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24. Mai 2017 | Kommentar der Woche | 

Herwig Gössl: Ein Vorsicht, ein Vorsicht vor Gemütlichkeit! Ein Prosit, ein Prosit der Wahrhaftigkeit!


Kommentar der Woche (Grafik: POS, Brehm)

(Grafik: POS)

"Kann man in unseren „post-faktischen“ Zeiten, zwischen Fake-News und lautstarker Propaganda auch noch eine Spur von Wahrheit erkennen?" fragt Weihbischof Herwig Gössl, Bamberg, im Kommentar der Woche bei basis-online.net. Leider sei es ungemütlich, zur Wahrheit zu stehen, doch gerade heute brauche es eine neue Kultur der Wahrhaftigkeit, wo Menschen heute noch zu dem stehen, was sie gestern gesagt und getan haben, auch wenn sie inzwischen weitergedacht und ihre Meinung geändert haben. Lesen Sie nachfolgend den neuen "Kommentar der Woche".

Weihbischof Herwig Gössl, Bamberg (Foto: spurensuche.de)

Weihbischof Herwig Gössl, Bamberg (Foto: spurensuche.de)

Weihbischof Herwig Gössl, Bamberg

Ein Vorsicht, ein Vorsicht vor Gemütlichkeit!
Ein Prosit, ein Prosit der Wahrhaftigkeit!

Mit diesen Worten endete heuer das Singspiel beim Starkbieranstich auf dem Nockherberg in München. Politiker verschiedenster Couleur wurden dabei durch den Kakao gezogen, bzw. „derbleckt“, wie man in Bayern sagt. Doch es ging nicht nur um reine Gaudi, um mitten in der Fastenzeit die Lachmuskeln zu stärken, es waren durchaus viele Töne dabei, die zum Nachdenken anregten. Gibt es in unseren „post-faktischen“ Zeiten, zwischen Fake-News und lautstarker Propaganda auch noch eine Spur von Wahrheit zu erkennen? Worauf kann ich mich denn verlassen in all den Meldungen, die ständig auf mich einströmen, sich oft genug widersprechen und mich ratlos zurücklassen? Muss ich allem und jedem misstrauen, ja kann ich auch meinen eigenen Augen nicht mehr trauen?

Der Rückzug in die Gemütlichkeit ist zwar menschlich verständlich, doch es muss klar sein: Er geht häufig auf Kosten der Wahrhaftigkeit. Es ist nun mal oft ungemütlich, zur Wahrheit zu stehen, zumindest zu dem, was man selbst einmal als wahr erkannt hat, und dann wahrhaftig zu sein, d.h. nicht das Fähnchen nach jedem Wind zu hängen, der gerade günstig erscheint, aber auch einen Fehler zuzugeben, den man gemacht hat. Dies betrifft nicht bloß die große Politik, sondern ebenso das Verhalten in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen, in unseren Familien, in Vereinen und Verbänden und auch in unseren Kirchengemeinden. Der Rückzug in den Privatsektor der Gemütlichkeit, wo ich ungestört von anderen meine Wahrheit leben kann, zeigt sich in Politikverdrossenheit genauso wie in der Bindungsscheu auf familiärer, verbandlicher und kirchlicher Ebene. Eine andere Spielwiese der Gemütlichkeit in Gemeinschaft stellt die Organisation in fundamentalistischen und populistischen Gruppierungen dar, wo die Wahrheiten einfach sind und als nicht hinterfragbar gelten.

Wir brauchen eine neue Kultur der Wahrhaftigkeit, wo Menschen heute noch zu dem stehen, was sie gestern gesagt und getan haben, auch wenn sie inzwischen weitergedacht und ihre Meinung geändert haben. Wir brauchen Menschen, die sich der harten Alltagsprobleme auf allen Ebenen des Lebens annehmen, anstatt sich bequem zurückzulehnen und eine Zuschauerposition einzunehmen. Wir brauchen die Bereitschaft, Fehler in Kauf zu nehmen und auch das Zugeständnis, dass Fehler passieren dürfen, denn ohne das wächst nur die ängstliche Untätigkeit bzw. die Flucht in Lügengebäude.

Die Frohe Botschaft Jesu ermutigt zu einer solchen Kultur der Wahrhaftigkeit. Schließlich sagt der Herr von sich, dass er Weg, Wahrheit und Leben ist. Bei ihm besteht auch die Möglichkeit zu Umkehr und Vergebung und damit eine wichtige Voraussetzung zur Überwindung von Lüge und Unwahrhaftigkeit – sicher kein gemütlicher und bequemer Weg, aber einer, der uns miteinander voranbringt.

In die gleiche Richtung ermutigte auch Papst Franziskus in Krakau (sicher nicht nur die jungen Menschen beim Weltjugendtag), als er sagte: „Runter vom Sofa!“
Da will ich nur hinzufügen: Ein Prosit der Wahrhaftigkeit!

Weihbischof Herwig Gössl, Bamberg


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