Nachrichten

2. Juli 2016 | Miteinander für Europa | 

Ein dichter, spirituell tiefer Vormittag im Miteinanders


Jesus Christus in die Mitte stellen (Foto: MfE, Haaf)

Jesus Christus in die Mitte stellen (Foto: MfE, Haaf)

Elmar Busse. Der bayerische Himmel machte seinem Ruf alle Ehre und erstrahlte in Weiß-Blau, als die 1700 Teilnehmer in den Zirkus-Krone-Bau strömten. Stimmungsvolle Fotos vom Vortag, untermalt mit dezenter Saxophonmusik, ließen einen „ankommen“. Christoph Hemberger von der Gemeinschaft Immanuel Ravensburg und Marienschwester Vernita Weiß moderierten den Vormittag. Michelle Moran /London hielt eine Meditation über Hebr 12,1. Die Wolke von Glaubenszeugen, die uns umgibt und die wir selber auch mit darstellen, kann uns ermutigen, im Glauben zu wachsen.

Schwester Nicole Grochowina  (Foto: MfE, Haaf)

Schwester Nicole Grochowina  (Foto: MfE, Haaf)

Der Geschmack des geteilten Brotes sucht seinesgleichen

Schwester Nicole Grochowina (Christusbruderschaft Selbitz) hatte in intensiver Nachtschicht das Unmögliche möglich gemacht und die Ergebnisse der 19 Foren vom Vortag zusammengefasst in dem Zitat: „Der Geschmack des geteilten Brotes sucht seinesgleichen.“ Aus diesem Satz entwickelte sie drei Imperative:

  • Lasst uns mehr als bisher mit der Welt zu Tisch sitzen!
  • Lasst uns die eigenen Wunden anschauen und verbal und mental abrüsten!
  • Lasst uns mitten in der Welt Missionare der Hoffnung sein! Dazu braucht Gott alle Generationen.
Prof. Marco Impagliazzo (Foto: MfE, Haaf)

Prof. Marco Impagliazzo (Foto: MfE, Haaf)

Er ist aber für alle gestorben, damit die Lebenden nicht mehr für sich leben, 2 Kor 5,15

Nach dem komprimierten Rückblick auf den vergangenen Nachmittag sprach Prof. Marco Impagliazzo, Präsident der Gemeinschaft Sant’ Egidio, Rom. Er überbrachte Grüße von Andrea Riccardi, dem Gründer dieser Gemeinschaft, der zur Zeit zu Friedensverhandlungen in Mozambique weilt und deshalb am Kongress nicht teilnehmen kann. Ausgehend von 2 Kor 5,15 „Er ist aber für alle gestorben, damit die Lebenden nicht mehr für sich leben“ übertrug er diesen Bibelvers auf Europa. Es soll nicht für sich selbst leben, sondern die Werte, die zu seinem politischen Einigungsprozess geführt haben, sollten gerade von den Christen immer wieder in die Diskussion und in die politische Willensbildung eingebracht werden. Ganz konkret bat er um intensiveres Gebet für den Frieden in der Ukraine.

Gérard Testard (Foto: MfE, Haaf)

Gérard Testard (Foto: MfE, Haaf)

Prof. Michael Hochschild (Foto: MfE, Haaf)

Prof. Michael Hochschild (Foto: MfE, Haaf)

Prophetisch-kritisches Potential des Christentums

Gérard Testard [Efesia / Paris] sprach anschließend über den Glauben im öffentlichen Raum. Der Laizismus, der in Frankreich zu einer viel strikteren Trennung zwischen Staat und Kirche geführt hat, stellt gerade für die geistlichen Bewegungen eine interessante Herausforderung dar. Im Rückgriff auf Dietrich Bonhoeffer lud er die Anwesenden ein, das prophetisch-kritische Potential des Christentums viel stärker in die gesellschaftlichen Diskussionen einzubringen, denn die Gesellschaft als ganze ist nie wertneutral.

Dem Einzelnen Halt und Orientierung anbieten

Prof. Michael Hochschild / Paris skizzierte die geistlichen Bewegungen als Hoffnungsträger für die Zukunft, mahnte aber auch an, dass die geistlichen Bewegungen noch stärker zu sozialen Bewegungen, die letztlich gesellschaftsverändernd wirken können, werden müssen. Aus der Multioptionsgesellschaft ergeben sich eine Formlosigkeit und ein Mangel an klarer Gestaltung, was wiederum zur Entheimatung vieler führt. Darin liegt andererseits auch die Chance der geistlichen Bewegungen, dass sie dem Einzelnen Halt und Orientierung anbieten.

Angst kann zum Lernort des Vertrauens und des Glaubens werden

Herbert Lauenroth [Focolare-Bewegung Ottmaring] griff ein Bild auf, das zum Tagungsort passte: Die Trapezkünstler, denen es gelingt, durch ihren Schwung die Anmut des Schwerelosen darzustellen, und die doch gleichzeitig vom gegenseitigen Vertrauen leben, dass der Springende vom Fänger wirklich aufgefangen und gehalten wird. Angst als Grundgefühl des Menschen hat durch neue Schreckensszenarien, wie Terror bzw. Flüchtlingskrise neue Nahrung bekommen. Gleichzeitig wird deutlich, dass gerade die Angst zum Lernort des Vertrauens und des Glaubens werden kann – nicht das Lebensgefühl der Sicherheit.

Herbert Lauenroth (Foto: MfE, Haaf)

Herbert Lauenroth (Foto: MfE, Haaf)

Maria Emmaus Voce (Foto: MfE, Haaf)

Maria Emmaus Voce (Foto: MfE, Haaf)

Steffen Kern (Foto: MfE, Haaf)

Steffen Kern (Foto: MfE, Haaf)

Thomas Römer (Foto: MfE, Haaf)

Steffen Kern (Foto: MfE, Haaf)

Der Einheit Europas eine neue Dynamik schenken

Maria Emmaus Voce, die Präsidentin der Focolare-Bewegung zeichnete ein Bild von Europa, das ganz anders aussieht als das nach der friedlichen Wende von 89/90. Damals fielen Grenzen, der Traum vom friedlichen Miteinander schien greifbar nahe. Schließlich kam es 2004 zur Osterweiterung der EU. Die integrative Kraft der Europa-Vision der Gründerväter entwickelte ihre volle Dynamik. Heute müssen wir dagegen Auflösungstendenzen feststellen. Die Grundlagen der Solidarität wurden erschüttert (Griechenlandkrise, BREXIT). Das Zusammenfallen der Flüchtlings-, Wirtschafts- und Demographiekrise verdunkelt die Werte, die die christlichen Gründerväter der EU bewegt hatte.

Ob nicht gerade für diese Nacht Europas der Heilige Geist von langer Hand das Miteinander der geistlichen Bewegungen ins Leben gerufen hat, um der Einheit Europas eine neue Dynamik zu schenken?

Hoffnungshaus

Steffen Kern [Evangelischer Gemeinschaftsverband Württemberg] stellte ein ganz konkretes Projekt vor: Das Hoffnungshaus im Rotlichtmilieu von Stuttgart, das am 2.7. eingeweiht werden wird, um Frauen, die unter falschen Versprechungen nach Deutschland gelockt worden waren, eine Aussprache- und Schutzmöglichkeit anzubieten.

Spirituell tiefer Vormittag

Den unwahrscheinlich dichten, spirituell  tiefen und gedankenschweren Vormittag schloss Pfarrer Thomas Römer [CVJM München] mit einer Meditation über Apg 16,9 ab. Paulus träumt von einem Mazedonier, der ihn bittet, von Kleinasien nach Europa zu kommen und zu helfen. – Damals hat der christliche Glaube Europa geholfen, eine unwahrscheinlich geistig-kulturelle Entwicklung in den nächsten Jahrhunderten an den Tag zu legen. Könnte heute nicht wieder Ähnliches geschehen?


Top