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18. August 2011 | Worte des Bewegungsleiters | 

Der Gott des Lebens – das Leben der Seele


Liebe Leserinnen und Leser,
liebe Mitglieder und Freunde unserer Schönstattbewegung,

Ferienmonat August ...

„Ferien vom Ich“ … „Die Seele baumeln lassen“ … Den Schulrucksack im hohen Bogen einer entfernten Ecke „anvertrauen“; „googeln“ nach einem günstigen Zwischenhaltquartier … – Parolen und Rituale zum Auftakt der Ferienzeit in diesen Wochen; für viele in diesem laufenden Monat August … Sie ahnen, dass ich nun versuche, die „Kurve zu kriegen“ zum Gott des Lebens … Da ich Sie nicht enttäuschen möchte, mögen Sie also Recht behalten: Der lebendige Gott ist auch gerade der Gott des freien Lebens von Auszeit, Urlaub, Erholung, Hobby: des zweckfreien Nichtstuns, letztlich: weil unsere menschliche Seele diesen Ausgleich zu regulärem Alltag, Pflichtpensum und Betriebsablauf braucht. Und deswegen müsste Gott eigentlich mit all dem etwas zu tun haben, wenn er, Gott, um ein altes Wort zu zitieren, das Leben der Seele ist.

Auch Gott ruhte am siebten Tag

Einen ersten Hinweis darauf, dass die Ferienzeit etwas mit Gott zu tun hat, mag ein Blick in den Schöpfungsbericht der Heiligen Schrift geben, in dem es bezeichnenderweise ja heißt, dass Gott selbst nach dem Sechstagewerk geruht hat und feststellen konnte, dass das, was er geschaffen hat, sehr gut war. Gerade der Schöpfungsbericht will uns nahebringen, dass Gott auch ein Gott der Muße ist. – Dass der Schöpfungsbefehl vom Wachsen und Lehren und von der Bebauung der Erde keinen Raubbau des arbeitenden Menschen und ebenso wenig die Zerstörung der Lebensquellen meint, darin haben wir ja in den letzten Jahrzehnten etwas dazulernen dürfen und müssen …

Der Gott des Lebens trägt der Seele des Menschen in ihrer Ganzheit Rechnung. Der Sehnsucht des Menschen nach aktiver Selbstentfaltung sowohl wie nach einem beschaulichen Verkosten aller Dinge, die uns wertvoll werden oder geworden sind. Darin wird es immer wieder unterschiedliche Typen der Ausgabe „Mensch“ geben, je nachdem einer mehr zur Aktivität oder zum Verweilen und Verkosten neigt. Je nachdem mag es dann vorkommen, dass der Gott des Lebens die „Aktivisten“ zur sinnvollen Ruhe zwingt und denen, die zum „süßen Leben“ neigen, privaten oder beruflichen „Stress“ verordnet, welcher mithilft, dass zustande kommt, was verwirklicht werden soll – von der fälligen Steuererklärung bis zum Abtauen des Kühlschranks; vom Ausräumen eines Zimmers (damit der Anstreicher kommen kann) bis zum Schreiben eines Briefes, den man nicht auf jemanden in der Nähe abschieben kann.

„Du danke Gott, wenn er dich presst, und dank ihm, wenn er dich wieder entlässt“ – hat J. W. Goethe die Erfahrung des Wechsels von stresshafter Enge und befreiender Lockerung geschrieben. Wenn wir, liebe Leserinnen und Leser, vom Gott des Lebens sprechen, dann gehören solche Spannungspole unseres menschlichen Daseins ganz wesentlich mit dazu. Gott ist derjenige, der uns in solchen Wechselbädern begegnen will, wie auch derjenige, der darüberstehend, uns die Sinnhaftigkeit solcher Wechselbäder plausibel erscheinen lässt. In beidem prägt der Gott des Lebens das Leben der Seele.

Der Gott des Lebens – das Leben der Seele

Aber ich denke, wir dürfen noch einen Schritt weiter gehen und sagen, Gott als der Gott des Lebens gestaltet nicht nur das Leben der Seele; er ist noch einmal tiefer das Leben der Seele selbst.

„Gott und die Seele“ (Deus et anima) – das ist eine heiße Spur in der Geschichte unserer christlichen Religiosität und Kultur. In Zeiten, in denen das religiöse Leben, wenn auch individuell unterschiedlich ausgeprägt, einfach dazugehörte, mag man damit vor allen Dingen verbunden haben: Gott, seine Liebe, sein Geist, seine Gnade, die sind der eigentliche Reichtum und deswegen so etwas wie die Mitte der menschlichen Seele. Etwa in dem Sinne, wie Pater Kentenich gebetet hat: Heiliger Geist, du bist die Seele meiner Seele. Ich bete dich demütig an. Gott – die Seele der Seele des Menschen: Ein Zeugnis für die Spitze aller denkbaren und sich einstellenden religiösen Erfahrungen.

Gott heute – die Mitte der Seele?

Wenn wir an die heute gegebene säkularistische Welt und uns Menschen in ihr denken, dann empfinden wir ein solches Wort wie das vom Heiligen Geist als Seele der Seele des Menschen eher wie einen sehr weit entfernten Bergesgipfel – für nur wenige erreichbar und zu besteigen. Und dennoch behält das Wort und die Überzeugung von Gott als der Mitte und dem Quellgrund des menschlichen Lebens seine Berechtigung, weil Richtigkeit, letztlich weil weder Gott noch die Seele losgelöst voneinander zu haben sind.

Dazu eine Zwischenbetrachtung: Wenn Gott, und das üben wir ja gerade in diesem Gott-des-Lebens-Jahr, derjenige ist, welcher hinter allem Geschehen steht, hinter einer freien Stunde, einem sonnigen Tag, einem lockernden und anregenden Stadtbummel; dem dabei sich unverhofft ergebenden günstigen „Schnäppchen“ – dann findet man buchstäblich den unvermuteten „Schatz im Acker“, von dem die Heilige Schrift spricht. Wer in der Flut von Infos zwischen hilfreichem Überblick oder verzerrender Irreführung; der Erfahrung schaler Geselligkeit oder beschränkender Begegnung festhalten kann: Diese unsere konkrete Welt „schwimmt“ auf einem personalen Grund, der spürt zumindest ansatzweise: An diesem anfangs ferngeahnten Grund festzuhalten, um schließlich zu ihm vorzustoßen, bewirkt in der Selbsterfahrung unserer menschlichen Seele eine zunächst unmerkliche, aber tiefgehende Wandlung. Die Seele findet sich ein Stück weit selbst, wenn sie innewird: In allem, dem Vertrauten oder aber dem Fremden, kommt etwas von ihm auf mich zu; er ruft mich an; weckt meine Dankbarkeit (für alles Schöne!); ermutigt mich zur Distanz zu allem Fragwürdigen und weckt mein Engagement für alles Positive. Ich darf die Erfahrung machen, der Gott gerade des modernen Lebens macht mich zum Du und ich bin mit einem Mal nicht einfach nur das Werbeobjekt, die Infobox, der emotionale Reaktor auf geschickte Manipulation. Gott geht auf als Garant meiner Freiheit; einer aus meiner Mitte kommenden Zustimmung und Gelassenheit eines Ausgleichs zwischen Übersättigung und Dürre. Es kann in mir wachsen die Wurzel zu dem, was uns in dem Heilig-Geist-Gebet Pater Kentenich vorbetet: Du bist die Seele meiner Seele. Ich bete dich demütig an. Der Gott des Lebens kann, je mehr wir uns auf ihn einlassen, in den äußeren und inneren Erfahrungen unserer Gegenwart in einer langsam ansteigenden Höhenwanderung auch und gerade heute die Seele der Seele werden.

Ein Zeugnis junger Leute beim wieder neu ausgebrochenen Fußballfieber in diesen Wochen drückt das so aus:

„Du gehörst in mein Team – Gott

Ich brauche dich.
Ohne dich fehlt was.
Was du drauf hast, hast nur du drauf!
Solche Tore schießt nur du!
Also komm. Spiel mit.

Du brauchst mich.
Ohne mich läuft das Spiel an dir vorbei.
Kriegst du keine Pässe.
Rennst du dir vergeblich die Lunge aus dem Leib.

Also komm. Spiel mit. Damit wir gewinnen.

Das Leben.“

Mit herzlichen Segenswünschen vom Urheiligtum aus

Ihr

P. Dr. Lothar Penners

Leiter der Schönstattbewegung in Deutschland

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