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6. Januar 2016 | Impuls aus Schönstatt | 

7 Thesen zum „Jubiläum der Barmherzigkeit“


Impuls aus Schönstatt (Foto: Brehm)

Hbre. Mit der Ausrufung eines „außerordentlichen Jubiläumsjahres der Barmherzigkeit“ hat der Heilige Vater, Papst Franziskus, einem Begriff Aktualität verliehen, der im aktuellen Sprachgebrauch eher seltener vorgekommen ist. Dieses „Heilige Jahr“ ist für Jeden und Jede eine Einladung, den Lebensvorgang „Barmherzigkeit“ im Zusammenhang mit dem Ritual des Durchschreitens einer „Heiligen Pforte“ sinnenfällig zu erfahren sowie persönlich neu zu entdecken und anzureichern. Dazu will auch der nachfolgende ImPULS aus Schönstatt mit 7 Thesen zum „Jubiläum der Barmherzigkeit“ einladen.

7 Thesen zum „Jubiläum der Barmherzigkeit“

1. Wortbedeutung

„Barmherzigkeit“ ist heute zum Wort einer Sondersprache geworden. Es klingt in den Ohren der Menschen unseres Kulturkreises eher fremd. Wenn überhaupt wird es gleichbedeutend mit „Mitleid“ verwendet.

In der Sprachentwicklung ist das deutsche Wort eine Übersetzung des lateinischen „misericordia“. „miseror“ bedeutet „bemitleiden, beklagen“, „cor“ bedeutet „Herz“. So meint Barmherzigkeit vom Ursprung her also „Jemanden, der im Unglück ist, von Herzen bemitleiden“ – „Ein Herz haben für den, der unglücklich ist“.

Im allgemeinen Lebensfühl ist diese Art von Barmherzigkeit fast nur noch im privaten Bereich relevant. Unsere Sozialsysteme machen eine Versorgung Bedürftiger etwa durch Almosen und Spenden weitgehend überflüssig. Spendenaktionen im kirchlichen Bereich oder nach Katastrophen erinnern an das, was gemeint ist.

2. Barmherzigkeit und Gerechtigkeit

Menschen wollen einander „auf gleicher Augenhöhe“ begegnen. Keiner will barmherzig behandelt werden,  weil das ein Gefälle vom Geber zum Beschenkten beinhaltet und den Beschenkten vielleicht sogar bloßstellt. Wir wollen gerecht behandelt werden. Jeder möchte das für sich beanspruchen, was ihm von Rechts wegen zusteht.

Hier gilt es zu unterscheiden zwischen einer distributiven Gerechtigkeit, nach der alle gleich behandelt werden und gleich viel haben sollen, und einer ausgleichenden Gerechtigkeit, die auf die Bedürfnisse der einzelnen eingeht, also auch deren Notlagen ausgleicht. Barmherzigkeit lässt „Gnade vor Recht ergehen“. Sie schaut das an, was der andere in seiner Lebenssituation braucht.

3. Die unbedingte Liebe Gottes

Das, was Papst Franziskus mit dem „außerordentlichen Jubiläum der Barmherzigkeit“ – eröffnet am 8. Dezember 2015, gefeiert bis zum Christkönigfest 2016 – meint, greift aber über das hinaus, was wir in unserem Wortgefühl mit dem Begriff meinen.

Liest man die Verkündigungsbulle „Misericordiae vultus“, fällt auf, dass die Worte „Barmherzigkeit“ und „Liebe“ als Eigenschaften Gottes fast gleichbedeutend verwendet werden. Gottes unbedingte Liebe, die in Jesus Christus ein Gesicht bekam (MV 1 und öfter), meint die persönliche Zuwendung Gottes zu jedem einzelnen Menschen. „Gottes Barmherzigkeit ist nicht eine abstrakte Idee, sondern eine konkrete Wirklichkeit, durch die Er seine Liebe als die Liebe eines Vaters und einer Mutter offenbart, denen ihr Kind zutiefst am Herzen liegt. Es handelt sich wirklich um eine leidenschaftliche Liebe. Sie kommt aus dem Innersten und ist tiefgehend, natürlich, bewegt von Zärtlichkeit und Mitleid, von Nachsicht und Vergebung.“ (MV 6) Gottes Barmherzigkeit ist also nicht nur eine Großzügigkeit gegenüber den sündenanfälligen Menschen oder ein Wegwischen von Unzulänglichkeiten, sondern vorbehaltlose und liebevolle Zuwendung. 

Wortwolke Barmherzigkeit (Grafik: Brehm)

Wortwolke Barmherzigkeit (Grafik: Brehm, made with tagxedo.com)

4. Sich erlauben, Kind zu sein

Die Liebe eines Vaters und einer Mutter, die diese vom Herzen her ihrem Kind entgegenbringen, sieht der Papst nicht nur als Vergleich für die Liebe Gottes. Dessen Liebe wird als Vater- und Mutterliebe identifiziert. Genau darin dürfte aber ein Problem für den heutigen, emanzipierten Menschen liegen. Er tut sich schwer, die Rolle eines umsorgten Kindes anzunehmen. Das Ziel der Kindheit ist, erwachsen zu werden. Als Erwachsener Kind zu sein oder zu werden, gilt als unangemessen, ehrenrührig, regressiv.

Diese Sicht  vergisst, dass es zur conditio humana, zum Wesen des Menschen gehört, nicht überall und jederzeit der Starke, Wissende, Überlegene sein zu können. Zur Gesundheit und Heiligung des Menschen gehört es, dass er auch schwach, unwissend und ratlos sein darf  – und das vor einem anderen, dessen liebevollen Dienst und heilsame Pflege (griechisch: therapeia) er gerne und dankbar zulässt.

Das Jubiläum der Barmherzigkeit Gottes könnte also zu einer Zeit werden, in der der emanzipierte Mensch neu lernt und sich selbst erlaubt, in neuer Weise Kind zu sein, letztlich Kind zu sein vor Gott.

5. Wie Gott barmherzig sein

Die Barmherzigkeit Gottes gegenüber den Menschen ist der Maßstab für die Barmherzigkeit der Menschen unter Menschen (Lk 6,36): „ Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist!“ Im griechischen Wort für Barmherzigkeit und Barmherzig-Sein schwingt der Affekt der Rührung und des Mitleids mit. Es geht um herzliches Mitgefühl.

Wir sollen uns also als Menschen mit innerer Einfühlung, mit Empathie einander so sehen, aneinander glauben und Wertvolles entdecken, einander aufbauen und fördern, wie Gott es mit den Menschen tut. „Denn Gott ist ein Gott der Menschen und will sein Heil für die Menschen durch Menschen wirken. Auch das ist ein Zeichen seiner Menschlichkeit und seiner Barmherzigkeit, die in Maria in einer exemplarischen und einmaligen Weise aufleuchtet“, so Walter Kardinal Kasper (in: Barmherzigkeit, S. 213 Freiburg: Herder).

Das mütterlich-väterliche Füreinander-Dasein hat aber nichts zu tun mit paternalistischem Gönnen von oben herab, sondern mit einem liebevollen Miteinander und Füreinander. In diesem Sinn schafft Barmherzigkeit Beziehung und eine Beziehungskultur, sie heilt kranke Beziehungen und überwindet eine „Globalisierung der Gleichgültigkeit“. Das hat Konsequenzen für das Miteinander der Menschen auf allen Ebenen, in Partnerschaft, Familie oder Nachbarschaft genauso wie in Politik und Gesellschaft, heute besonders in der Zuwendung zu den Flüchtlingen in unserem Land.

6. Barmherzige Kirche

Weil es der Auftrag der Kirche ist, Gottes Liebe zu verkünden, ist für Papst Franziskus die Barmherzigkeit „der Tragebalken, der das Leben der Kirche stützt“ (MV 10): „Die Glaubwürdigkeit der Kirche führt über den Weg der barmherzigen und mitleidenden Liebe.“ Die Öffnung für die Welt, die das Zweite Vatikanische Konzil wollte, ist darum eine barmherzige Zuwendung (GS 1): „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Herzen seinen Widerhall fände.“

Wenn Papst Franziskus die Thematik der Barmherzigkeit und seine Sorge für Ehe und Familie im Zusammenhang mit den beiden Bischofssynoden zeitlich einander zuordnet, ist das ein bewusstes Zusammentreffen. Es bleibt abzuwarten, welche Konsequenzen er in seinem postsynodalen Schreiben aus dieser Zuordnung zieht.

7. Das Durchschreiten der Heiligen Pforte

Das Ritual, während des Jubiläums eine Heilige Pforte zu durchschreiten, soll uns sinnenfällig erleben lassen, dass Gott uns tatsächlich die Pforten seiner Barmherzigkeit auftut. Es ist zugleich die Verheißung, dass es mit Gottes Hilfe gelingen kann, sich im Umgang mit den Nächsten und Fernsten die Haltung der Barmherzigkeit anzueignen.

Zum Öffnen dieser Pforten gehört es, dass wir persönlich begreifen und verstehen, was Barmherzigkeit bedeuten kann. Gerade im Blick auf den heute eher zurückhaltenden Gebrauch des Wortes möchten wir Begriffe, Vorstellungen und Bilder suchen, die uns und anderen das Gemeinte verdeutlichen.

Dr. Hubertus Brantzen

Arbeitskreis Impuls aus Schönstatt
E-Mail impuls@schoenstatt.de

Unsere Einladung an Sie: Senden Sie uns zu folgenden Fragen Ihre persönlichen Überlegungen!

  • Was ist für Sie „Barmherzigkeit“?
  • Was bedeuten die sogenannten „Werke der Barmherzigkeit“ für Sie heute?
  • Welche anderen, heute gängigen Begriffe ordnen Sie dem Begriff der Barmherzigkeit zu?
  • Was ist für Sie der Lebensvorgang, die innere Bewegung, Barmherzigkeit zu erfahren und Barmherzigkeit zu schenken?
  • Senden Sie uns per E-Mail (an impuls@schoenstatt.de)
    Bilder oder Fotos, die für Sie Barmherzigkeit ausdrücken! (Quellenangabe bitte nicht vergessen)

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25.7.2016 - 18:20

Vor kurzem war ich zum ersten Mal in Schönstatt und für mich ist es zum Inbegriff der Barmherzigkeit geworden - meine innere Abwehr zu überwinden - mein Herz zu öffnen - und so durch die Pforte der Barmherzigkeit zu gehen ….

Ich bin überaus dankbar, für das dort erlebte hilfreiche und supergute Gespräch und auch für das Sakrament der Versöhnung, das zu einem Neuanfang für mich wurde.

24 Stunden Schönstatt … hat mich tief berührt - und so entstand dieses Foto und dieses Gedicht …

Beate

Beitrag zum Thjema Barmherzigkeit (Foto&Text: Beate)

Beitrag zum Thjema Barmherzigkeit (Foto&Text: Beate)

13.1.2016 - 12:04

Barmherzigkeit fängt bei sich selbst an -
Schwächen und Fehler sich eingestehen- den andern in seinem So-sein zu verstehen suchen, nicht gleich urteilen.
Die Werke der Barmherzigkeit hat Bischof Wanke im Jahr 2007 treffend formuliert und haben für mich große Bedeutung.

Barmherzigkeit heißt für mich so etwas wie Geschwisterlichkeit: sich einander mitteilen , teilen und Ja sagen, auch wenn der andere Fehler hat- ich selber habe auch Fehler.

In der Krise habe ich Barmherzigkeit erfahren in der Güte anderer, in der geistlichen Begleitung, in der Therapie: Wenn kein Stein mehr auf dem andern liegt, dann erhebt Euer Haupt, denn dann ist Eure Erlösung nahe. Gott spricht zu mir: Du bist meine geliebte Tochter ...
Diese Liebe Gottes möchte ich an andere weiterschenken.

Sr. Petra Brinkschulte
Bonn

12.1.2016 - 21:08

Ich möchte hinweisen auf einige Texte, die ich auf www.hoffnungsvoll-leben.de gefunden habe und die in vielfältiger Weise ausdrücken, was Barmherzigkeit ist / sein kann, Wie sie sich äußert, was ich selbst tun kann, wie die Werke der Barmherzigkeit heute / im Alltag aussehen ...
Diese Texte regen an, die Barmherzigkeit "zu betrachten".

Anonym
Deutschland

6.1.2016 - 20:45

Die Barmherzigkeit ist Liebe ohne Grenzen. Werke der Barmherzigkeit sind, den Menschen zu erkennen, wie er ist und was er ist, ihn trotz eventueller Schwäche immer wieder geistig in die Arme und an die Hand zum Vater, zur Mutter zu führen.

Ich hatte 30Jahre eine geistige Mutter, die vor 10 Jahren verstorben ist! Sie zeigte so viel geistige Liebe, so viel Barmherzigkeit, förderte und forderte mich so sehr, dass ich heute als gesunder Mensch (als einzigste in meiner leiblichen Famile) so richtig lebensfähig bin, obwohl ich ein abgestoßenes Kind war.

Ich erlebe immer wieder bei meinen Besuchen in Schönstatt - ganz besonders auf dem Berg Sion - in der geistigen Beheimatung die Barmherzigkeit der Gottesmutter. Ich fahre immer beseelt nach Hause!

Ulli
Deutschland Alpen


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