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18. November 2016 | Worte des Bewegungsleiters | 

Bündniskultur - „Er kam hinzu und ging mit ihnen“ (Lk 24,15)


Jahresmotiv 2017 der Schönstatt-Bewegung in Deutschland (Grafik: Grabowska)

Jahresmotiv 2017 der Schönstatt-Bewegung in Deutschland (Grafik: Grabowska)

Liebe Mitglieder und Freunde unserer Schönstatt–Bewegung!

Dankbar dürfen wir auf die Begegnung im Oktober schauen. Das Oktobertreffen der deutschen Schönstatt-Bewegung (15./16. Oktober) und die Feier des Schönstatt-Tages, der 18. Oktober, haben uns die Ausrichtung auf das neue Jahr geschenkt: „Er kam hinzu und ging mit ihnen“ (Lk 24,15)

„Er kam hinzu und ging mit ihnen“  (Lk 24,15)

Das Hinzukommen Jesu auf den Wegen, die seine Jünger gehen, ist die andauernde Kraft- und Lebensquelle der Kirche.

Bei seinem Besuch zum Auftakt des Reformationsgedenkjahres hat Papst Franziskus in Lund, Schweden, aus katholischer Perspektive seine Dankbarkeit zum Ausdruck gebracht, „dass die Reformation dazu beigetragen hat, die Heilige Schrift mehr ins Zentrum des Lebens der Kirche zu stellen“ (31.10.2016). Dass uns in diesem Jahr ein biblisches Jahresmotto begleitet, ist – obwohl es schon lange vor dem Besuch des Papstes in Lund formuliert wurde – wie ein Aufgreifen dieses Hinweises auf die Heilige Schrift. Als roten Faden für die Monatsimpulse des Bündnisbriefes möchte ich immer wieder eine der Begegnungserfahrungen des Neuen Testamentes aufgreifen und damit in diesem Jahr unseren Weg mit der Heiligen Schrift vertiefen.

Am 18. Dezember 2016 ist der 4. Adventssonntag, und im Gottesdienst fällt der Blick auf Josef, der mit Maria verlobt war (Mt 1,18) und eine Entscheidung fällen muss über seine Rolle und seinen Beitrag.

Biblische Begegnungen

„Während Josef noch nachdachte, erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sagte: Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist.“ (Mt 1,20)

Mt 1,20de

Nebendarsteller oder „supporting role“

Es braucht die innere Anregung des Engels, die Josef deutlich macht, in welch großes Geschehen er hineingezogen ist. Er erlebt den neuen Aufbruch, den neuen Anfang, den Gott in der Geschichte der Menschen setzen möchte, ohne begreifen zu können, um welche Dimensionen es geht. Die Menschwerdung des Sohnes Gottes in Jesus von Nazaret soll Wirklichkeit werden, und zwar als ein verborgener und geschützter Vorgang im Raum der Heiligen Familie von Nazaret.

Wenn in Hollywood der „Oscar“, der berühmte Preis der Filmakademie, verliehen wird, dann gibt es viele Kategorien für diesen Preis. In den deutschen Berichten ist da immer vom Preis für die besten Hauptdarsteller und für die besten Nebendarsteller die Rede. Im Englischen heißen diese Kategorien Preis für die „leading role“ (die führende Rolle) in einem Film und Preis für die „supporting role“ (unterstützende Rolle).

Josef ist in der dramatischen Geschichte der Menschwerdung nicht einfach Nebendarsteller, der eben daneben steht. Er hat eine „supporting role“: Er ist Unterstützer. Er gibt Rückendeckung. Er wird hineinverwickelt in Zusammenhänge, die er nicht überschauen und begreifen kann. Und doch hängt viel davon ab, dass er seinen Platz einnimmt und Ja sagt zu seiner „supporting role“ im göttlichen, heilsgeschichtlichen Drehbuch. Für Josef ist der Anruf ganz konkret, für den er sein Ja und seine Bereitschaft geben muss. Dieses Ja ist viel wichtiger, als er selbst im Moment sehen und glauben kann. Und doch weiß er, dass der Anruf des Engels ihn ganz herausfordert und er darf und will nicht ausweichen. „Josef, ihr Mann, der gerecht war und sie nicht bloßstellen wollte, beschloss, sich in aller Stille von Maria zu trennen. Während er noch darüber nachdachte, erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sagte: Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären; ihm sollst du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen.“ (Mt 1,19-21) Und die Antwort ist unmittelbar, wortlos und praktisch und macht sein ganzes Leben zur „supporting role“ im Plan Gottes. „Als Josef erwachte, tat er, was der Engel des Herrn ihm befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich.“ (Mt 1,24)

Hat mein Leben Bedeutung?

In einer Welt mit über 7 Milliarden Menschen steckt uns allen unbewusst unter der Haut die Suche nach einer Antwort auf eine tiefsitzende Frage: Bin ich ein kaum sichtbares Sandkorn in der namenlosen Menge der Menschen oder bin ich ein wertvolles Unikat, das einen geradezu unendlichen Wert hat? Die Sehnsucht nach Wertvollsein steckt tief in uns.

Vielleicht steckt aber als noch tiefere Verunsicherung in uns nicht nur die Frage, ob ich wertvoll bin, sondern auch die Frage, ob das, was ich tun und bewirken kann, wichtig ist und Bedeutung hat.

Im Juni 2016 startete in den deutschen Kinos der Film „Tomorrow – Die Welt ist voller Lösungen“ (www.tomorrow-derfilm.de). Dieser Film fängt wie ein Dokumentarfilm an über den Umweltkollaps, auf den die Welt zusteuert. So etwas hat man schon gelegentlich gesehen. Aber dann kommt es doch anders. Der Film ist eine Reise durch 10 Länder, wo am Ende Hunderte von Personen vorgestellt werden, die alle in bestimmten einzelnen Projekten tätig sind. Und manch einer, der den Film gesehen hat, sagt: „Mit so viel Energie bin ich noch nie aus dem Kino herausgegangen.“ Eine Aufzählung, eine Darlegung, es geschieht an allen möglichen Stellen etwas, und die Probleme sind so, dass sie nur von allen gelöst werden können. Wir brauchen heute dieses Umdenken. In einer Welt, in der alles zusammenhängt, kann auch jeder das Ganze mitverändern.

Josef lebt die Lösung, die ihm möglich ist

Josef ist ein Mann, der an seiner Stelle die Lösung lebt, die er als seinen Anruf erkennt und die ihm möglich ist. Die biblische Perspektive unseres Jahresmottos zeigt uns, was es für uns heißt, ein „Schönstatt im Aufbruch“ zu leben. Die Pläne Gottes sind größer, als wir überschauen können.  Für uns kommt es darauf an, nicht als Nebendarsteller danebenzustehen, sondern unsere „supporting role“ zu erkennen und zu spielen. Und im Ja zu meinem Auftrag und aus meinem Blickwinkel ist diese „supporting role“ der Beitrag, den ich so gut wie möglich spielen möchte und für den ich der Hauptdarsteller bin.

Zum Weihnachtsfest wünsche ich uns allen ein echtes Staunen darüber, wie „babyhaft“ klein der Anfang war, den Gott im Geheimnis der Menschwerdung gesetzt hat. Und ein Staunen darüber, wie groß die Liebe des unendlichen Gottes zur menschlichen Kleinheit und Begrenztheit sein muss, dass er einen so ohnmächtigen Weg gewählt hat, um seine erlösende Liebe zu zeigen.

Mit weihnachtlichen Grüßen vom Urheiligtum

Ihr

P. Ludwig Güthlein
Schönstatt-Bewegung Deutschland


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