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2. Juni 2012 | Deutschland | 

Loci theologici jenseits vom Gott der Oblaten - Ratio fidei an den Andersorten säkularer Rationalität


Kongress "Wohin ist Gott"

Prof. Dr. Hans-Joachim Sander, Salzburg, weckte bei den Anwesenden schon durch die Titelformulierung Neugier und Erwartung: Loci theologici jenseits vom Gott der Oblaten - Ratio fidei an den Andersorten säkularer Rationalität

Prof. Dr. Hans-Joachim Sander, Salzburg (Foto: Brehm)

Prof. Dr. Hans-Joachim Sander, Salzburg (Foto: Brehm)

Nietzsches Frage „Wohin ist Gott?“ ist eine Frage nach dem Ort. Zeitalter haben nicht nur ihre Zeit, sondern auch ihren Raum, in dem sie sich bemerkbar machen. Sie sind relative Größen. Das Mittelalter z.B. hatte seine Klöster und Dome, das Atomzeitalter muss sich mit Tschernobyl und Fukushima identifizieren, das I-Pad ist vielleicht der „Ort“ des Internet-Zeitalters.

Wo nun hat ein säkulares Zeitalter den Ort? - Charles Taylor spricht vom „Ort der Fülle“, nach dem die Menschen sich sehnen und wonach sie suchen. Dieser Ort ist kein Utopia, es gibt ihn wirklich. Aber es ist ein Ort, der die religiösen Angebote befragt. Dieser Ort ist eine Heterotopie (Foucault), die uns befremdet. Zum Beispiel ein Friedhof: Hier ‚wohnen‘ die Toten, wir werden mit etwas konfrontiert, was uns tatsächlich bevorsteht.

Dieser Andersort kann Ausgangspunkt für die Suche sein: Taylor vergleicht Säkularität mit einem Haus. Das Obergeschoss sind Menschen, die von Religion etwas erwarten. Nach Nietzsche wäre dieses Obergeschoss der Marktplatz, denn der „tolle Mensch“, der nach Gott sucht, sucht ihn dort.

Der „moderne Marktplatz“ ist die Verstädterung der Menschen. Seit 2008 geschah eine menschheitsgeschichtliche Wende: Über 50% der Menschen leben in Städten, die Megastädte wachsen. Diese „Postmetropolen“ gehören zu den Kennzeichen des säkularen Zeitalters. Sie sind eine Herausforderung für die Religionsgemeinschaften.

In diesem Kontext klärte sich das Titelwort „Oblaten“: Der französische Soziologe Pierre Bourdieu kennzeichnete in einer Analyse der Entwicklung der französischen Bischofskonferenz des 20. Jahrhunderts zwei Typen: Jene, die aus sozial hochgestellten Milieus stammen, meist ein Zweitstudien haben, oft auch Finanzkapital, nennt er die „Erben“. Die anderen nennt er die Oblaten: Jene, die meist aus kleineren Verhältnissen kamen, auf einer katholischen Schule waren, religiös-kirchlich durchweg sozialisiert waren und ihren gesellschaftlichen Aufstieg allein der Kirche verdanken. Bourdieus These: Kirche liebt Oblaten, aber sie braucht Erben, sie braucht Menschen in Entscheidungspositionen, die in der Lage sind, die Grammatik zu ändern. Damit Kirche in den Postmetropolen „ankommt“, braucht sie „Erben“, Menschen, die sich auf das säkulare Zeitalter einlassen auch auf die Gefahr hin zu scheitern. So Sanders Plädoyer. In den „Andersorten“ der modernen Kultur muss Gott gefunden werden.

Zusammenfassung: Dr. Nurit Stosiek

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