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18. August 2012 | Worte des Bewegungsleiters | 

Sehnsucht nach der Anschauung Gottes


Liebe Leserinnen und Leser des Bündnisbriefes,
liebe Mitglieder und Freunde unserer Schönstattbewegung,

lassen Sie mich zur Einstimmung auf den Bündnistag im Umkreis des Hochfestes Mariä Himmelfahrt hinweisen auf einen Liedtext. Er ist entstanden um die Mitte des vorigen Jahrhunderts, und er verbindet den sommerlichen Blumenreichtum sowohl mit seiner Pracht wie seiner Vergänglichkeit, mit Leben und Heimgang Mariens, ihrem Tod und ihrer Aufnahme in die himmlische Herrlichkeit.

Blum' und Kraut, hohe Braut, preisen dich, Marien;
denn nicht Ros' noch Lilie sind schön wie du gediehen.

Jede Blüt', die da glüht, dunkelt in den Nächten;
du hingegen, Herrin, stehst immerdar in Prächten.

Dold' und Blatt werden matt, wenn die Sicheln singen;
doch dich, wunderbar Gewächs, konnt' kein Tod bezwingen.

Komm und sieh, was wir hie dir zum Strauß gewunden;
lass ihn dich erfreuen sehr. Lob sei dir allstunden!

(Jakob Holl, Marienlied, hrsg. von W. Lipphardt, Freiburg 1954, S. 83)

In dem Lied ist auch angedeutet, dass sich mit dem Himmelfahrtsfest seit jeher ein reiches Blumen- und Kräuterbrauchtum verbunden hat ...

Angesichts des hier anklingenden lyrischen Tons wirkt die Komplet der „Himmelwärts“-Horen, wie das Gebetbuch überhaupt, in ihrer gedanklichen Prägung wesentlich verhaltener und nüchterner. Ihre zentrale Bildwelt gilt nicht der Schönheit des Gottesgartens, sondern dem noch verborgenen Reichtum der Gottesstadt des himmlischen Jerusalems, dessen Tore sich der jungfräulichen Gottesgebärerin geöffnet haben:

„Die Sonne geht nun müde, still zur Ruh',
und Sion lächelt uns von ferne zu.

Dein Sterben war Entrücktsein nur aus Sehnen,
dein Leib lernt die Verwesung niemals kennen.
Du thronst verklärt nun in der ‚Heiligen Stadt’,
auf Sion, das dir Gott geöffnet hat.“
(„Himmelwärts“, S. 55)

Lassen Sie mich den ein oder anderen inhaltlichen Akzent hervorheben, nicht zuletzt mit Blick auf Heiligtum und „himmlische Stadt“; denn wir stehen ja im Jahr der Heiligtumsströmung.

„Dein Sterben war Entrücktsein nur aus Sehnen ...“

Mir scheint, dass in diesem Vers allein bereits Zentrales über den Heimgang Mariens eingeholt ist. Ein Sterben, das über jede mögliche Todesnot hinaus, über sich hinaus „entrückt“ ist; zwar die Schranke des Todes kennt und durchleidet, aber schon und noch mehr beim ewigen Du des unendlichen Gottes ist, den ihr Kind als den himmlischen Vater gekündet hatte, und dem Wiedersehen mit eben diesem Kind, in dem Gottes ewiger Sohn Mensch geworden ist und dem ihre bräutlich-mütterliche Liebe ungeteilt gegolten hat. Das Entrücktsein Mariens aus Sehnsucht hat seinen tiefsten Grund in dem Wunsch nach dem Wiedersehen des über alles geliebten Kindes und seinem Ursprung aus Gott.

Dennoch bleibt das Motiv „Entrücktsein nur aus Sehnen“ eine starke Aussage. In ihr mag auch anklingen, was eine christliche Sicht vom Menschen immer festgehalten hat: dass jeder Mensch eine letztlich unstillbare Sehnsucht hat nach der Anschauung Gottes von Angesicht zu Angesicht; ja, dass der Mensch in der Tiefe seines Herzens den unendlichen Gott mehr liebt als sich selbst.

Der französische Denker und Dramatiker Gabriel Marcel hat den Ausspruch geprägt: „Einen Menschen lieben, heißt ihm sagen: Du wirst nicht sterben.“ Ein Paradox selbstverständlich. Denn wir alle meinen darin recht zu haben, dass allenthalben Menschen sterben, die geliebt wurden und mit anderen in Liebe verbunden gelebt haben.

G. Marcel würde nichtsdestotrotz seine Tendenz aufrechterhalten und auf folgende Erfahrung verweisen: Wer mit der ganzen Kraft seines Herzens zur Liebe erweckt wurde, betritt einen Raum zeitloser Gegenwart, welche ihn verbindet mit der ewigen Gegenwart Gottes, in der alle und alles, was je geliebt wurde, aufgehoben und geborgen ist. Gabriel Marcel verlor seine Mutter, ähnlich wie Therese von Lisieux, im Alter von vier Jahren. Und so mag es gerade auch von dieser lebensgeschichtlichen Erfahrung her zu verstehen sein, dass sein späteres Denken um den Zusammenhang von „Gegenwart und Unsterblichkeit“ kreiste. Das heißt einer Liebe, welche das Sterben nicht illusionär verklärt und bagatellisiert, aber dem es auf der anderen Seite gegeben war, die Schranke des Todes zu „besiegen“ im Bund mit der ewigen Liebe, die nicht sterben kann, weil sie immerwährende Gegenwart ist. Eine solche von uns Menschen bisweilen geahnte Sieghaftigkeit der Liebe wirkte im Herzen Mariens in einer österlichen Gewissheit seit der Auferweckung des Sohnes aus der Nacht von Tod und Hölle ...

„Durchs Heiligtum weist du uns stets nach oben“

„Durchs Heiligtum weist du uns stets nach oben
zum ewigen Schönstatt, wo wir Gott einst loben,
zeigst die Vergänglichkeit der irdischen Welt,
bis du aufs Ewige uns hast eingestellt.“ (Ebd.)

Unser Leben mit dem Heiligtum, ja „im“ Heiligtum, lädt uns immer wieder neu ein, auf die sieghafte Liebe der Sehnsucht Mariens zu schauen und auf das Erbe des Himmels, in dem alles je Geliebte aufgehoben und bewahrt ist für die Heimkehr aller Kinder Gottes:

„Lehr täglich mich so leben, dass das Sterben
wird leicht, wie es sich schickt für Himmelserben,
am Abend mit mir zu Gericht so gehn,
dass nach dem Tod ich dich und Gott darf sehn.

Die Ehre sei dem Vater froh erwiesen
durch Christus mit Maria, hochgepriesen,
im Heiligen Geiste voller Herrlichkeit
vom Weltall jetzt und alle Ewigkeit. Amen.“ (Ebd.)

Ihnen allen frohe, sonnige Ferientage oder aber auch das, was sie anklingen lassen mag, mit herzlichen Grüßen vom Urheiligtum aus,

Ihr

P. Dr. Lothar Penners

Leiter der Schönstattbewegung in Deutschland

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