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14. Juni 2012 | Deutschland | 

Was aus der Mitte des Gebets kommt, kann Zeugnis sein, das die Welt verändert


Erzbischof Dr. Robert Zollitsch (Foto: Grabowska)

Erzbischof Dr. Robert Zollitsch (Foto: Grabowska)

Hbre. Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, Schirmherr des wissenschaftlichen Kongresses „Wohin ist Gott? – Gott erfahren im säkularen Zeitalter“, macht in einem Gespräch mit Clemens Mann, Redakteur bei der Zeitung „Die Tagespost“, deutlich, welche Erkenntnisse er selbst aus dem Kongress mitnimmt und spricht über den Erfahrungsschatz geistlicher Gemeinschaften und deren Potenzial für die Neuevangelisierung. schoenstatt.de dankt seinem ehemaligen Praktikanten für die Zurverfügungstellung des Interviews und einer Nachlese des Kongresses, die hier zu finden ist.

Clemens Mann: Herr Erzbischof Zollitsch, welche Bilanz ziehen Sie als Schirmherr des Kongresses zur Neuevangelisierung und Säkularisierung?

Zollitsch: Es war gut, dass wir uns der Frage nach der Präsenz Gottes in einer säkularen Welt gestellt haben. Wir haben gespürt, dass die säkulare Welt eine Herausforderung, aber auch eine Chance ist. Es kommt darauf an, dass wir auch die Welt gestalten wollen. Es hat mich ermutigt, neu zu sehen, dass die Menschen religiös sind und Gott durchaus eine Rolle spielt. Es kommt jetzt auf uns an, wie wir Gott zur Sprache bringen. Es geht heute darum, zu zeigen, wo wir Gott erfahren, wie wir davon Zeugnis geben und anderen Menschen Anteil geben am Glauben. Wir haben den Menschen viel zu geben, wofür es sich zu leben lohnt.

Ist das Phänomen der Säkularität bisher zu negativ aufgegriffen worden?

"Es kommt jetzt auf uns an, wie wir Gott zur Sprache bringen." (Foto: Grabowska)

"Es kommt jetzt auf uns an, wie wir Gott zur Sprache bringen." (Foto: Grabowska)

Zollitsch: Ja. Man hat immer das gesehen, was nicht mehr ist, und zu wenig erkannt, dass Säkularität zunächst auch auf Freiheit und Eigenständigkeit der Welt hindeutet. Von dieser neuen Situation ausgehend können wir schauen, wie wir damit umgehen. Darin liegt auch für die Theologie eine Chance. Gott hat uns in diese Herausforderung hingestellt, damit wir gestalten können.

Sie haben in ihrem sehr programmatischen Vortrag im Rahmen des Kongresses eine neue Pastoral der Kontemplation gefordert. Was genau meinen Sie damit?

Zollitsch: Wir müssen schauen, dass wir tatsächlich Spuren Gottes in dieser Welt entdecken können. Dass wir selber uns Zeit nehmen, damit all unsere Erlebnisse auch zu Erfahrungen mit Gott werden können. Dass gelingt nur, wenn wir uns die Zeit nehmen, um bei Gott zur Ruhe zu kommen. Wir haben in der Kirche viel Erfahrung in der Kontemplation. Das müssen wir neu beleben. Oder kürzer formuliert: Wir müssen helfen, dass Menschen wieder zum Gebet finden. Wer zum Gebet findet, der findet Gott und kann großartige Entdeckungen machen und sich reich beschenken lassen.

Geistliche Gemeinschaften pflegen ihre Spiritualität in besonderem Maße. Verstehen Sie diesen Ruf nach einer Pastoral der Kontemplation auch als Aufforderung an geistliche Gemeinschaften, sich stärker in dieser Hinsicht zu engagieren?

"Meine Einladung an Schönstatt: 'Zeigt, was Gott euch geschenkt hat. Ladet die Menschen ein, und beschenkt sie von euch aus.'" (Foto: Grabowska)

"Meine Einladung an Schönstatt: 'Zeigt, was Gott euch geschenkt hat. Ladet die Menschen ein, und beschenkt sie von euch aus.'" (Foto: Grabowska)

Zollitsch: Ich bin dankbar, dass wir viele geistige Gemeinschaften haben. Aber es ist oft so, dass sie ihr Leben im Stillen leben. Sie sind in besonderer Weise eingeladen, Zeugnis von ihrem Leben zu geben, andere daran teilhaben zu lassen und mit offener Flanke zu sagen: „Hier habe ich Gott erfahren. Da gehe ich den Weg mit Gott. Ich lade ein, mitzugehen. Lasst euch ein auf die gleichen Erfahrungen.“ Das ist ein Potenzial, dass wir noch viel zu wenig für die Evangelisierung der Welt nutzen.

Welche Erwartungen haben sie als Diözesanpriester der Schönstattbewegung ganz konkret an die Schönstattfamilie?

Zollitsch: Wir besitzen einen geistigen Erfahrungsschatz. Viele Menschen leben hier in einer Gemeinschaft und einem Geist zusammen und machen so lebendige Erfahrungen mit Gott. Wir müssen jetzt aus der Ecke heraus und sagen: „Gott hat uns dieses Charisma gegeben und diese Erfahrung geschenkt. Jetzt müssen wir die Menschen einladen, hierher zu kommen und sie an dem Anteil haben lassen, was in unseren Gruppen gewachsen ist.“ Und da ist ein Potenzial in unserer Kirche in Deutschland, dass wir noch viel zu wenig entdeckt haben. Meine Einladung an Schönstatt: „Zeigt, was Gott euch geschenkt hat. Ladet die Menschen ein, und beschenkt sie von euch aus.“

Gibt es eine Art „Sofortmaßnahme für die Evangelisierung?

Zollitsch: Das ist natürlich die große Frage, was aus dem Kongress unmittelbar werden wird. Ich denke, es wird uns gelingen, dass wir die Frage nach Gott bewusster stellen. Auf diese zentrale Frage kommt es an. Deshalb habe ich auch die Einladung ausgesprochen, sich der geistigen Dimension zuerst zuzuwenden und zu schauen, wo solche Orte der geistigen Einkehr sind: Wallfahrtsorte, Bildungshäuser, geistige Zentren. Erst dann stellt sich die zweite Frage, welche Strukturen sich zu ändern haben. Es geht mir darum, die richtige Reihenfolge zu sehen. Was aus der Mitte des Gebets, aus der Mitte der Erfahrung mit Gott kommt, das kann wirklich Zeugnis sein, das die Welt erneuert.

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