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6. Februar 2014 | 2014 | 

Missionarischer Schwung für die unaufschiebbare kirchliche Erneuerung


Interview mit Pater Heinrich Walter in Avvenire (Foto: Zeitungsausschnitt)

Interview mit Pater Heinrich Walter in Avvenire (Foto: Zeitungsausschnitt)

Die unabhängige italienische Tageszeitung „Avvenire“ (Zukunft) befasst sich in einer in loser Folge erscheinenden Reihe von Artikeln und Interwies mit dem Apostolischen Schreibens „Evangelii Gaudium” des Heiligen Vaters Papst Franziskus. In der Ausgabe vom 26. Januar 2014 veröffentlichte die Zeitung, die sich selbst als ein vom Katholizismus inspiriertes Presseorgan charakterisiert, das von Christen herausgegeben wird, jedoch auch Nicht-Christen oder Atheisten ansprechen will, ein Interview mit Pater Heinrich Walter, Generaloberer der Schönstatt-Patres und Vorsitzender des Generalpräsidiums der internationalen Schönstatt-Bewegung, in dem er nicht nur auf Berührungspunkte zwischen „Evangelii Gaudium” und den Kernanliegen des Gründers Schönstatts, Pater Josef Kentenich, und sich daraus ergebenden Herausforderungen für die Bewegung angesprochen wurde, sondern auch einige Informationen zum 100Jahrjubiläum darlegen konnte. Mit freundlicher Genehmigung des Autors Andrea Galli, der auch die Fragen stellte, veröffentlicht schoenstatt.de das Interview an dieser Stelle.

Interview von Andrea Galli mit P. Heinrich Walter für „Avvenire“

Pater Walter, “Evangelii Gaudium” ist ein ungewöhnliches, großes Dokument. Welche Punkte haben Sie besonders geschätzt?

Es ist weniger ein Dokument, es ist ein Brief an die heutigen Menschen. Der persönliche und vitale Ton des Papstes ist erfreulich. Die Freude am Glauben wirkt im heutigen Kontext der Kirche befreiend. Mich überrascht die Sprache, die nahe am Menschen ist. Ich schätze den missionarischen Schwung, der von der unaufschiebbaren kirchlichen Erneuerung spricht. Mich beeindruckt der Mut, von der neuen Rolle der Bischofskonferenzen zu sprechen.

Pater Heinrich Walter (Foto: Schoenstatt-Patres)

Pater Heinrich Walter (Foto: Schoenstatt-Patres)

Gibt es Passagen, wo Sie eine klare Übereinstimmung mit dem Charisma von Pater Kentenich finden?

Der Wille zu einer Reform der Kirche durch eine missionarische Neuausrichtung aus der persönlichen Gottesbegegnung lässt mich an Kernanliegen P. Kentenichs denken. Die Akzente einer hörenden und dienenden Kirche, die sich demütig und arm als eine pilgernde Kirche versteht, sind vertraute Perspektiven. Ebenso der immer wieder durchscheinende Primat des Lebens gegenüber der Struktur und der Organisation. Im Abschnitt über die Vertiefung des Kerygmas ist uns die Betonung der Freiheit nahe, ebenso die Notwendigkeit der richtigen Begleitung, die zu einer freien und verantwortlichen Entscheidung führt. Diese Passagen erinnern an unser pädagogisches Ziel des „neuen Menschen“, der frei und stark ist mit apostolischer Prägung. Papst Franziskus sagt: „Missionarische Jünger begleiten missionarische Jünger“. „Evangelii gaudium“ betont die Rolle der Laien. Alle sind zur Mission berufen. Ich erkenne Parallelen im Abschnitt über die Charismen im Dienst einer evangelisierenden Gemeinschaft und in dem Konzept einer Gemeinschaft der Verschiedenheit, die der Hl. Geist bewirkt. Die evangelisierende Kraft der Volksfrömmigkeit ist eine Erfahrung in Lateinamerika, die wir in Europa zu sehr belächelt und unterschätzt haben.

Maria wird nicht nur als Mutter der Kirche, sondern als Missionarin dargestellt, die zu den Menschen geht, diese begleitet und zu Gott führt. Das entspricht der Erfahrung der marianischen Pastoral Schönstatts. Wir teilen die Auffassung, dass es einen wirksamen marianischen Stil der Evangelisierung gibt und dass Maria einen Wagemut für Aufbruch und neue Wege vermittelt.

Artikel in Avvenire, Ausgabe vom 26. Januar 2014 (Foto: Zeitungsausschitt)

Artikel in Avvenire, Ausgabe vom 26. Januar 2014 (Foto: Zeitungsausschitt)

Schönstatt hat eine starke Präsenz in Europa und auch in Lateinamerika: welche der Vorschläge von “Evangelii Gaudium” sind am geeignetsten für Europa und welche sind am geeignetsten für Lateinamerika, Ihrer Meinung nach?

Papst Franziskus spricht in neuer Weise von der Verlebendigung der Option für die Armen, mit der die Kirche der sozialen Ungleicheit und der Korruption begegnen muss. Das sind vordringliche Herausforderungen in Lateinamerika, wenn das Christentum die Gesellschaft verändern will. Für Europa sind seine Neins zur Wirtschaft der Ausschließung, Vergötterung des Geldes wichtig. Ebenso die Vorschläge zur Überwindung des globalisierten Individualismus und der Impuls, dass Kirche auf die Straße muss, um die Ghettosituation aktiv zu überwinden.

Schönstatt feiert 2014 sein einhundertjähriges Bestehen: welches sind die Hauptmomente dieses Jubiläums?

Der Kern des Jubiläums ist die innere Erneuerung unserer Bewegung aus dem Geist des Anfangs. Deshalb steht die Gnadenkapelle im Vordergrund, in der P. Kentenich den Impuls zur Gründung gegeben hat. Es geht um die lebendige Erfahrung des Glaubens im Alltag, die wir ein Leben aus dem Liebesbündnis mit Maria nennen. Wir erarbeiten die Fruchtbarkeit des Bündnisses in fünf  Schwerpunkten: Jugendarbeit, Stärkung der Familien, Reflexion der pädagogischen  Projekte, kirchliches und gesellschaftliches Engagement auf allen Ebenen. Die  zentrale Feier im Oktober wird als großer Pilgerweg zum Ursprungsort aus allen Kontinenten gestaltet. Das geschieht in vernetzter Weise mit den Feiern in den Diözesen der Länder. Zu einer Aussendungsfeier mit Papst Franziskus treffen wir uns mit unseren Freunden aus anderen Bewegungen am Ende Oktober in Rom.

Was kann/muss die Bewegung für ihre Zukunft von “Evangelii Gaudium” lernen?

Papst Franziskus lädt uns ein zu einer missionarischen Entscheidung, die fähig ist, alles zu verwandeln, damit wir als Bewegung mehr der Evangelisierung der heutigen Welt als der Selbstbewahrung dienen. Das erste Kapitel des Schreibens regt uns im Blick auf die 100 Jahre zu einer Gewissenserforschung an. Es geht um eine Neuausrichtung, die zusammenhängt mit Offenheit, Unterscheidung, Leuterung, Bekehrung und Aufbruch. Je nach Ländern verschieden müssen wir uns auch von der Option für die Armen herausfordern lassen.

Papst Franziskus hat Kardinal Errázuriz Ossa, Schönstatt-Pater, als Mitglied seines Beratergremiums gewählt. Hatte Bergoglio die Schönstatt-Bewegung schon in Argentinien kennengelernt?

Es kam regelmäßig zu Begegnungen bei verschiedenen Anlässen in der Diözese Buenos Aires und bei Veranstaltungen der Schönstatt Bewegung, zu der Kard. Bergoglio eingeladen war. In den Tagen vor dem Konklave war die argentinische Provinz der Patres einen Vormittag zu Gespräch und Hl. Messe bei ihm im Bischofshaus. Eine besondere Beziehung besteht zu Kard. Errázuriz als früherem Vorsitzenden des CELAM, vor allem durch die enge Zusammenarbeit auf der Bischofsynode 2007 in Aparecida.

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