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20. September 2016 | Was bewegt | 

Verhör, Verhaftung, Dunkelhaft, KZ - Start einer dreiteiligen Artikelserie


Pater Josef Kentenich, 1941 (Foto: Archiv Marienschwestern)

Pater Josef Kentenich, 1941 (Foto: Archiv Marienschwestern)

Heute vor 75 Jahren, am 20 September 1941, nachdem bereits mehrere Mitglieder der Schönstatt-Bewegung von der geheimen Staatspolizei des Dritten Reiches verhaftet worden waren, traf es auch den Gründer Schönstatts, Pater Josef Kentenich. Er wurde zum Verhör gebeten, verhaftet und musste vier Wochen Dunkelhaft ertragen. Anfang des Jahres 1942 wurde er ins Konzentrationslager Dachau überstellt. Für Kentenich, dem schon früh klar war, dass es beim Nationalsozialismus „nichts gibt, wo das Taufwasser auftreffen könnte“, war die Entwicklung, die schließlich zu seiner Internierung im Konzentrationslager führte, ein „kühner Weg des Glaubens“. Mitglieder des Schönstatt-Frauenbundes, Bayern, haben dazu eine Artikelserie vorbereitet, die mit dem heutigen Datum beginnt und am 18. Oktober und 20. Januar 2017 ihre Fortsetzung finden wird.

Den kühnen Weg des Glaubens nachgehen (Foto: Schönstatt-Frauenbund Bayern)

Den kühnen Weg des Glaubens nachgehen (Foto: Schönstatt-Frauenbund Bayern)

Den kühnen Weg des Glaubens nachgehen

Schönstatt-Frauenbund, Bayern. 20. September 1941. Pater Kentenich zieht seinen ältesten Talar und ein Paar abgelaufener Schuhe an. Er ahnt, dass er vom Verhör durch die Geheime Staatspolizei (kurz: Gestapo) nicht mehr zurückkommen wird. In den letzten Monaten sind bereits mehrere Mitglieder der Schön­statt­be­wegung verhaftet worden. Am 14. September steht die Gestapo auch vor seiner Tür. Mit Hinweis auf den bevor­stehen­den Exerzitienkurs wird der Termin für das Verhör auf den 20. September 1941 festgesetzt.

Es ist die Zeit der Auseinandersetzung mit dem National­sozialismus. Anders als viele Zeitgenossen erkennt Pater Kentenich von Anfang an, dass es in dieser Strömung „nichts gibt, wo das Taufwasser auftreffen könnte“. Deswegen konnte die Konfrontation mit der Gestapo nicht ausbleiben. Sie gipfelt in der Schönstatt­geschichte im Geschehen vom 20. Januar 1942, das sich 2017 zum 75. Mal jährt. Es geht dabei um Pater Kentenichs vorsehungsgläubige Entscheidung mit all ihren Folgen, sich nicht lagerunfähig schreiben zu lassen. Dieser Artikel, sowie Impulse zu weiteren, wichtigen Daten laden ein, den spannungs- und segensreichen Glaubens­weg der Schönstatt­familie in dieser Zeit zu entdecken und nachzugehen.

Schwanenlied

Am 19. September 1941 beginnt Pater Kentenich seinen letzten Vortrag vor seiner Verhaftung mit den Worten: „Ich singe jetzt mein Schwanenlied, das letzte Lied, das ich zum Lob der Gottesmutter singe.“

Er zeigt darin seine Strategie zur Bewältigung der kommenden schwierigen Situationen auf und gibt seine ureigenste Erfahrung weiter: Im Herzen der Gottesmutter bin ich in allen Situationen immer geborgen und gesichert.

„Der Herr selber hat sie für uns vorgesehen: Mutter der Barmherzigkeit soll sie für uns sein. ‚Ecce mater tua, siehe deine Mutter!’ ruft er uns zu. Durch dieses Wort hat der Herr selber uns das Herz seiner Mutter als Wohnung geschenkt. (...) Es ist eine gesicherte Wohnung, eine gesicherte Heimat, weil Gott selber sie uns gebaut hat. (...) Es ist auch eine bewährte Wohnung. Wie viele Menschen haben schon in ihr Schutz gefunden! Wie viele sind darin schon emporgereift zu heldenhaften, kraftvollen Gestalten! Wir wollen in dieser Wohnung lernen ein zartes Eingehen auf die göttlichen Wünsche und Pläne, zarte Gewissenhaftigkeit, die immer nur fragt: Herr, was willst du, dass ich tun soll? (Apg 9,6) (…) Wir müssen in den Stürmen der Zeit dastehen wie die Gottesmutter, (…) nur einen Gedanken denkend: Gottes Wunsch und Wille über alles! (…) Wir vergessen es nicht: es kann uns nichts passieren, was nicht vom lieben Gott vorgesehen ist (...)".

Pater Kentenich weist hier auf das Ideal des „jenseitigen Menschen“ hin. Ein Mensch, der ganz im Herzen der Gottesmutter beheimatet ist und nach Gottes Willen sucht, auch und gerade in ganz schwierigen und leidvollen Situationen. Diese Strategie wendet er selbst in allen Situationen seiner Gefangenschaft an.

Verhaftung

Im Verhör gegen 13.00 Uhr – bestellt war er um 8.00 Uhr, so lange ließ man ihn im Ungewissen warten – wehrt er sich gegen die Vorwürfe der Hetze gegen Partei und Staat und der Zersetzung der Volksgemeinschaft entschieden mit Texten aus der ersten Gründungsurkunde Schönstatts vom 18. 10. 1914: Er weist darauf hin, dass er damals die jungen, künftigen Soldaten ermutigte, den 1. Weltkrieg zur "Arbeit an sich selber" auszunutzen, um auf diesem Weg das Vaterland von seinen übermächtigen Feinden zu befreien. Dass Pater Kentenich sich nicht ohne weiteres der Willkür der Gestapo aussetzen will, zeigt, dass er auf einem zweiten Verhör besteht, das dann auch am 21. 9. stattfindet.

Wie nicht anders zu erwarten, folgt die Verhaftung. Zu einem Beamten, der ihn in die Zelle führt, sagt er scherzhaft: „Jetzt kann ich endlich einmal Ferien machen.“

Dunkelhaft

Wie sahen diese „Ferien“ aus? Vier Wochen lang „bewohnte“ er eine Einzelzelle im Keller des Hauses. Dieser Raum war früher ein Sicherheitstresor der Reichsbank: nur Beton, keine Heizung, kein Licht, wenig frische Luft, dafür aber das Gebrüll der Aufseher und Verzweiflungsschreie der Mitgefangenen. Andere Häftlinge erlitten schon nach wenigen Tagen einen Ner­ven­zusam­menbruch. Kentenich selbst bezeichnet diese Art der Gefangenschaft später als außergewöhnliche Zermürbungs­maschine. Durch das Singen von Liedern versucht er, die Atmosphäre zu prägen und ein bisschen Hoffnung auszustrahlen.

Durch die Beheimatung im Herzen der Gottesmutter und den festen Glauben, dass Gottes Vaterhand auch hier am Wirken ist, übersteht er die vierwöchige Dunkelhaft, um am Ende innerlich frei aus dem Keller emporzusteigen – vorerst in eine gewöhnliche Zelle ...

… nachgehen

Etwas Neues beginnt.
Es kommt unausweichlich auf mich zu.
Freiwillig hätte ich es nie gemacht.
Aber ich komme nicht aus,
kann und will nicht kneifen.
Die Schlinge zieht sich immer enger.
Es wird schwierig, kostet Kraft, geht an die Substanz
– vielleicht sogar auf Leben und Tod.
Altes, Vertrautes muss ich zurücklassen, aufgeben.
Wie wird es werden?
Werde ich durchhalten?
Werde ich Hilfe finden,
die richtigen Worte und Wege zur rechten Zeit?
Noch gibt es eine Gnadenfrist.
Was muss noch gesagt oder getan werden?
Was hilft mir?
Was hilft denen, die zurück bleiben?

Als Jesus nach Jerusalem hinaufzog, nahm er unterwegs die zwölf Jünger beiseite und sagte zu ihnen: Wir gehen jetzt nach Jerusalem hinauf; dort wird der Menschensohn den Hohenpriestern und Schriftgelehrten ausgeliefert; sie werden ihn zum Tod verurteilen und den Heiden übergeben, damit er verspottet, gegeißelt und gekreuzigt wird; aber am dritten Tag wird er auferstehen. (Mt 20, 17-19)


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