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4. Mai 2020 | Deutschland | 

Eine Schönstattkapelle als Filmkulisse für das Dokudrama „Widerstand im Südwesten“


Filmszene aus dem Dokudrama "Unbekannte Helden - Widerstand im Südwesten", gedreht in der Schönstattkapelle Ennabeuren (Foto: Maike Scholz)

Filmszene aus dem Dokudrama "Unbekannte Helden - Widerstand im Südwesten", gedreht in der Schönstattkapelle Ennabeuren (Foto: Maike Scholz)

Hbre. „Unbekannte Helden - Widerstand im Südwesten“ heißt ein 90 Minuten dauerndes Dokudrama, das der SWR am 3. Mai im Umfeld von 75 Jahre Kriegsende gesendet hat. In Minute 39 des Films reibt sich der vom faszinierenden Thema gefangen genommene Zuschauer mit „Schönstatt-Kenntnissen“ die Augen: Der junge Widerständler, der gerade bei seinem Aufnahmeritual in die „Michaeltruppe“ gezeigt wird, steht vor einem Altar einer Schönstatt-Kapelle. Die Johannes-Kapelle, von der zuvor schon Außenaufnahmen gezeigt wurden, soll sich in Kruft, etwa 20km Luftlinie von Schönstatt/Vallendar entfernt befinden. Erst nach einigen Recherchen wird deutlich, dass die Kapelle zwar auf dem Krufter Korretsberg steht, die Innenaufnahmen aber in Ennabeuren auf der Schwäbischen Alb gemacht wurden.

Doch der Reihe nach: Der beeindruckende Film erzählt fünf verschiedene Geschichten von „unbekannten Helden“, die noch in den letzten dramatischen Wochen des Zweiten Weltkrieges beim Widerstand gegen das NS-Regime ihr Leben riskierten.

Joachim Hennig, ehemaliger Richter aus Koblenz, engagiert sich seit fast 25 Jahren, die Erinnerung an Opfer des NS-Regimes aufrecht zu erhalten  (Foto: SWR Landesschau)

Joachim Hennig, ehemaliger Richter aus Koblenz, engagiert sich seit fast 25 Jahren, die Erinnerung an Opfer des NS-Regimes aufrecht zu erhalten  (Foto: SWR Landesschau)

Die Johanneskapelle auf dem Korretsberg bei Kruft, Vulkaneifel (Foto: SWR Landesschau)

Die Johanneskapelle auf dem Korretsberg bei Kruft, Vulkaneifel (Foto: SWR Landesschau)

Filmszene: Franz Reiff beim Aufnahmeritual in die Michaelstruppe. Franz Reiff ist heute 93 Jahre alt. (Foto: AV MEDIEN FILM UND FERNSEHEN GmbH)

Filmszene: Franz Reiff beim Aufnahmeritual in die Michaelstruppe. Franz Reiff ist heute 93 Jahre alt. (Foto: AV MEDIEN FILM UND FERNSEHEN GmbH)

Die Geschichte der Michaelstruppe

Eine der Geschichten erzählt von der Michaelstruppe in der Vulkaneifel. Katholische Jugendliche aus der hiesigen Gegend, die wohl aufgrund der Verhaftung von katholischen Priestern aus der Gegend stark aufgerüttelt waren, organisierten sich 1942 im geheimen Widerstand und wurden dabei „ungewöhnlich militant“, wie Joachim Hennig, ehemaliger Koblenzer Richter, der sich schon seit 25 Jahren dafür engagiert, die Erinnerungen an ehemalige NS-Opfer wachzuhalten, formuliert. „Die Anführer dieser Gruppe waren Willi Lohner aus Niedermendig und sein Freund Hans-Clemens Weiler aus Kruft. Beide waren zunächst vom Nationalsozialismus ein bisschen – sagen wir – begeistert, brachte er doch Schwung, schmissige Musik und auch Aufbruchstimmung mit. Schon bald vollzog sich bei den beiden aber ein Bewusstseinswandel. Sie erschreckte der Kirchenkampf des NS-Regimes und sie erlebten in ihrer unmittelbaren Umgebung, wie gerade die Pfarrer Schulz und Zilliken wegen ihres Glaubens mundtot und ins KZ verschleppt wurden. Da gründeten sie – gerade einmal 16 bzw. 15 Jahre alt - im November 1942 eine Organisation, die sie Michaeltruppe nannten.“

Diese Gruppe sei vorsichtig vorgegangen, so Hennig weiter, trotzdem sei sie von der Gestapo im August 1943 entdeckt worden. „Willi Lohner, Hans-Clemens Weiler und vier weitere Mitglieder der Truppe wurden verhaftet und verhört. Danach brachte man die sechs Jungen erst in die Jugendarrestanstalt Neuwied und dann auf die Burg Stahleck. Willi Lohner und Hans-Clemens Weiler blieben dort zwei Monate und wurden dann in das ‚Jugendschutzlager‘ Moringen verschleppt. Dort mussten sie in einem Salzbergwerk Munition herstellen. Hans-Clemens zog sich dabei eine Tuberkulose zu, von der er sich nie mehr richtig erholte. Er starb 1974. Wilhelm Lohner machte sein Abitur nach, studierte und begründete ein eigenes Tourneetheater, das ‚Ensemble Wilhelm Lohner‘. Wilhelm Lohner starb im Jahr 2007.“

Vorbereitung der Filmaufnahmen am 18. Dezember 2019 in der Schönstattkapelle Ennabeuren (Foto: Sr. M. Rita Fleck)

Vorbereitung der Filmaufnahmen am 18. Dezember 2019 in der Schönstattkapelle Ennabeuren (Foto: Sr. M. Rita Fleck)

Klappe die ...: Eine kleine Sankt Michael Statue in den Händen des neu aufgenommenen Mitgliedes der Michaelstruppe (Foto: Foto: Sr. M. Rita Fleck)

Klappe die ...: Eine kleine Sankt Michael Statue in den Händen des neu aufgenommenen Mitgliedes der Michaelstruppe (Foto: Foto: Sr. M. Rita Fleck)

Regisseur wählt Schönstatt-Kapelle als alternativen Drehort aus

Dass die Vereidigung von Franz Reiff in einer Schönstatt-Kapelle dargestellt werde, sei nach Hennigs Meinung wohl aus „dramaturgischen“ Gründen geschehen. „Das Innere der Johanneskapelle war und ist sehr schmucklos. Das wollte das Filmteam offensichtlich anders.“

Das bestätigt Schwester M. Rita Fleck, Schönstätter Marienschwester, die in Laichingen auf der Schwäbischen Alb wohnt. Vor allem aus Kostengründen habe der Regisseur des Films, Holger Bergmann, nach einer Alternative zum Originalschauplatz für die Szene „Michaeltruppe“ in Kruft in der Eifel gesucht. Er sei von Bekannten auf die Kapelle mit dem Schönstatt-Altar aufmerksam gemacht worden, die er als „sehr gut geeignet“ empfunden habe, da sie der Originalkapelle sehr nahe komme.

„In Kruft selber wurde nur das Zeugnis mit einem noch lebenden Mitglied der Truppe, Herrn Franz Reiff, gedreht“, so Schwester Rita. Am 18. Dezember, dem Drehtag für die Doku-Filmszene im inneren der Kapelle, sei der Aufwand ungemein größer gewesen. „Eine Gruppe von ca. 20 Personen mit allen möglichen Gerätschaften war am 18.(!) Dezember, von morgens bis spät abends im Einsatz. Am nächsten Tag wurde die Fortsetzung in der ‚Villa Lindenhof‘ und im Steinbruch Blaustein gefilmt, also auch in unserer Nähe. Diese Drehorte waren vom Standort der Produktionsfirma, Stuttgart, leicht zu erreichen, während der finanzielle Aufwand (mit Übernachtungen!) am Originalort für die Produktion des Filmes unverhältnismäßig hoch ausgefallen wäre. Die Alternative ‚Kapelle‘ Ennabeuren war in diesem Fall ein filmtechnischer ‚Trick‘. Im Doku-Film kam deshalb auch nur die Innenansicht der Ennabeurer Kapelle ins Blickfeld“, so Schwester Rita.

Bezug zwischen der Johanneskapelle in Kruft und der Schönstatt-Kapelle in Ennabeuren rein zufällig

So sei der Bezug zwischen der Johanneskapelle in Kruft und der Schönstatt-Kapelle in Ennabeuren im Film also „reiner Zufall“, macht Joachim Hennig gegenüber www.schoenstatt.de deutlich: „Wobei meine ‚Lieblingsschwester‘ der Schönstatt-Bewegung, zu der ich früher einen sehr angenehmen Kontakt wegen der Schönstatt-Patres und -Schwestern hatte, immer sagte: Es gibt keine Zufälle“, so Hennig. „Da ist sicherlich etwas dran.“ Solche Verbindungen hätte es möglicherweise geben können. Bei einem Vortrag beim Geschichtsverein von Nickenich in der Vulkaneifel zum Thema: „Verfolgung und Widerstand im heutigen nördlichen Rheinland-Pfalz 1933-1945“ hat Hennig am 13. September 2017 unter anderem gesagt: „(…) Nach wie vor wurden die katholischen Priester und Patres verfolgt. Eine größere Anzahl von ihnen wurde allein wegen der Verteidigung ihres religiös-seelsorgerischen Bereichs, ihrer kulturellen Autonomie und ihrer ethischen Maximen schikaniert und festgenommen und dann in Koblenz in Gestapohaft gehalten. Besonders unerbittlich gingen die Nazis und ihre Helfer gegen die in Schönstatt bei Vallendar beheimatete Schönstatt-Bewegung vor. Mehrere Patres von ihnen saßen in Koblenz im Karmelitergefängnis in ‚Schutzhaft‘. Nur einige von ihnen - wie der Gründer der Schönstatt-Bewegung Pater Josef Kentenich - überlebten diese - wie man es nannte – ‚Hölle ohne Gott‘. Auch drei Mitglieder des Institutes der Frauen von Schönstatt kamen - zum Teil nach vorheriger ‚Schutzhaft‘ in Koblenz - ins KZ, und zwar ins Frauenkonzentrationslager Ravensbrück.“

Es sei doch schön, „dass auf diese Weise in diesen Widerstandsfilm auch die Schönstatt-Bewegung gekommen ist – wenn auch nur ‚zufällig‘“, meint Joachim Hennig abschließend. Und auch Schwester Rita kann dem Dreh in der Kapelle in Ennabeuren mehr abgewinnen: „Für mich war die Zusammenarbeit mit dem Team sehr interessant. Es waren sehr umgängliche, spirituell sensible, aufgeschlossene Leute. Ich konnte einiges zur Kapelle sagen, zu Pater Kentenich und seiner Bedeutung gerade in der Zeit des Endes des Zweiten Weltkrieges für diesen Ort Ennabeuren. Ich konnte die Verantwortlichen auch durch die Vaterklause in Ennabeuren führen. Besonders beeindruckt waren sie von den zahlreichen Parallelen zur Situation des Originalschauplatzes Kruft. Bewusst nahmen sie natürlich auch die Michaelsstatue wahr, die so gut zur Szene Michaeltruppe passte.“

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