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26. Mai 2017 | Rund ums Urheiligtum | 

„Amoris laetitia. Das Evangelium von der Familie“ 11. Symposion des Kardinal Walter Kasper Institutes


Kardinal Walter Kasper (Foto: Kessler)

Kardinal Walter Kasper (Foto: Kessler)

Verena Breitbach. Vom 19. bis 21. Mai 2017 fand das Symposion des Kardinal Walter Kasper Instituts an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar (PTHV) zum 11. Mal statt. Rund 120 Gäste sind dazu in die Aula der PTHV gekommen. Mit namhaften Referenten, darunter auch Teilnehmern der Weltbischofssynoden, hat das das Institut über das Thema „Amoris laetitia. Das Evangelium von der Familie“ reflektiert. Papst Franziskus hat mit seinem Schreiben ‚Amoris laetitia‘ nicht nur weitreichende Impulse für die Ehe- und Familienpastoral gegeben, sondern auch kritische Fragestellungen, wie die des Kommunionempfangs für wiederverheiratete Geschiedene, angesprochen.

Ehe und Familie - ein Menschenthema

„Ehe und Familie sind nicht nur ein Thema der Katholiken, sondern es ist ein Menschenthema“, sagte Prof. P. Dr. George Augustin SAC, Direktor des Institutes, in seiner Begrüßungsrede am Freitagabend. „Das Gelingen von Ehe und Familie ist nicht Selbstverständnis, sondern es braucht Orientierung. Das Thema ist viel umfassender und kostbarer, als es oftmals diskutiert wird.“ Von der christlichen Botschaft her gelte es, Räume zu schaffen, um Wege zu finden. „Wie können wir das als Zeugnis für die Welt vorlegen?“, fragte er und führte somit in den sich anschließenden Eröffnungsvortrag „Amoris laetitia – Das Evangelium von der Familie“ von Kardinal Walter Kasper ein.

Portrait von Kardinal Walter Kasper bei seinem Eröffnungsvortrag am 19.05.2017 (Foto: Timo Michael Kessler)

Portrait von Kardinal Walter Kasper bei seinem Eröffnungsvortrag am 19.05.2017 (Foto: Timo Michael Kessler)

„In dem Schreiben geht es um die Zukunft der Menschheit – die Familie gilt als Abbild der Kirche; die Familie ist der Weg der Kirche“, sagte Kardinal Kasper zusammenfassend. Er erklärte zunächst, dass kaum ein apostolisches Schreiben so viel diskutiert wurde, insbesondere das Kapitel 8, in dem es um die „zerbrechlichen Situationen“ geht. Dies sei aber nicht die elementare Frage von Amoris laetitia. Vielmehr sei es Ziel des Schreibens, Wege zum Gelingen von Ehe und Familie zu finden. Dabei helfe die Kirche. Weiterhin erläuterte er: „Man kann das Kapitel 8 nur in Zusammenhang mit den vorausgegangenen Kapiteln verstehen.“

„Ehe und Familie“ sind kein Auslaufmodell

Laut Umfragen vor der Synode wurde deutlich, dass 1. Ehe und Familie das Lebens- und Glücksprojekt der allermeisten Menschen sei und damit eine tiefe menschliche Sehnsucht bzw. kein Auslaufmodell und dass 2. eine Kluft herrsche zwischen der Lehre der Kirche und der gelebten Wirklichkeit. Kardinal Kasper machte auf die kontroversen Debatten sowie die Selbstkritik aufmerksam, die in Amoris laetitia eingegangen sind. „Wer Amoris laetitia kritisiert, der kritisiert nicht nur den Papst, sondern alle, die an der Synode beteiligt waren. Aber lieber eine diskutierende Kirche, als eine tote Kirche“, sagte Kardinal Kasper. „Wir alle sind aus der Synode anders rausgegangen, als wir reingegangen sind.“

„Kirche muss den Weg der Erneuerung ständig gehen“

„Neben dem synchronen (heutigen) Dialog müssen wir uns auch dem diachronen (traditionellen) Dialog stellen“, sagte Kardinal Kasper. Denn die Kirche müsse den Weg der Erneuerung ständig gehen. „Die Tradition ist kein stehendes Gewässer, sondern ein sprudelnder Quell.“ Ehe und Familie solle als Weg – als Weg der Liebe, Lebensweg, Wachstum und Reife – verstanden werden, Pastoral dementsprechend als Wegbegleitung. „Der Papst geht dabei nicht von einem abstrakten Idealbild der Ehe aus“, erklärte Kardinal Kasper. Bereits Johannes Paul II. habe bei der Ehe vom Gesetz der Gradualität gesprochen. „Man kann das Gesetz nur in Schritten erreichen“, sagte Kardinal Kasper. „Es ist aber kein fernes, unerreichbares Ziel. Es ist vielmehr ein Reisegefährte auf dem Weg.“

Laut Papst Franziskus ist die Ehe kein Fertigprodukt, vielmehr werden die Eheleute zu Protagonisten eines Produktes, welches sie selbst gestalten. Es gibt nach der Eheschließung auch Krisen – die Kirche muss dann da sein. Dabei gehe es nicht um eine Situationsethik, sondern um die Verwirklichung der christlichen Pastoral. Das Verständnis von Ehe und Familie lehne sich an das Zweite Vatikanische Konzil an: Ehe als Bund, ein Bund, der auch eingegliedert ist in die Heilgeschichte. Ehe und Familie sind in der Schöpfungsgeschichte begründet, daher könne man sie nicht neu erfinden. Ehe und Familie seien ein Ort, wo Menschen Heimat suchen. „Amoris laetitia ist das Abbild der dreifaltigen Liebe Gottes – erst in diesem Zusammenhang wird die Unauflöslichkeit der Ehe verständlich“, erklärte Kardinal Kasper. „Was von Gott verbunden ist, das darf nicht getrennt werden. Es soll nicht als Joch, sondern als Geschenk gesehen werden.“ Mit dem Treueversprechen verspreche Gott die Treue, „auch wenn wir untreu sind“. Dies sei besonders wichtig in einer heutigen Zeit des Provisorischen. „Zeugnis geben heute nicht die Kirchen, sondern die Familien“, verdeutlichte Kardinal Kasper, bevor er zum Abschluss seines Vortrages kam.

Was tun beim Scheitern?

Auf die Frage: „Was kann die Kirche im Falle des Scheiterns der Ehe sagen und tun?“, antwortete Kardinal Kasper: Darauf gibt es kein Patentrezept, denn 1. lässt der Papst keinen Zweifel daran, dass es auch außerhalb der eigentlichen Ehe eheähnliche Elemente gibt. 2. gilt es, Situationen zu unterscheiden, vor allem das objektive Verbot und die subjektive Schuldhaftigkeit. Entscheidend sei das persönliche Gewissen. 3. Allgemeine Gesetze sind ihrem Wesen nach unvollständig, deshalb kann man nicht eine allgemeine Norm auf alle Situationen anwenden. Man müsse stets den Einzelfall in der konkreten Situation betrachten. Es gelte, das Gesetz mit Barmherzigkeit anzuwenden. „Der Papst legt Prämissen zur Lösung der Fragen, zeigt einen möglichen Weg, aber keine allgemeine Regel auf.“ Abschließend sagte Kardinal Kasper: „Wir alle sind aufgerufen etwas, das über unsere Grenzen geht, gemeinsam zu lösen. Verzweifeln wir nicht an unserer Begrenztheit.“

Aspekte der Auslegung des nachsynodalen apostolischen Schreibens ‚Amoris laetitia‘

Am Samstag referierte Prof. Dr. Markus Schulze SAC (Dogmatiker, Vallendar) zum Thema „'Coniugium' und 'Matrimonium'. Zur theologischen Sinnbestimmung von Ehe und Familie bei Thomas von Aquin“ und anschließend Prof. Dr. Helmut Hoping (Dogmatiker, Freiburg i. Br.) zu „Konsens und Segen. Zur Frage nach dem Spender des Ehesakraments“. Am Nachmittag sprachen Prof. Dr. Eberhard Schockenhoff (Moraltheologe, Freiburg i. Br.) zum Thema „Theologischer Paradigmenwechsel und neue pastorale Spielräume“ und Prof. Dr. Kerstin Schlögl-Flierl (Moraltheologin, Augsburg) unter dem Titel „Drei Worte: ‚darf ich?‘, ‚danke‘ und ‚entschuldige‘ (AL 133). Über das Gelingen des Familienlebens aus der Perspektive von Amoris Laetitia“ zum Streit um die richtige Auslegung des nachsynodalen apostolischen Schreibens ‚Amoris laetitia‘. Am Abend referierte Prof. Dr. Aloys Buch (Moraltheologe, Lantershofen) zum Thema „‘Amoris laetitia‘ mitgestalten. Christliche Ehe und Familie als Anspruch und Auftrag“. Prof. Buch hat mit seiner Frau Petra an der Bischofssynode zum Thema „Die Berufung und Sendung der Familie in Kirche und Welt von heute“ teilgenommen und war dort als Berater tätig.

Prof. P. Dr. George Augustin SAC, Direktor des Kardinal Walter Kasper Institutes (l), Kardinal Walter Kasper, Diakon Prof. Dr. Aloys Buch (Foto: Brehm)

Prof. P. Dr. George Augustin SAC, Direktor des Kardinal Walter Kasper Institutes (l), Kardinal Walter Kasper, Diakon Prof. Dr. Aloys Buch (r) (Foto: Brehm)

Gottesdienst zum Diamantenen Priesterjubiläum

Hbre. Das Symposium endete am Sonntag mit einem Pontifikalamt zur Feier des Diamantenen Priesterjubiläums von Kardinal Walter Kasper. Auch wenn es bewegte 60 Jahre gewesen seien, so habe er es nie bereut, zum Weg des Priestertums Ja gesagt zu haben, betonte Kasper zu Beginn seiner Predigt. "Priester werden und Ja zu sagen heißt eben auch alles auf eine Karte zu setzen. Und diese Karte heißt Jesus Christus." In sein Leben sei die Einberufung des Konzils gefallen, ein "Durchgang des Heiligen Geistes durch die Kirche". Dieses Konzil habe viel gebracht: Erneuerung des Kirchenverständnisses vom Volk Gottes, zu dem alle gehören, die Sendung der Laien in der Welt, die Bedeutung des Wortes Gottes und der heiligen Schrift , die ökumenische Öffnung und eine neue Offenheit gegenüber der heutigen Welt. "Wir haben dieses Konzil noch längst nicht ausgeschöpft und wir brauchen dazu mindestens nochmals 50 Jahre", so Kardinal Kasper. Die Theologie, die er entwickelt habe, versuche im Grunde "eine Theologie des Weges zu sein, auf dem der Heilige Geist die Kirche in ihrer ganzen Geschichte begleitet hat, sie heute begleitet und sie in die Zukunft hineinführt."

Dieser Geist wirke auch heute noch viel neues. "Es ist noch viel Glut unter der Asche, es geht nicht nur zurück!" Allerdings sei ihm bei seiner Aufgabe in Rom immer deutlicher geworden, dass "Südwind" in der Kirche wehe. Mehr als zwei Drittel der Christen lebe heute in der südlichen Hemisphäre und inzwischen komme ja auch der Papst aus dieser Gegend. Papst Franziskus wolle eine Kirche, "die hinaus geht an die Peripherien der Welt, der menschlichen Existenz. Er will eine Kirche für die Armen und mit den Armen, eine Kirche der Freiheit und des Freimutes, eine Kirche der Barmherzigkeit." Leider sei diese Botschaft in Deutschland noch nicht voll angekommen. Die Kirche in Deutschlands müsse sich hier von Gottes Geist in Frage und neu anschieben lassen. Das Grundproblem sei eine Gottesmüdigkeit, eine Gleichgültigkeit und Lustlosigkeit, zu den tieferen geistigen Fragen des Menschseins und der Welt vorzudringen. Eine gewisse geistliche Lauheit habe sich hier breit gemacht. Erhalten und verwalten genüge nicht mehr. Es brauche mehr Begeisterung: "Wir brauchen neu das Feuer des Heiligen Geistes, der uns aufrüttelt, der uns wärmt und anfeuert." Und bei allen Diskussionen um neue Formen des priesterlichen Lebens und Dienstes wolle er betonen: "Wir brauchen in erster Linie Priester, die aus dem Schwung des Heiligen Geistes alles auf eine Karte setzen, alles riskieren, weil sie sich auf IHN verlassen und sich dann auf das Abendteuer mit dem Heiligen Geist einlassen. Nur so können sie eine ansteckende Freude und Begeisterung ausstrahlen."


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