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13. Februar 2014 | Deutschland | 

Die Macht der Assoziation


Ausschnitt Entlassungsschein von Pater Kentenich (Foto: Archiv)

Ausschnitt Entlassungsschein von Pater Kentenich (Foto: Archiv)

Bei der Gedenkfeier aus Anlass der Befreiung des Schönstatt-Gründers, Pater Josef Kentenich, aus dem Konzentrationslager Dachau im Jahr 1945, zu der die bayerische Schönstatt-Bewegung Mitglieder und Freunde am 6. April 2014 in die KZ-Gedenkstätte Dachau einlädt, wird auch das Gott-Vater-Symbol für das Urheiligtum in Vallendar-Schönstatt vor Ort sein. In einem Impuls von Pater Elmar Busse zur Vorbereitung dieser Feier betont Busse, dass dieses Symbol angesichts der Schicksalsschläge der Geschichte, an die das Lager erinnere einerseits Herausforderung und andererseits Zeugnis des Glaubens an die Botschaft von Gott als dem guten Vater aller Menschen sei.

Die Macht der Assoziation

P. Elmar Busse. Wenn Menschen in ihrer Kindheit oder auch später etwas ganz Schreckliches erlebt haben, dann kann es passieren, das ein bestimmter Geruch, ein Geräusch, eine Farbe, ein Satz oder einfach eine ähnliche Situation wie damals sie zurückkatapultiert in das damalige Erlebnis. Und oft geht das einher mit denselben Angst- und Ohnmachtsgefühlen wie damals. Menschen, die sonst souverän ihr Leben meistern, können auf einmal nicht mehr klar denken, haben Sprachschwierigkeiten und wirken wie gelähmt. Flashback (Blitzlicht-Rückblende) haben Psychologen diesen Vorgang benannt. Und wenn so etwas sich nicht nur in Alpträumen wiederholt, sondern tagsüber, wenn man eigentlich voll da ist, oder sein sollte, dann sprechen die Ärzte von einer posttraumatischen Belastungsstörung.

Der kleine Prinz (Foto: Flickr: Little Princ, Milan Cupka)

Der kleine Prinz (Foto: Flickr: Little Princ, Milan Cupka)

Es reicht die Farbe des Weizens …

Manche Soldaten, die etwa aus Afghanistan zurückkommen, oder Opfer oder Augenzeugen von Verkehrsunfällen oder Naturkatastrophen können auf diese Weise erkranken. Und da hilft es wenig, dass andere ihnen helfen wollen mit dem Argument: „Das ist doch jetzt vorbei. Das ist noch nicht mehr gefährlich. Du brauchst Dich nicht bedroht zu fühlen!“ Diese Botschaften kommen ja nicht dort im Gehirn an, wo die Ängste entstanden sind, die den Menschen überfluten. „Könnte ich doch im Gehirn diesen Schalter finden und ausschalten!“ klagen Betroffene.

Die Macht der Assoziation können wir aber auch im Positiven beobachten. Saint Exupery lässt im „Kleinen Prinzen“ die Hauptfigur den Fuchs fragen: „Und was hast du nun davon, dass wir uns kennen gelernt haben, aber ich dir jetzt den Abschiedsschmerz bereiten muss?“ Der Fuchs antwortet: „Ich habe die Farbe des Weizens liebgewonnen, die mich an Deine Haare und damit an dich erinnern wird – jedes Jahr neu.“ Nun hat ja der Weizen von seiner Form her wirklich nichts mit einem Menschen gemeinsam. Aber es reicht die Farbe des Weizens, dass die liebe Erinnerung an den kleinen Prinzen wieder lebendig werden kann.

Gefühle und Argumente

Pater Kentenichs Schul- und Studienzeit fiel in eine extrem rationalistische Epoche. Es war gängige Überzeugung: Weil der Mensch ein vernunftbegabtes Wesen ist, muss man ihm nur vernünftige Argumente liefern, und dann entscheidet er sich mit seinem Willen für das Vernünftige. Gerade auch die zwei schrecklichen Weltkriege haben diesen „Glauben“ an das vernunftbegabte Wesen Mensch im Land der Dichter und Denker erschüttert. Kentenich, ein feinfühliger Beobachter und Selbstbeobachter, stellte schon früh fest, dass sich der Mensch viel häufiger in seinem Handeln von seinen Gefühlen leiten lässt als allein von Vernunftargumenten. Und als leidenschaftlicher Pädagoge stellte er sich immer wieder neu die Frage: Wenn das so ist, wie kann ich dann Menschen erziehen und fördern? Diese Herausforderung umschrieb er mit „Erfassung, Durchsittlichung und Durchgöttlichung der Tiefenseele“.

Und die Seele reagiert nicht auf Argumente wohl aber auf Bilder. Es gibt keine Affen, die malen. Aber der Mensch möchte seine unsichtbaren Gefühle und Sehnsüchte ausdrücken; und in diesen entstandenen Bildern kann ein anderer Mensch sich wiederfinden. Im Idealfall entsteht eine seelische Nähe und Verbundenheit zwischen Maler und Betrachter.

Wir dürfen die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus als Aufhebung des alttestamentlichen Bilderverbotes deuten. Der fremde und ganz andere Gott – der ist für Menschen – von wenigen Ausnahmen abgesehen – eine Überforderung. Zu einem solchen Gott kann ich nur schwer eine liebevolle Beziehung aufnehmen. Und so kann Johannes seinen ersten Brief freudestrahlend beginnen mit: „Was von Anfang an war, was wir gehört haben, was wir mit unseren Augen gesehen, was wir geschaut und was unsere Hände angefasst haben, das verkünden wir: das Wort des Lebens.“ (1 Joh 1,1) Auf solche Bilder von Jesus kann die Seele reagieren. Der Verstand darf dann immer sein „Ja – aber …“ hinterherschieben: Gott ist immer größer als jedes Bild von ihm. Das ist theologisch korrekt und auch wichtig. Es gilt auch für uns Menschen. Wenn ein Mann auf der Festplatte seines PC 1000 Fotos von seiner Frau hat und sie selber bei manchem Bild meint, da hast Du mich gut getroffen, ja, das bin ich, so ist sie doch als Mensch größer, tiefer, unergründlicher als jedes Bild von ihr. Und jede Liebe lebt vom Ja zum Geheimnis des andern.

Symbole sprechen für die Tiefenseele

Auf diesem Hintergrund kann verständlich werden, warum die Schönstätter der ersten Generation ihre Kriegsauszeichnungen nach Schönstatt schickten mit der Bitte, sie im Kapellchen anzubringen. Das war keine religiöse Verbrämung eines Militarismus, sondern Ausdruck einer männlichen Marienliebe: „Schenk’s der Gottesmutter. Dann macht sie was Großes draus!“ – Diesen Satz hörten die Mitsoldaten von Josef Engling, einem Schönstätter der ersten Stunde, öfters von ihm, wenn es darum ging, etwas Schweres oder Gefahrvolles anzugehen oder wenn es darum ging, etwas loszulassen, was einen in der Erinnerung schmerzte.

Eine andere Gruppe Schönstätter wollte ihre Opferbereitschaft ausdrücken, indem sie das ewige Licht im Kapellchen als Opferschale, auf der die Welt liegt, anfertigen ließen.

Gruppen, die ein inniges Verhältnis zum Heiligen Geist entwickelt und die Charismenlehre des Neuen Testamentes studiert hatten, bestanden darauf, dass im Chorraum ihres geliebten Kapellchens ein Heilig-Geist-Symbol angebracht wurde.

An der oberen Spitze von barocken Altären können wir fast immer ein Symbol für Gott-Vater finden: Das Dreieck mit dem Auge in der Mitte. Dieses populäre Symbol gewann auch unter den Schönstättern viele Liebhaber, wenn es darum ging, sich als Lieblingsbeschäftigung des himmlischen Vaters zu verstehen oder auch um ein Symbol für den praktischen Vorsehungsglauben - eine der Säulen der Schönstatt-Spiritualität -  zu finden.

Gott-Vater-Symbol (Foto: Brehm)

Gott-Vater-Symbol (Foto: Brehm)

Gott-Vater-Symbol

Weil dieses Symbol nach der Rehabilitierung des Gründers und seiner Heimkehr nach Schönstatt wegen der Eigentumsverhältnisse nicht im Urheiligtum angebracht werden konnte, machte Pater Josef Kentenich im Oktober 1967 der Schönstattfamilie des Bistums Trier stellvertretend für die ganze Schönstatt-Bewegung das Gottvater-Symbol zum Geschenk mit dem Auftrag, „mit allen Kräften dafür zu sorgen, dass die Vaterströmung in der Familie nie zugrunde geht.“

Pater Kentenich, damals schon über 80, plante eine Weltreise, wie er das nach seiner Befreiung aus dem KZ Dachau getan hatte. Aus dieser Reise wurde leider nichts mehr, weil Pater Kentenich 1968 verstarb. Gleichsam als Trost für die enttäuschten Schönstätter in Übersee, die den Gründer nie mehr sehen würden, ging das Vatersymbol auf Reisen.

Kraft der Assoziationsfähigkeit der Seele wurde dieses vom Gründer selbst geschenkte Symbol für Gott-Vater auch zum Symbol für den Gründer, der „uns besuchen kommt“. Und über die Jahre hatte man ja den Gründer selbst als ein Geschenk des himmlischen Vaters erlebt, der uns die väterliche Barmherzigkeit Gottes nahe gebracht und erfahrbar gemacht hat.

Poesie und Malerei und der Umgang mit Symbolen sind gerade wegen ihrer Mehrdimensionalität so reizvoll und unerschöpflich.

Pater Kentenich und das Eingangstor zum KZ Dachau (Montage: Archiv)

Pater Kentenich und das Eingangstor zum KZ Dachau (Montage: Archiv)

Herausforderung und Glaubenszeugnis

Wenn wir uns am 6. April 2014 in der Gedenkstätte des KZ Dachau versammeln und das Gott-Vater-Symbol dabei ist, dann ist es für uns Herausforderung und Glaubenszeugnis.

Es ist eine Herausforderung, denn es ist für jeden ein Ringen, die Schicksalsschläge der Geschichte, an die uns das Lager erinnert, wie auch die Schicksalsschläge der eigenen Biografie mit dem Glauben an einen guten Gott zusammen zu bringen.

Es ist uns aber vor allem auch ein Zeugnis des Glaubens, da uns diese Botschaft von Gott, dem guten Vater aller Menschen, durch einen Menschen nahe gebracht wurde, der sich diesen Glauben durch ein langes und von vielen Prüfungen gezeichnetes Leben erobert und bewahrt hat.

Und hat nicht die viel beschworene Würde des Menschen, zu der dieser Ort die Politik und uns alle nachdrücklich mahnt, nicht gerade im Gottesglauben ihr eigentliches Fundament?

 


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