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18. September 2017 | International | 

Mehr als ein Tropfen - Ein Jahr im Casa del Nino in Buenos Aires, Argentinien


Im Casa del Nino "Maria de Nazareth", Buenos Aires (Foto: privat)

Im Casa del Niño "Maria de Nazareth", Buenos Aires (Foto: privat)

Hbre. Matthias Groß war mit „MeinWeg“ von August 2016 bis August 2017 freiwilliger Helfer im Casa del Niño im erweiterten Stadtgebiet von Buenos Aires. Dieses Zentrum für ca. 90 Kinder aus sozial schwachen Familien im Alter von drei bis 14 Jahren befindet sich nahe einem Schönstattzentrum im Stadtviertel Ballester und ist ein Projekt der kleinen, lokal aktiven Schönstattfamilie. Ziel ist eine ganzheitliche Betreuung und Ausbildung. Durch das ergänzende Angebot im Bereich Bildung, Handwerk (Schreinerei), Sport, Kunst, Musik und Informatik möchte das Projekt einen Raum für Kinder schaffen, wo sie sich frei entfalten können und gleichzeitig einen Beitrag leisten ihre Chancen am Arbeitsmarkt zu verbessern. Außerdem bietet das Projekt Beratungs- und Schulungsangebote für Eltern an.

Matthias Gross, Volontär aus Deutschland, mit einigen Kindern (Foto: privat)

Matthias Gross, Volontär aus Deutschland, mit einigen Kindern (Foto: privat)

„Heute sind große Teile des Barrios (Stadtviertel) Ballester sehr verarmt“, berichtet Pater Hans-Martin Samiez, verantwortlich für das Projekt „MeinWeg – Mit Schönstatt ins Ausland“. „Das Casa del Niño befindet sich am Rand des Viertels, das deutsche Freiwillige nur in Begleitung betreten sollten. Denn wegen der Beschaffungskriminalität sind Fremde auch Tags über in diesem Viertel nicht sicher. Auch wenn zu vermuten ist, dass der allergrößte Teil der Kinder, die das Zentrum besuchen, später in ihrem Herkunftsviertel ‚kleben‘ bleiben werden, so kennen sie durch ihre Erlebnisse im Casa del Niño doch auch einige Menschen von außerhalb ihres Viertels, die ihnen wohl wollen. Das könnte vielleicht irgendwann einmal für einen Ausstieg aus der Missachtung reichen.“

Pater Hans-Martin Samiez hat die beiden im Casa del Niño arbeitenden deutschen Volontäre Matthias Groß und Pablo Niehaus im Juni 2017 besucht. Dabei ist das folgende Interview mit Matthias entstanden, das u.a. von der Verbundenheit der Volontäre mit den Erzieherinnen und Kindern im Casa des Niño, einem tiefen Verständnis für die Kinder dieses Barrios und für die Leistung der dortigen Schönstattfamilie, so ein Projekt auf die Beine zu stellen, Zeugnis gibt. Lesen Sie nachfolgend das Interview von Pater Hans-Martin Samiez (PMH) mit Matthias Groß (MG).

PHM: Ins Ausland zu gehen war ja ein länger gehegter Wunsch für dich. Wie kam das für dich überhaupt in den Fokus?

Matthias Gross (Foto: MeinWeg.org)

Matthias Gross (Foto: MeinWeg.org)

MG: Mir hat immer schon die Idee gefallen, nach dem Abi die Zeit zu nutzen, da ich auch eigentlich nicht wirklich wusste, was ich danach machen will. Außerdem haben viele Kumpels, die auch im Ausland waren davon nur positiv erzählt. Eine neue Kultur kennenzulernen – und besonders Südamerika, zu dem ich über meine Freundin und ihre Familie bereits einen Zugang hatte, war da naheliegend. Am Anfang war der Plan eher so ein halbes Jahr. Ein ganzes Jahr hat sich lang angehört. Aber im Nachhinein bin ich Gott froh, dass es nicht nur ein halbes Jahr war. Nach einem halben Jahr kommt man eigentlich erst so richtig an, ist im Alltag drin und lebt mit. Das zweite halbe Jahr ist viel intensiver als das erste, zumindest geht das mir so.

PHM: Du bist gerne hier?

MG: Der Arbeitsalltag macht mir unglaublich viel Spaß, weil wir ein wahnsinnig nettes und herzliches Team im Casa del Niño haben, mit dem es total Spaß macht zu arbeiten und zu leben. Dann haben wir wirklich gut Freunde hier um die Ecke. Ein total tolles Ehepaar. Die beiden sind unsere Mentoren und sind immer für uns. Der Alltag ist gut organisiert, ein perfekter Rückhalt. Ich habe mich auch mit der Kultur schon total angefreundet: Mate Tee trinken und sonntags Asado bei den Kumpels, das ist einfach ein Teil von meinem Alltag geworden. Und das will ich nicht missen. Das sind einige Gründe, warum ich gerne hier bin.

PHM: Hast du den Eindruck, dass deine Arbeit sinnvoll ist?

MG: Auf jeden Fall! Schon allein, weil die Kinder Essen bekommen. Und wenn es auch nur - was ich nicht glaube - ein Tropfen auf den heißen Stein ist, dann ist es immerhin ein Tropfen. Außerdem sind die im Alter von drei bis 14 Jahren in der Zeit, in der sie im Casa del Niño verbringen, raus aus den schwierigen Strukturen ihres normalen Lebensumfeldes und haben wenigstens mal gesehen, dass es einen Ausweg gäbe oder dass es eine andere Welt gibt als nur ihr Barrio und den Drogensumpf, die Gewalt. Das Casa del Niño leistet auch Erziehungsarbeit. Z.B. werden moralische Grundsätze vermittelt: man entschuldigt sich, man sagt „Danke“, „Bitte“, so völlig normale Sachen, die in ihrem Umfeld eben nicht gegeben sind. Das ist auf jeden Fall sinnvoll.

PHM: Was hast du an Schönstattpädagogik in der Casa erkannt?

MG: Dadurch, dass der Kindergarten im Sinne der Montessori-Pädagogik geleitet wird, ist ja auch ein Teil der Schönstatt-Pädagogik darin verankert. Beim letzten Teammeeting waren wir mit dabei. Da wurde deutlich betont, dass es der eigentliche große Sinn des Casa del Niño ist, den Kindern Liebe zu geben, einfach für sie da zu sein. Das ist das Gegenteil von dem, was sie normal erfahren, dass sie abgestoßen und zurückgewiesen werden. Ich glaube das ist so: wir geben ihnen einfach so viel Liebe, dass es für den Mittag noch reicht. Und das ist ja auch, was in der Schönstattpädagogik so drinsteckt, einfach die Kinder so zu lieben und sie so anzunehmen, wie sie sind.

Ein Angebot für die Kinder: Sie können bei Matthias Gitarre spielen lernen (Foto: MeinWeg.org)

Ein Angebot für die Kinder: Sie können bei Matthias Gitarre spielen lernen (Foto: MeinWeg.org)

Im Casa del Niño sollen die Kinder viel Liebe und gute Beziehungen erfahren (Foto: privat)

Im Casa del Niño sollen die Kinder viel Liebe und gute Beziehungen erfahren (Foto: privat)

PHM: Wie würde das Casa des Niño laufen ohne euch Volontäre? Was wäre anders?

MG: Also gut, es würde auf jedem Fall nicht das Angebot Gitarre spiele lernen und Schreinerei geben. Damit würde schon viel wegfallen an zusätzlichen Angeboten. Ich glaube die Grundstruktur würde mehr oder weniger holprig ganz normal weiterlaufen. Aber für die Mitarbeiter wäre es schwieriger, da wir stark im logistischen Bereich eingesetzt sind. Die Tatsache, dass nur Jungs als Volontäre ins Casa del Niño kommen, ist ein großes Plus, weil viele der Kinder ein gestörtes Vater- oder Männerbild durch Brüder, Onkels und von daheim mitbekommen. Wir leisten da schon Pionierarbeit.

PHM: Wenn du selber ein Abschiedsgeschenk für das Casa des Niño machen könntest, was wäre das denn?

MG: Wenn ich könnte, würde ich Gitarren bauen, um sie den Kindern mitzugeben. Die vier Gitarren, die dem Casa del Niño gehören, dürfen wir ihnen nicht mit nach Hause geben. Die würden wohl nicht mehr zurückkommen, weil die Kinder keine privaten Räume haben, wo sie die einschließen könnten. Ohne eigene Gitarre zuhause können sie aber nur einmal in der Woche eine halbe Stunde üben. Und da ist der Fortschritt dann minimal. Aber ich glaube, Musik ist schon echt wichtig. Für mich ist das jedenfalls so. Und ich könnte mir auch vorstellen, wenn viele Kinder die Möglichkeit hätten ein Instrument regelmäßig zu spielen, könnten sie sich etwas Eigenes schaffen, das sie abgrenzt, das ein bisschen beiträgt, ihre Persönlichkeit zu bilden. Die Gitarre wäre so wie ein Werkzeug zur Bildung der Persönlichkeit. Also wenn ich könnte, dann würde ich einfach Gitarren oder, weil das einfacher wäre,  kleine Ukulelen machen.

PHM: Ich glaube du hättest noch viel zu sagen, aber wir machen hier mal einen Punkt. Vielen Dank!

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