Nachrichten

8. Juli 2014 | Deutschland | 

Papst Franziskus – Provokation für Institution und Gläubige


Thomas von Mitschke-Collande (Foto: Busse)

Thomas von Mitschke-Collande (Foto: Busse)

Elmar Busse. Etwa 70 Interessierte waren am Abend des 30. Juni ins Schönstatt-Zentrum in München-Solln zu einem Vortragsabend des emeritierten Deutschlandschefs der Unternehmensberaterfirma McKinsey zum Thema „Papst Franziskus – Provokation für Institution und Gläubige“ und über seine Thesen zu den Krisen der Kirche gekommen. Thomas von Mitschke-Collande hatte mit seinem Buch „Schafft sich die katholische Kirche ab?“, das 2012 im Köselverlag erschienen war, für Schlagzeilen gesorgt. Im Rahmen seines Vortrages referierte der Autor einerseits die Thesen seines Buches, andererseits verfolgte er an diesem Abend das Ziel, Reformimpulse aufzugreifen und zu verstärken, die der neue Papst Franziskus angestoßen hat.

Seinem Buch vorausgegangen, so Thomas von Mitschke-Collande, seien Analysen durch die Firma McKinsey in verschiedenen deutschen Diözesen. Der ehemalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Lehmann, habe ihn ermutigt, seine Erkenntnisse nicht nur den jeweiligen Leitungsgremien der untersuchten Diözesen zu vermitteln, sondern eine breite Diskussion über die Veränderungsmöglichkeiten und –notwendigkeiten in der Kirche zu fördern – ganz im Sinne des begonnenen Dialogprozesses in der deutschen Kirche.

Vortrag im Schönstatt-Zentrum München-Solln (Foto: Busse)

Vortrag im Schönstatt-Zentrum München-Solln (Foto: Busse)

Wege aus den „Kirchen-Krisen“

Das Buch beschreibt sechs Krisen der Kirche: eine Glaubenskrise, eine Vertrauenskrise, eine Autoritätskrise, eine Führungskrise, eine Strukturkrise sowie eine Vermittlungskrise.

Als Wege aus diesen Krisen schlägt Mitschke-Collande vor: Ein neues Selbstverständnis entwickeln! Die Laien sollten ihre Gestaltungsräume voll nutzen, die ihnen das Kirchenrecht schon jetzt zubilligt, und nicht passiv von „denen da oben“ Strukturreformen erwarten bzw. fordern. Von Mitschke-Collande formuliert dafür die plakativen Imperative: Evangeliumsgemäßer werden! Katholischer, nicht römischer werden! Menschlicher werden!

Die Sprachlosigkeit überwinden! Kirche und ihre Mitglieder müssten viel mehr als bisher die Sprache der Menschen sprechen, die neuen Medien nutzen und „die Medien“ als Partner und nicht als Feinde sehen.

Es braucht eine neue Kultur des Miteinanders im Dialog! Obwohl die Parameter, an denen die Vitalität der Kirche gemessen werde, eindeutig das Ende der Volkskirche belegten, beobachte er in der Deutung dieser Krisenphänomene häufig ein Verharmlosen bis zur Leugnung der Fakten. Beliebt seien, so Mitsche-Collande, auch Schuldzuweisungen wie „der heutige Mensch“, die „Medien“, „Sachzwänge“, oder einfach die „Umstände“. Vielfach beobachte er ein Klima, in dem reflektierende Diskussion unerwünscht ist. Es brauche aber zur Überwindung der Krise konstruktive Kritik.

Gläubige in die Pflicht nehmen! Zeugnis und das Engagement der Laien könnten ganz andere Dimensionen annehmen. Schon jetzt biete das Kirchenrecht viel mehr Möglichkeiten der Partizipation, aber es fehle vielfach eine Bereitschaft der Hauptamtlichen, partnerschaftlich mit den Laien zu agieren. Das betreffe besonders auch die junge Generation. Die Zukunftsfrage der Kirche laute: „Wie können die jungen Menschen in der Kirche angesprochen werden und wie kann ihnen ein experimenteller Freiraum ermöglicht werden?“

Von Mitschke-Collande fordert schließlich: Mehr Mut zur Innovation und zu neuen Wegen. „Was bremst oder verhindert Innovation?“ Die Faktoren seien in Industrie und Wirtschaft ähnlich wie in der Kirche. Es liege am Klima und an der Mentalität, die sich in Unternehmen breitmache. Speziell für die Kirche erhoffe er sich ein neues Aufblühen der Mystik und das Geschenk von burning persons, also Gläubigen, die für etwas brennen. Solche Menschen habe die Kirche in all ihren erfolgreichen Innovationsphasen hervorgebracht. Außerdem dürfe die Kirche nicht weiterhin 90% der Energie und Veranstaltungen für 5% Stammkundschaft investieren, sondern die Kirchenfernen sollten als Hauptzielgruppe in den Blick kommen.

Erfüllung einer langgehegten Sehnsucht

Von Mitschke-Collande betonte auch, dass der reißerische Titel „Schafft sich die katholische Kirche ab?“ nicht seine Idee, sondern die des Lektors aus dem Verlag gewesen sei. Er habe das in seinem Text nicht verwendet. Vielmehr habe er damals geschrieben: „Was noch fehlt, ist die Initialzündung, ist eine charismatische Person, wie es Franz von Assisi war. Aber vielleicht ist dies nicht alles notwendig, wenn der Heilige Geist uns überraschend wieder einen ‚liebenswürdigen Revolutionär‘ auf dem Thron Petri beschert, wie es Johannes XXIII. war.“ (Seite 228)

Von Mitschke-Collande betonte, dass für ihn die Wahl des argentinischen Kardinals Bergoglio zum Papst am 13. März 2013 und seine Namenswahl „Franziskus“ wie die Erfüllung einer langgehegten Sehnsucht gewesen sei. Deshalb sei es ihm an diesem Abend auch ein besonderes Anliegen gewesen, nicht in erster Linie sein Buch zu referieren, sondern die Impulse aufzugreifen und zu verstärken, die der neue Papst im Hinblick auf eine Reform angestoßen habe.

Im Anschluss an das Referat ergab sich eine rege Diskussion. Ein Teilnehmer meinte beim Verabschieden: „Jetzt habe ich eine Ahnung davon bekommen, warum Ihr Schönstätter Euch als Erneuerungsbewegung versteht.“

  • Wer den Vortrag nachhören will, kann das hier tun:

 


Top