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17. Oktober 2016 | Was bewegt | 

Im Vater geborgen – An die Dunkelhaft schließt sich die Haft im sogenannten Karmelgefängnis an


Pater Josef Kentenich, 1941 (Foto: Archiv Marienschwestern)

Pater Josef Kentenich, 1941 (Foto: Archiv Marienschwestern)

Vor 75 Jahren, am 18. Oktober 1941, endete für Pater Josef Kentenich die Dunkelhaft im Gefängnis der Nazis in Koblenz. Dunkelhaft, eigentlich ein Instrument, mit dem die Gefangenen psychisch gebrochen werden sollten. Doch für Kentenich war die „Kellerhaft mit ihrer außergewöhnlichen Zermürbungsmaschine“ keine schwere Stunde, wie er in einem Brief aus dem Jahr 1943 festhielt. Bevor er später im Konzentrationslager in Dachau interniert wurde, kam er zunächst in ein anderes Koblenzer Gefängnis, dass in den Gebäuden eines ehemaligen Karmelklosters untergebracht war. Der nachfolgende Artikel von Mitgliedern des Schönstatt-Frauenbundes, Bayern, greift Aspekte des „kühnen Weges des Glaubens“ auf, den Pater Kentenich in den Jahren des zweiten Weltkrieges ging und gehen musste.

Den kühnen Weg des Glaubens nachgehen (Foto: Schönstatt-Frauenbund Bayern)

Den kühnen Weg des Glaubens nachgehen (Foto: Schönstatt-Frauenbund Bayern)

Den kühnen Weg des Glaubens nachgehen

Schönstatt-Frauenbund, Bayern. 18. Oktober 1941. Erinnern Sie sich? Am 20. September 1941 wird Pater Kentenich zu einem Verhör bei der Gestapo bestellt und anschließend verhaftet. Seither ist er in einem ehemaligen Tresor eingeschlossen.

Dunkelhaft

Wie mag es gewesen sein? Allein im Dunkeln, auf sich gestellt, stunden-, tage-, wochenlang! Aus den Nachbarzellen Geräusche von Misshandlungen, Schreie verzweifelter Mithäftlinge.

Was geht da in einem Menschen vor – Angst vor dem, was noch kommen mag? Womit beschäftigen sich die Gedanken? Durchsucht man sein Gedächtnis nach Äußerungen, aus denen einem selber oder anderen ein Strick gedreht werden kann? Geht man in Gedanken alle möglichen Verteidigungsstrategien durch?

Und die Gedanken an die Freunde: Wie wird es ihnen ergehen? Sind sie krank vor Sorge? Gab es noch mehr Verhaftungen? 

Wie hat Pater Kentenich es erlebt? Wir wissen nicht viel aus dieser Zeit. Er schweigt darüber, bis auf ganz wenige Ausnahmen.

In einem Brief Pater Kentenichs nach Neujahr 1942 finden wir folgende Aussagen:

„Gestern fragte mich ein Herr, … ob ich denn nicht auch bisweilen schwere Stunden hätte. Ehrlich konnte ich ihm antworten: Nicht nur keine schwere Stunde, nein, nicht einmal eine schwere Sekunde, auch nicht bei Gelegenheit der Kellerhaft mit ihrer außergewöhnlichen Zermürbungsmaschine. … All die Dinge haben mich tatsächlich nicht berührt. Waren lauter Kleinigkeiten, wenn ich an Pauli Leidenskatalog (vgl. 2 Kor 11,19 ff) denke. Habe alles für so selbstverständlich gehalten, … Das kommt daher, weil ich mich schon sehr, sehr lange auf den Flügeln der Sehnsucht zu dem Erlebten und viel Schlimmerem emportragen ließ. … Rechnen Sie dazu die vielen Gebete und Opfer der Gesamtfamilie und das Bewusstsein, dieser auserwählten Familie seine Leidenskraft schenken zu dürfen, …“

So kommt der 18. Oktober 1941. Pater Kentenich ist noch immer im Bunker, weiß aber, dass heute der Jahrestag der Gründung Schönstatts ist. Er rechnet an diesem Tag mit einem besonderen Gnadengeschenk Gottes. In ihm wird die Hoffnung wach, an diesem Gedenktag frei zu werden. Gleichzeitig regt sich in ihm der Gedanke: Wenn es jetzt Gottes Wille wäre, dass du hier unten bleiben solltest? Bist du dazu bereit? Und er kann ehrlich sagen: Mit Freuden bin ich bereit.

Im Vater geborgen

Wie kann man zu so einer Haltung kommen? Nur mit einer ganz tiefen Liebe zu Jesus und einem ganz starken Glauben, dass wir Kinder Gottes und in allen Situationen im Vater geborgen sind.

„Nimm hin, o Herr, meine ganze Freiheit, mein Gedächtnis, meinen Verstand, meinen ganzen Willen und mein ganzes Herz. Alles hast Du mir gegeben, alles schenke ich Dir vorbehaltlos zurück; mache damit, was Du willst. Nur eines gib mir: Deine Gnade, Deine Liebe und Fruchtbarkeit. Deine Gnade, damit ich mich freudig Deinem Wünschen und Wollen beuge. Deine Liebe, damit ich mich allzeit als Deinen Augapfel geliebt glaube, weiß und bisweilen fühle. Deine Fruchtbarkeit, damit ich in Dir und der lieben Gottesmutter recht fruchtbar werde für unser gemeinsames Werk. Dann bin ich überreich genug, und ich will nichts anderes mehr.“ (Pater Kentenich in einem Brief vom 28.10.41, in Anlehnung an das bekannte Gebet von Ignatius von Loyola)

Ob auch wir zu so einer Liebe reifen können?

Pater Kentenich sagte gerne: So wie wir das Gehen nur durch gehen lernen, so lernen wir das Lieben nur durch lieben. Wie beim kleinen Kind aus dem schwankenden Vorwärtskommen nach und nach ein sicherer Schritt wird, so wächst auch unsere Fähigkeit zu lieben, indem wir sie täglich trainieren: ein gutes Wort auch an jemanden, den ich eigentlich nicht so mag; eine ungeliebte Arbeit dennoch ganz bewusst mit Liebe getan; ein erster Schritt der Versöhnung, wenn mich jemand verletzt hat; ein positives Wort, wo nur negativ geredet wird; die Gebrechen von Alter und Krankheit geduldig ertragen … Das alles aus Liebe zu Christus und seiner Mutter.

Aus dem Keller befreit

Und das Wunder geschieht: Am 18. Oktober 1941 endet die Dunkelhaft. Pater Kentenich wird – nein, nicht in die Freiheit und nach Schönstatt entlassen – sondern in das sogenannte Karmelgefängnis, ein ehemaliges Karmelkloster, in Koblenz gebracht. Von dort können auf geheimen Wegen kurze Briefchen nach Schönstatt und wieder zurück wandern. Von einem Turmfenster der benachbarten Kirche kann man das Fenster seiner Gefängniszelle und mit ein bisschen Glück auch sein Gesicht am Fenster sehen. In seinem ersten Briefchen formuliert er zwei Fragen zum Nachdenken:

  • „Warum habt ihr mich gesucht? Wusstet ihr denn nicht, dass ich in dem sein muss, was meines Vaters ist?
  • Eine größere Liebe hat niemand, als wer sein Leben hingibt für die, die er gern hat.“

Aussichtslos?

Alleine, verlassen.
Keiner kümmert sich um mich.
Ich bekomme keine Luft mehr,
das alles macht mich krank.
Es gibt keinen Ausweg.
Alles ist kalt und dunkel!
Wie lange noch?
Ich kann nichts tun, warte auf das, was noch kommen wird.
Gibt es noch eine Steigerung der Qual?
Was machen die anderen?
Haben sie mich vergessen?
Lachen sie über mich?
Freuen sie sich an meinem Untergang?
Wo finde ich Erleichterung, Hilfe, Rettung?

Von allen Seiten werden wir in die Enge getrieben und finden doch noch Raum; wir wissen weder aus noch ein und verzweifeln dennoch nicht; wir werden gehetzt und sind doch nicht verlassen; wir werden niedergestreckt und doch nicht vernichtet. Wohin wir auch kommen, immer tragen wir das Todesleiden Jesu an unserem Leib, damit auch das Leben Jesu an unserem Leib sichtbar wird. (2 Kor 4, 8-10)

Artikelserie: Den kühnen Weg des Glaubens nachgehen


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