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8. Juni 2017 | Kommentar der Woche | 

Sarah Jehle: Profit oder Gesundheit


Kommentar der Woche (Grafik: POS, Brehm)

(Grafik: POS)

Wenn ein Spritzmittel, das alle Pflanzen, die nicht resistent sind, zuverlässig vernichtet, von einer Seite als "wahrscheinlich krebserregend" (internationale Gesundheitsagentur) und von anderen Seiten (Europäische Lebensmittelbehörde EFSA, Bundesinstitut für Risikobewertung BfR, europäische Chemikalienagentur ECHA) als nicht nachweislich gefährlich für die Gesundheit eingestuft wird, dann sollte man "im Zweifel für den Verbraucher" und "im Zweifel für die Umwelt" entscheiden, meint die Journalistin Sarah Jehle im Kommentar der Woche bei basis-online.net. Der dezente Hinweis am Ende des Kommentares auf die Europäische Bürgerinitiative (EBI) "STOP GLYPHOSAT" mag als Aufforderung an alle Leser verstanden werden, "im Zweifel" für den Menschen und die Umwelt zu handeln. Und zwar jetzt! Denn die EBI braucht bis Ende Juni noch etwa 125.000 Stimmen. Lesen Sie nachfolgend den neuen "Kommentar der Woche".

Sarah Jehle, Frankfurt/Main (Foto: spurensuche.de)

Sarah Jehle, Frankfurt/Main (Foto: spurensuche.de)

Sarah Jehle, Journalistin Frankfurt/Main

Profit oder Gesundheit

Ja, was denn nun? Ist Glyphosat nun krebserregend oder nicht? Und reichen die Belege, um das Unkrautvernichtungsmittel im neuen Jahr für den Einsatz auf den Feldern erneut zuzulassen? So oder so: An der Glyphosat-Debatte arbeiten sich sowohl Behörden, Agrar-Konzerne und Umweltorganisationen ab. Der Verbraucher ist nachher allerdings genauso schlau wie vorher.

Glyphosat ist das weltweit am meisten eingesetzte Pestizid. In Deutschland wird es auf knapp 40 Prozent der Ackerfläche ausgebracht. Es wird vor allem dazu benutzt, Unkräuter vor oder nach dem Anbau von Feldfrüchten zu bekämpfen. Bei Getreide beispielsweise ist aber auch der Einsatz kurz vor der Ernte erlaubt.

Die Zulassung von Glyphosat endete Mitte 2015 und wurde von den Herstellern umgehend neu beantragt. In solchen Fällen kommt es zu einer Neubewertung des Wirkstoffs. Diese zieht sich nun schon zwei Jahre hin, das Herbizid darf übergangsweise weiterhin benutzt werden. Noch dieses Jahr endet die Übergangsregelung. Dann soll endgültig entschieden sein, ob Glyphosat weiter gespritzt werden darf oder nicht.

Soweit ist an der Geschichte nichts Ungewöhnliches. Viele Pestizide durchlaufen diese Prozedur, ohne dass der Verbraucher davon etwas mitbekommen würde. Im Zusammenhang mit Glyphosat tauchte 2015 aber die Einstufung „wahrscheinlich krebserregend“ der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) auf. Die Europäische Lebensmittelbehörde (EFSA) und das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) kamen dagegen zu dem Ergebnis, dass von dem Stoff keine nachweisbare Gesundheitsgefahr ausgehe. Jetzt mischt auch noch die europäische Chemikalienagentur ECHA mit. Im März diesen Jahres kam sie zu der Einschätzung, dass die wissenschaftlichen Belege nicht ausreichen, um Glyphosat als krebserregend zu klassifizieren.

Damit ist die Sache aber lange nicht vom Tisch. Denn gleich nach der Veröffentlichung der ECHA werden Stimmen laut, die der Agentur vorwerfen, sie habe sich von der Industrie beeinflussen lassen. Weit hergeholt ist das nicht. Immerhin verdienen die Agrarkonzerne jede Menge Geld mit Glyphosat. Allen voran der Konzern Monsanto, der Glyphosat einst auf den Markt brachte.

Was bleibt ist eine große Verunsicherung. Denn krebserregend oder nicht: Kann ein Mittel wie Glyphosat, das alle Pflanzen, die nicht resistent sind, zuverlässig vernichtet, überhaupt unbedenklich sein? Ich plädiere: Im Zweifel für den Verbraucher. Im Zweifel für die Umwelt.

Sarah Jehle


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