicht, sie bleiben zu Hause, haben ihren Freund oder ihre Freundin, aber sie heiraten nicht. Eine Mutter sagte mir einmal: Pater, was kann ich bloß machen, dass mein Sohn mit seinen 32 Jahren endlich heiratet? Nun ja, gute Frau, erst einmal sollte er eine Freundin haben. Ja, ja, sagt sie, eine Freundin hat er, aber er heiratet nicht. Nun gut, liebe Frau, wenn er eine Freundin hat und nicht heiratet, dann hören Sie auf, ihm die Hemden zu bügeln, mal schauen, ob er sich dann traut, oder? Das heißt, wie viele heiraten nicht, leben ganz oder – wie ich es in meiner eigenen Familie erlebt habe – „Teilzeit“ zusammen. Montag bis Donnerstag mit meiner Freundin, Freitag bis Sonntag mit meiner Familie. Heißt, das sind neue Formen, die die Größe der Liebe in der Ehe ganz zerstören oder stark begrenzen.

Und so sehen wir vieles, Zusammenleben, Trennungen, Scheidungen – und dafür ist entscheidend, dass wir “hautnah” begleiten, nicht indem wir Proselytismus betreiben, denn dabei kommt nichts heraus. Sie begleiten. Geduld, Geduld. Ein Wort heute, eine Haltung morgen. Das ist es, was ich Ihnen empfehle.

Sie ist Mutter. Maria ist es, die hilft, Jesus herunterzuziehen. Im Herabsteigen Jesu. Sie zieht ihn vom Himmel herunter, damit er unter uns lebt.

 

Quelle: www.schoenstatt.org

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