Nachrichten

8. November 2013 | Fest 2013 | 

Podium: Schönstatt – das Plus in meinem Leben


Claudia Brehm. Am Nachmittag des 19. Oktobers begann im Filmsaal des Pater Kentenich Hauses auf Berg Schönstatt das Forum „Schönstatt - das Plus in meinem Leben“. Die Moderatorin Andrea Ewers, Köln, konnte in ihrer gewohnt locker, fröhlichen und doch tiefgründigen Art fünf Personen vorstellen, die aus ganz unterschiedlichen Lebensbereichen berichteten wie sie aus der Begegnung mit Schönstatt entscheidende Impulse für ihr Leben und Arbeiten gewonnen haben.

Eine gerechtere Gesellschaft

Martin Jakel aus Witten berichtet von seiner Aufgabe als Stadtplaner, wo er aufgrund seiner Bewunderung für den pädagogischen Ansatz des Gründer Schönstatts, Pater Kentenich, sich bemüht, bei allen Entscheidungen einen Ausgleich im Auge zu haben zwischen der „Dominanz der Vermögenden“ und den „Bedürfnissen der kleinen Leute“. In Schönstatt habe er gelernt, aus der Geschichte die Führung Gottes heraus zu lesen. Deshalb habe er sich z.B. dafür eingesetzt, dass ein Zwangsarbeiter- und KZ-Außenlager nicht aus dem Stadtbild verschwand und überbaut wurde, sondern als Gedächtnisstätte und Mahnmal für kommende Generationen erhalten blieb. „Mir ist schnell klar geworden, dass zum Beruf des Stadtplaners auch die Ausübung von Macht gehört“, so Jakel. Gut, dass man da als Christ und Schönstätter weiß, dass einer über einem ist, dem gegenüber man verantwortlich und „unsere Macht durch Liebe gebunden“ ist. Das Bild einer gerechteren Gesellschaft begleite ihn seit seinem Studium. Als Pfarrgemeinderatsvorsitzender die solidarische Atmosphäre in der Gemeinde zu sichern und sich bei der Firm-, Ehe- und Familienpastoral einzubringen, sei ihm Auftrag und Freude zugleich.

Die Menschen näher zu Gott führen

Schwester M. Victoria Jazdzewski aus Hoyerswerda ist schon seit ihrer Jugend fasziniert von der Botschaft vom barmherzigen Vatergott, der wirklich jeden Menschen liebt und führt. „Und das nicht nur, wenn er gut und rechtschaffen durchs Leben geht, sondern gerade auch dann, wenn es im Leben drunter und drüber geht, wenn Lebensentwürfe durch eigene oder fremde Schuld zerbrechen“, wie sie anfügt.

Nie hätte sie gedacht, dass sie diese Sichtweise eines Tages zur Arbeit in der Gefängnisseelsorge motivieren würde. Angefragt vom Bischöflichen Ordinariat, ob sie sich diese Arbeit vorstellen könne, habe sie zuerst abgewiegelt, sich dann aber doch bereit erklärt, was prompt schwerwiegende Fragen nach sich gezogen habe: „Bin ich davon überzeugt, dass ein Mehrfachmörder die ihm von Gott geschenkte Würde immer noch hat? Kann ich in einem Sexualstraftäter wirklich dem Abbild Gottes begegnen? …“ Es sei schließlich der Weg der kleinen Schritte gewesen, mit dem sie den Insassen der Landesjustizanstalt zeigen wollte, dass auch sie als Menschen angenommen sind - trotz ihrer Schuld, berichtet Schwester Victoria: Gratulation zum Geburtstag, die einem Mörder Tränen in die Augen trieben, weil ihm seit 9 Jahren zum ersten Mal wieder gratuliert wurde. Oder der wegen mehrfacher Vergewaltigung einsitzende junge Mann, der weil er sich während der vielen Gespräche wertgeschätzt erlebte, in einer Begegnung plötzlich auf die Knie sank und um Entschuldigung bat, stellvertretend für all die Frauen, denen er etwas angetan und bei denen er sich nicht entschuldigen konnte.

„Manchmal musste ich bei der Begegnung mit einzelnen Gefangenen erst tief Luft holen, mir Pater Kentenich in Erinnerung rufen, wie er im KZ Dachau hinter jedem Menschen Gott zu entdecken versuchte, ihn um seine Hilfe bitten – um dann wirklich dem Menschen in ihnen begegnen zu können.“ Eines wurde Schwester Victoria ganz wichtig, nämlich anzuklopfen, bevor sie die Zelle betrat. Das sei in der LVA nicht üblich. „Ich wollte durch mein Anklopfen zeigen, dass ich die Privatsphäre des Einzelnen achte, ihn in seiner Würde als Mensch ernst- und annehme.“

Ausbruch aus dem Hamsterrad

Als „typische Kinder unserer Zeit“ im Hamsterrad der ewigen Arbeit und getrieben von den medial verbreiteten gesellschaftlichen Strömungen, schilderte sich Ehepaar Regina und Michael Kulla aus Erftstadt. Aber genau so hätten sie nicht leben wollen, betonten der Soldat mit Auslandeinsätzen und die Mitarbeiterin im Sozialen Dienst, denn „nur ein toter Fisch schwimmt mit dem Strom.“ In der Begegnung mit einer Schönstätter Marienschwester, in Kontakten mit anderen Schönstättern und im Heimat finden im Kapellchen, sei ihnen auf der Suche nach Beständigkeit die Idee wichtig geworden, mit anderen Menschen zusammen den Glauben an Gott zu leben und das Leben daraus zu gestalten.

„Wir fühlten uns nicht mehr als Exoten in der Gesellschaft, nur weil wir Wertvorstellungen, wie gegenseitigen Respekt, Leben in der Ehe mit allen Facetten leben möchten.“ Sowohl als ihr einziges Kind nach Amerika ging, als auch als Michael Kulla zu sechs Monaten Kabul/Afghanistan abkommandiert wurde, erlebten sie – verbunden durch Maria – Kraft, den Herausforderungen der Trennung zu begegnen und ihre gegenseitigen Beziehungen zu vertiefen.

Als ganz besonderes Geschenk und Beweis für die Wirkkraft Mariens empfanden sie den „Gegen“-Besuch der amerikanischen Gastmutter ihrer Tochter, die mit dem brennenden Wunsch, Schönstatt und das Urheiligtum erleben zu dürfen, nach Deutschland kam, weil sie durch das Bild und Erzählen der Tochter über Schönstatt in Amerika in ihrer schweren Zeit Hilfe und Hoffnung erfahren hatte.

Eigenverantwortung einfordern

„Fördern durch fordern“, diesen Grundzug der schönstättischen Pädagogik brachte Oberstudienrat Gerhard Pfenning, Würzburg, ins Gespräch. Als neu eingesetzter geistlicher Begleiter in der Schönstatt Mannesjugend Würzburg, hielt er sich als „Neuer“ zurück bei den Jugendlichen, da der Abteilungsleiter auch ganz offensichtlich keine Mitarbeit von ihm wünschte. Als dieser eine Woche vor Beginn das Zeltlager absagen wollte, „weil niemand etwas mache und mithelfe“, habe er ihm gesagt: „Du kannst als Zeltlagerleiter zurücktreten, aber absagen werden wir das Zeltlager nicht.“ Zwei Tage vor Beginn des Lagers fand eine Leiterrunde statt. Der Stand der Dinge wurde bekannt gegeben, alle Meinungen wurden gehört und diskutiert. Klare Option: Wir ziehen das Lager durch, schauen was geht, verteilen die Arbeit neu. Das Zeltlager sei ein Erfolg geworden. In der Leiterrunde sei neuer Elan und Begeisterung entstanden. Die Doppelspitze in der Zeltlagerleitung sei zur Leitung der Abteilung geworden. Pfarrer Pfenning ist überzeugt: Eigenverantwortung einfordern ist ein guter Weg. Dazu gehört manches zu lenken (das Lager fällt nicht aus), aber Freiheit zu lassen, nichts befehlen und auf die Dynamik setzen, die in einer Gruppe entsteht.

Mein Glaube wurde auf die Probe gestellt

Ein folgenschwerer Unfall mit einem Todesopfer, verschiedenen Trümmerbrüchen und Schnittverletzungen an beiden Augen, das war das grausame Ergebnis einer fröhlich begonnenen Fahrt von drei Mädchen, die sich in Borken von der Einweihung des ersten Romheiligtums erzählen lassen wollten, dessen Bau sie mit vielen geistigen Opfern unterstützt hatten. „Wo war hier die Gottesmutter? Warum ließ Gott das zu?“, das sei damals die Reaktion vieler Schönstätter und auch ihre eigene Frage gewesen, berichtet Elke Wigger aus Schöppingen, die damals mit im Auto saß und die Augenverletzung mit damit verbundener Blindheit davongetragen hatte. Sie erzählt von ihrem Weg durch dieses Traumaerlebnis hindurch, auf dem ihr die Beziehung zu Schönstatt immens geholfen habe. „Ich erlebte die Schönstattfamilie als Gemeinschaft, die sich um den Einzelnen kümmert“, die sie aufgebaut und mit ihrem Sturmgebet durch die vielen Nächte getragen habe. „Nach drei Wochen konnte ich wieder Licht sehen und zu Weihnachten hatte ich auf einem Auge wieder 80% Sehkraft.“ Als der operierende Arzt ihr sagt: „Wir konnten wie ein Wunder die Kruste von ihrem Auge abziehen“, ist sie überzeugt: „Ich glaube für mich daran, dass noch andere Kräfte gewirkt haben als die Leistung der Medizin.“

Durch die schwere Zeit den Unfall zu verkraften, habe sie viel geschenkt bekommen: ein tiefes Zusammenwachsen im Leitungskreis der Mädchenjugend; das Erlebnis, dass man Schmerzen nicht nur aushalten muss, sondern dass man sie „gewinnbringend“ für andere schenken kann; die Überzeugung, dass Gebet für andere wichtig ist, da es denjenigen, dem es schlecht geht, durch trägt. Und überzeugend fügt sie an: „Wenn heute in der Familie, bei den Kindern, in der Firma Probleme kommen, denke ich als erstes: ‘Nein, nicht schon wieder!‘. Aber irgendwann weiß und spüre ich auch: Du kannst vertrauen, wie es auch kommt, die Gottesmutter wird schon sorgen! Das ist für mich ein großes Plus in meinem Leben.“

Die Teilnehmer des Forums, die gebannt zugehört haben, verlassen nachdenklich den Raum. Eine Teilnehmerin bringt es ins Wort: „Ich werde jetzt erst mal eine Pause einlegen unter einem Baum um der spannenden Frage nachzugehen: wie ist das bei mir: Schönstatt, ein Plus in meinem Leben?“


Top