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23. Dezember 2016 | Was bewegt | 

Den kühnen Weg des Glaubens nachgehen


Pater Josef Kentenich, 1941 (Foto: Archiv Marienschwestern)

Pater Josef Kentenich, 1941 (Foto: Archiv Marienschwestern)

23.12.1941. Es sind schon drei Monate, dass Pater Kentenich in Koblenz von der Gestapo inhaftiert wurde. Die ersten vier Wochen Dunkelhaft und totaler Isolation hat er im Vertrauen auf Gott ungebrochen überstanden. Jetzt können auf verschlungenen Wegen wenigstens kleine Nachrichten ausgetauscht werden. Aber er ist immer noch in Koblenz im Karmelitergefängnis eingesperrt. Auch hier sind die Bedingungen nicht einfach: „Die Freiheitsbeschränkung geht hier bis in kleinste Kleinigkeiten. ‚Petrus, es kommt die Zeit, da wird ein anderer dich gürten.‘ (vgl. Joh 21,18) Die Zeit ist jetzt da.“ (Brief Pater Kentenichs vom 21.12.1941)  Die ganze Schönstattbewegung bangt mit um das Schicksal ihres Gründers. Sie würden ihn am liebsten wieder frei sehen. Und natürlich vermissen sie ihn in Schönstatt. Kurz vor Weihnachten entsteht in dieser Situation die Bewegung des Mariengartens. Der nachfolgende Artikel von Mitgliedern des Schönstatt-Frauenbundes, Bayern, aus der Reihe "den kühnen Weg des Glaubens nachgehen", erzählt von diesen Vorgängen vor 75 Jahren.

Den kühnen Weg des Glaubens nachgehen (Foto: Schönstatt-Frauenbund Bayern)

Den kühnen Weg des Glaubens nachgehen (Foto: Schönstatt-Frauenbund Bayern)

Den kühnen Weg des Glaubens nachgehen

Der Christkindbrief

Schönstatt-Frauenbund, Bayern. Es ist der 23. Dezember 1941 im Krankenhaus in Koblenz. Dort bereitet sich eine Filiale der Marienschwestern auf Weihnachten vor. Schwester Mariengard überlegt, wie sie ihren größten Herzenswunsch zum Ausdruck bringen kann. Sie kommt auf die Idee, diesen passend zur Stimmung und zur Botschaft der Weihnachtszeit in einem Christkindbrief zu formulieren, ganz vertrauensvoll und gläubig wie ein Kind:

„Liebes Christkind!

Bald steigst Du in der Heiligen Nacht wieder auf die Erde hernieder, und ich habe Dir noch gar nicht geschrieben, was Du mir bringen sollst.

Jedes Jahr bringst Du doch allen braven Kindern viele schöne Sachen. Auf diese will ich gern verzichten, wenn nur Vater wiederkommt.

Ich habe nämlich dieses Jahr eine ganz große Bitte an Dich. Unser lieber Vater ist schon so lange fort von uns, und wir haben alle Heimweh nach ihm. Kannst Du es nicht so machen, dass Du, wenn Du in der Heiligen Nacht zur Erde steigst, einen Engel zu Vater schickst? Dann würde es auf einmal ganz hell in seiner Zelle. Der Engel würde sagen: Fürchte Dich nicht, ich verkünde Dir eine große Freude. Heute ist in Schönstatt der Heiland geboren. Geh eilends ins Kapellchen. Dort findest Du das Kind auf den Armen der Mutter! Und dann würden viele Engel kommen und Vater den Weg bahnen zum kleinen Heiligtum. Dort würde er das "Wunder der Heiligen Nacht" schauen. Das Kind würde sagen: Du darfst jetzt immer bei mir bleiben und Deinen Kindern viel von mir erzählen, damit sie an Hand meiner Mutter auch ganz zu mir finden. Und alle Schönstattkinder hätten eine übergroße Freude und würden die ganze Nacht Dich und Deine Mutter loben. Und später noch würde man sprechen von dem "Wunder der Heiligen Nacht".

Gelt, liebes Christkind, jetzt muss ich noch zweimal schlafen, dann ist Weihnachten: Ich vertraue ganz fest, dass Du mir meine Bitte erfüllst, weil Du doch mächtig bist und an Weih­nachten alle braven Kinder beschenkst. …

O Du liebes Jesuskind, hör doch unser Flehen,
lass uns alle doch recht bald Vater wiedersehen!
Woll'n dann mit den Englein droben
Dich und Deine Mutter loben:
Jesus und Maria!”

Mit dem Briefchen will Schwester Mariengard ihren Mitschwestern zu Weihnachten eine Freude machen. Bei Kerzenschein im Advent und an Weihnachten lieben auch wir eine schöne Geschichte. Allerdings ist 1941 schon 2 Jahre Krieg, so dass es nur wenig Glühwein und Plätzchen gibt. Umso wichtiger ist etwas fürs Herz.

Das allein ist aber nicht das Anliegen des Christkindbriefes. Nein, es geht um viel mehr: Um das Gebet für die Rückkehr Pater Kentenichs aus dem Gefängnis und die Stärkung des Vertrauens, dass Gottes Wege letztlich immer zum Guten führen, auch wenn es momentan nicht so aussieht. Daran sollen die Mitschwestern erinnert werden.

Schwester Mariengard lässt den Brief der Oberin zukommen. Dieser gefällt er so gut, dass sie damit Pater Kentenich eine Freude machen möchte. Sie sorgt dafür, dass er mit der Bemerkung „Der Brief ist von Mariengard“ ins Gefängnis gebracht wird.

Die Antwort

Jetzt kommt Pater Kentenichs Glaube an die Vorsehung ins Spiel. Wie so oft, begreift er auch hier den Brief als Wink Gottes. In der Oktoberwoche 1950 erzählt er selber davon:

„Ich weiß noch gut, ich habe es nachts bekommen, habe mich im Bett aufgerichtet und geantwortet. Das mache ich immer so, was der Herrgott in denen wirkt, die er mir schenkt, greife ich immer auf. … Das Brieflein war an das Christkind geschrieben, die Antwort musste sich also dem Kinderton anpassen. Wollen Sie das Brieflein auch hören? Gelt, jetzt wird das Kind in uns allen wach.

Meine liebe kleine Mariengard!

Deinen Wunsch erfülle ich, wenn Dein Herz und das Herz der ganzen Familie ein blühender Mariengarten geworden ist; also ist die Erfüllung Deiner Bitte, das ‚Wunder der Heiligen Nacht', in Deine und der Schönstattkinder Hand gelegt. Beeilt Euch, damit es nicht zu spät wird. Ich habe nämlich noch viel vor, und dazu brauche ich Vater. Jetzt bereite ich ihn darauf vor. Wenn Ihr Euren Garten fein bestellt, beschleunige ich die Feil- und Meißelarbeit. Zum Troste teile ich Dir mit, dass in Vaters Zelle immer Licht und Wärme herrscht. Und Arbeit hat er fast so viel wie in Schönstatt. Soviel Besuch empfängt er täglich.

Herzlichen Gruß und Segen vom Himmel ..."

Das Antwortbriefchen wird zuerst zu einer anderen Filiale der Schwestern geschickt, so dass es ein paar Tage dauert, bis es in Koblenz ankommt. Dort liest es zuerst Schwester Mariengard mit der Oberin. Können Sie sich die Freude vorstellen? Ein Brief von Pater Kentenich persönlich, unter Gefahren geschrieben, nur für Schwester Mariengard als Antwort auf eine Idee zur Vorbereitung auf Weihnachten! Und der Gründer geht auf ihren tiefsten Wunsch ein! Er gibt Hoffnung in schwieriger Situation. Auch Schwester Mariengard greift die Anregung sofort auf:

„… Dann bin ich gleich an die Arbeit gegangen, weil ich doch sofort anfangen wollte mit dem ‚Mariengarten‘, und da gehört ja ‚treueste Pflichterfüllung‘ auch dazu. Aber Du glaubst nicht, ich konnte Dein Brieflein nicht vergessen. Immer hörte ich in den Ohren: ‚Meine liebe kleine Mariengard!‘ “

Die Strömung des Mariengarten

Die Briefchen bleiben nicht in der Koblenzer Filiale der Marienschwestern. Zu wertvoll ist ihr Inhalt, der tiefe Glaube, der hier zum Ausdruck kommt: Das, was die einen leben und opfern können in ihrer ganz normalen, sicher immer wieder auch beschwerlichen Arbeit, kann Gott für andere fruchtbar machen, auch wenn wir selber nicht wissen für wen und wie. Aus unserem Bemühen, aus allen Fragmenten, die wir bringen, macht Gott dann ein schönes Bild nicht nur für uns selber, sondern für alle Menschen.

So wird aus dem einfachen Briefchen mit der Zeit eine große Strömung. Zunächst greifen die Marienschwestern die Idee auf, später die ganze Schönstattbewegung. Viele Gruppen wählen sich eine Blume, mit der sie sich in diesen Garten einpflanzen wollen. Es gibt Veilchen, die nur klein und unansehnlich, selbstlos dienend sein wollen, Rosen, die einen Dornenstrauch erblühen lassen, fleckenlos reine Lilien und vieles mehr.

Ein frohes Weihnachtsfest

Die Gewissheit, dass die ganze Schönstattbewegung sich einsetzt, treu den gemeinsamen Weg weitergeht, und die Gewissheit, dass Gottes Wege gut sind, dass es um mehr geht als nur um seine Person, lässt Pater Kentenich trotz allem ein frohes Weihnachtsfest feiern:

„Die Feier war schlicht und sinnig... Was man mit Kleinigkeiten – richtig angeordnet – nicht fertig bringt. Herzl. Dank allen, die an den Überraschungen sich aktiv beteiligt.“ (Brief vom 24.12. 1941)

Ich vermisse dich!

Du hast mich verlassen!
Ich bin so allein.
Mir fehlen dein Rat, deine erklärenden Worte, dein Blick,
die Aufmerksamkeiten deiner Liebe!

Wie es dir wohl geht?
Ich habe nur eine kleine Ahnung, wie schwer es für dich ist.
Wer umgibt dich mit Liebe?
Wer sorgt für dich?

Es wäre so schön, wenn wir uns wiedersehen könnten!
Ich wünsche dir, dass die Mühsal ein Ende nimmt.
Wie gerne wäre ich wieder bei dir!

"Als er das gesagt hatte, wurde er vor ihren Augen emporgehoben, und eine Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Blicken. Während sie unverwandt ihm nach zum Himmel emporschauten, standen plötzlich zwei Männer in weißen Gewändern bei ihnen und sagten: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor? Dieser Jesus, der von euch ging und in den Himmel aufgenommen wurde, wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn habt zum Himmel hingehen sehen." (Apg 1,9-11)


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