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20. Oktober 2016 | Oktober-Treffen | 

Bündniskultur: In einer Welt, in der alles zusammenhängt, kann auch jeder Einzelne das Ganze mit verändern


Pater Ludwig Güthlein, Leiter der Schönstatt-Bewegung Deutschland (Foto: Brehm)

Pater Ludwig Güthlein, Leiter der Schönstatt-Bewegung Deutschland (Foto: Brehm)

Hbre. Pater Ludwig Güthlein, Leiter der Schönstatt-Bewegung Deutschland, kam die Aufgabe zu, das neue Jahresmotto mit einem Impulsvortrag am Ende des Oktober-Treffens zu erschließen. Das Jubiläum im Rücken und das Stichwort Bündniskultur vor Augen als zukunftsweisendes Wort für den Aufbruch des internationalen Schönstatts in die Zukunft, weise das Motto „er trat hinzu und ging mit ihnen“, das dem Lukasevangelium entnommen sei, darauf hin, dass für die deutsche Schönstatt-Bewegung der Name des Aufbruchs in diesem Jahr „sich Einlassen auf einen Weg“ heiße.

„Gibt es eine Möglichkeit, den Rucksack, den wir voll von schwierigen Dingen spüren, einfach abzustellen? Wie wäre es denn, einfach ohne diesen Rucksack zu gehen?“ (Foto: Brehm)

„Gibt es eine Möglichkeit, den Rucksack, den wir voll von schwierigen Dingen spüren, einfach abzustellen? Wie wäre es denn, einfach ohne diesen Rucksack zu gehen?“ (Foto: Brehm)

Impulsvortrag von Pater Ludwig Güthlein zum Jahresmotto

Angesichts der globalen Umwelt- und Gerechtigkeitsfragen, der vielen Kriegsherde, des in Frage gestellten Projektes Europa, mancher Abbrüche in der Kirche und auch in der Schönstatt-Bewegung, und angesichts vieler persönlicher Grenz- und Ohnmachtserfahrungen des Einzelnen, stellte Güthlein die Frage:  „Gibt es eine Möglichkeit, den Rucksack, den wir voll von schwierigen Dingen spüren, einfach abzustellen? Wie wäre es denn, einfach ohne diesen Rucksack zu gehen?“ Aufbruch heiße hier vielleicht: „Mit dem, was wir sind, uns einlassen auf die Situation und die Menschen. Und einen gemeinsamen Weg gehen. … Und neu spüren, das ist mein Ort, mein Projekt, meine Art, wie ich mich von Schönstatt aus einsetzen kann und einsetzen möchte.“

Wiedergewinnung der Subjekthaftigkeit: „Hat das, was ich tue, Bedeutung?“

Knackpunkt in diesen Überlegungen sei allerdings die Beobachtung, dass Alltag und Gesellschaft immer mehr auseinanderfallen. Heute frage sich der überwiegende Teil der Gesellschaft, was der Einzelne durch sein kleines, unbedeutendes, alltägliches Leben schon für die Gesellschaft, das große Ganze tun könne. „Ich glaube“, so Güthlein, „es war die Stärke des jungen Schönstatt und es wird die Stärke des jungen Schönstatt hier in den nächsten Jahren sein, dass sich das berührt. Dass wir merken, das kleinste alltägliche Leben hat etwas mit dem großen Ganzen, mit unseren Zielen und Visionen zu tun.“ Es gehe um eine Wiedergewinnung der Subjekthaftigkeit. Menschen müssten sich selbst wieder als Subjekte ihrer eigenen Lebensgeschichte und als gestaltende Kräfte ihrer Umgebung erleben. Das vergangene „Jahr der Barmherzigkeit“ habe besonders darauf hingewiesen, wie wertvoll jeder Mensch ist und welch unzerstörbaren Wert jeder Mensch in den Augen Gottes habe. Jetzt aber gehe es um die Frage, „hat das, was ich tue, Bedeutung? Ist es wirklich wichtig, oder ist es letztlich egal?“ Es brauche den Perspektivenwechsel darauf, dass in einer Welt, in der alles zusammenhänge, nicht nur der Einzelne vom globalen Ganzen abhänge, sondern jeder Einzelne auch das Ganze mit verändern könne. „Gestaltung des Alltages, Gestaltung einer Alltagskultur – und das als Beitrag unseres Hineinwirkens in die Gesellschaft, in die größeren Zusammenhänge, ich glaube da liegt eine Schlüsselherausforderung für uns“, so Pater Güthlein. Dieser Perspektivenwechsel fordere eine Entscheidung: „die Entscheidung: ja, ich lasse mich ein!“

"Pater Kentenich hat Schönstatt als vernetze Bewegung von Gruppierungen, Gemeinschaften und Projekten gedacht, die aus dem Vorgang des sich Einlassens und miteinander Unterwegsseins leben." (Foto: Brehm)

"Pater Kentenich hat Schönstatt als vernetze Bewegung von Gruppierungen, Gemeinschaften und Projekten gedacht, die aus dem Vorgang des sich Einlassens und miteinander Unterwegsseins leben." (Foto: Brehm)

Bündniskultur beginnt „face to face“.

Bündniskultur heiße in diesem Zusammenhang eben nicht auf die großen Zahlen zu schauen, die im Übrigen alle eine Addition von vielen Einsen seien. Bündniskultur heiße, die Fähigkeit zu entwickeln, sich auf die eine „Eins“ einzulassen, ihre Bedürfnisse zu hören und darauf zu reagieren. Bündniskultur beginne also „face to face“. Daher stelle sich durchaus auch die Frage: „Bieten wir Veranstaltungen oder bieten wir Beziehungen an?“ Es gehe um ein sich Einlassen mit innerer Leidenschaft und darin die Fruchtbarkeit und das Dazukommen Jesu zu erleben.

Geschmack des Miteinanders neu entdecken

Das Motto weise auch darauf hin, sich auf einen gemeinsamen Weg einzulassen. Es sind mindestens zwei miteinander unterwegs. Bündniskultur heiße daher auch, den „Geschmack des miteinander Gehens“ neu zu entdecken.

Bündniskultur bedürfe auch der Offenheit des Blicks darauf, wo Gott Türen öffnet. Christian Hennecke beschreibe in seinem Buch „Kirche steht Kopf!“ erstaunlich viele kleine Aufbrüche im Bereich der Kirche, die zwar jeder für sich genommen zahlenmäßig nicht so groß seien, in ihrer Vielzahl und Vielfältigkeit aber beeindrucken und die Richtung für kirchliche Erneuerung anzeigen. „Aber wenn viele der kleinen Aufbrüche sich vernetzen und zusammenkommen, wird viel passieren“, ist Güthlein überzeugt. Pater Kentenich habe Schönstatt als vernetzte Bewegung von Gruppierungen, Gemeinschaften und Projekten gedacht, die aus dem Vorgang des sich Einlassens und miteinander Unterwegsseins leben.

„Die Politik heute braucht Bündniskultur, braucht diesen Schritt von der Begegnung zum sich verbindlich Einlassen auf das Miteinander.“ (Foto: Brehm)

„Die Politik heute braucht Bündniskultur, braucht diesen Schritt von der Begegnung zum sich verbindlich Einlassen auf das Miteinander.“ (Foto: Brehm)

Bündniskultur und kulturelle Synergien

Im Hinblick auf die politisch-gesellschaftliche Situation spreche Papst Franziskus davon, dass „kulturelle Synergien“ das Ziel seien. Wer sich die Schaffung einer Bündniskultur zur Aufgabe mache, müsse sich klar darüber sein, dass das Aufrichten von Mauern die Zukunft nicht schützen könne, denn damit würden nur alle ungelösten Probleme der nächsten Generation überlassen. Im Gegenteil gehe es der Bündniskultur um Dialog und Begegnung in einem tieferen Sinn. Sir Jonathan Sacks, Oberrabbiner Großbritanniens, drücke es so aus: „Dialog und Begegnung bringen auch sehr unterschiedliche Menschen zusammen. Aber Dialog kann sie nicht zusammenhalten. Es braucht einen Bund.“ Ein Bündnis, ergänzt Pater Güthlein: „Die Politik heute braucht Bündniskultur, braucht diesen Schritt von der Begegnung zum sich verbindlich Einlassen auf das Miteinander.“

Kultur- und Lebensgestaltung aus dem Liebesbündnis

Bündniskultur so Pater Güthlein, sei eine Kulturgestaltung, eine Lebensgestaltung aus dem Liebesbündnis heraus. Daher möge sich jede Gemeinschaft und jeder Einzelne fragen, wie Bündniskultur und das „sich Einlassen“ für sie, für ihn konkret aussehen kann.


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