Nachrichten

28. April 2017 | Kommentar der Woche | 

Hubertus Brantzen: Le Pen und die Angst


Kommentar der Woche (Grafik: POS, Brehm)

(Grafik: POS)

Auf dem Hintergrund des ersten Wahlgangs der französischen Präsidentschaftswahlen beschäftigt sich Prof. Dr. Hubertus Brantzen, Mainz, mit der "Angst hinter der Angst", die er als treibende Kraft für den wachsenden Populismus in Europa sieht. In seinem Kommentar der Woche bei basis-online.net äußert er die Hoffnung, dass "die zu erwartende Wahl Emmanuel Macrons zum neuen Präsidenten Frankreichs" eine gemäßigte Politik mit weniger Populismus erwarten lasse. Lesen Sie nachfolgend den neuen "Kommentar der Woche".

Prof. Dr. Hubertus Brantzen, Mainz (Foto: spurensuche.de)

Prof. Dr. Hubertus Brantzen, Mainz (Foto: spurensuche.de)

Dr. Hubertus Brantzen, Mainz

Le Pen und die Angst

Der Wahlausgang der ersten Runde zur Präsidentenwahl in Frankreich lässt für Europa hoffen. Wie es aussieht, wird Emmanuel Macron wohl das Rennen um das erste Amt in unserem Nachbarland gewinnen. Aufatmen ja. Aber damit ist das Problem des Rechtrucks à la Le Pen in Frankreich und vielen europäischen Ländern nicht vom Tisch. Was treibt die Menschen dazu, auf populistische Parolen zu hören? Was wird in ihnen angerührt, wenn fremdenfeindliche Töne angestimmt werden?

Ich meine, es ist die Angst hinter der Angst. Die Angst, die im Untergrund eines jeden Menschen lauert. Vordergründige Ängste sind eher mit rationalen Argumenten zu bändigen, etwa: Bei einer Einwohnerzahl von über 80 Millionen lässt sich eine Million Flüchtlinge bewältigen. Oder: Stecke 100 deutsche junge Männer auf engem Raum zusammen, und sie werden die gleichen Aggressionen wie ausländische Männer zeigen.

Diese und andere gute Argumente kommen bei den Menschen nicht an, wenn die Ängste hinter den Ängsten aktiviert werden. Diese hinter- oder untergründigen Ängste werden dann geweckt, wenn Urbedürfnisse des Menschen angesprochen und in Frage gestellt werden. Solche Urbedürfnisse sind die Wahrung der eigenen Identität und Territorialität.

Um unser persönliches Territorium zu sichern und das Gefühl von Schutz und Sicherheit zu haben, investieren wir in Versicherungen, in Alarmanlagen und, nicht zu vergessen, in Zäune um unser Haus und unseren Garten. Selbst viele Amerikaner, die um ihre Wohnanlagen keine Zäune haben, sind dafür ansprechbar; jetzt wollen sie einen hohen Zaun an ihrer Landesgrenze errichten.

Wer in mein Territorium eindringt, gefährdet meine Existenz, meine Identität und durchbricht den Schutzwall, der mir Sicherheit gibt – so funktioniert die Logik des emotionalen seelischen Untergrunds, den sich die Menschen im Laufe ihrer stammesgeschichtlichen Entwicklung erworben haben. Die Reflexe aufgrund dieser Bedürfnisse sind in sich gut und sichern das Überleben.

Doch gnade uns Gott, wenn diese Reflexe von außen manipuliert und von Demagogen für ihre Machtansprüche missbraucht werden. Dann reagiert der Mensch mit jener Angst hinter den Ängsten. Dann werden Emotionen entfesselt, die auch Fake News, Säbelrasseln und irrationale Aktionen im kleinen Leben des Einzelnen und in der großen Welt der Politik in Kauf nehmen.

Zunächst ist die zu erwartende Wahl Emmanuel Macrons zum neuen Präsidenten Frankreichs ein Trostpflaster für die europäische Seele. Sie lässt eine gemäßigte Politik mit weniger Populismus erwarten. Es bleibt aber zu hoffen, dass der wirtschaftsliberale Kurs Macrons nicht die Armen noch ärmer, die Unzufriedenen noch unzufriedener macht und gerade dadurch Vorlagen für noch mehr Populismus liefert. Mag dem neuen Präsidenten sein Vorname Ansporn sein, alles dafür zu tun, dass alle Menschen der „Grande Nation“ die Erfahrung machen, dass „Gott mit ihnen“ ist.

Prof. Dr. Hubertus Brantzen, Mainz


Top