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18. September 2015 | Worte des Bewegungsleiters | 

Das II. Vatikanisches Konzil als Auftrag an Schönstatt


Jubiläumsmotiv 2015 der Schönstatt-Bewegung in Deutschland (Grafik: Kiess)

Jubiläumsmotiv 2015 der Schönstatt-Bewegung in Deutschland (Grafik: Kiess)

Liebe Mitglieder und Freunde unserer Schönstatt-Bewegung!

Vor einem Jahr standen wir in Schönstatt kurz vor der Feier des 100. Jubiläums. Die Spannung stieg täglich, bis schließlich die Feiern in Schönstatt und Rom unsere Hoffnungen und Erwartungen mehr als erfüllten. In diesem Jahr dürfen wir weit stiller und besinnlicher andere wichtige Ereignisse unserer Geschichte wahrnehmen und nachbetrachten. Es jährt sich zum 50. Mal die Rückkehr Pater Kentenichs aus dem Exil. So fallen der Beginn seines Wirkens für die Schönstatt-Bewegung und seine letzte Schaffensphase im erinnernden Gedenken zusammen.

Am 17. September 1965 kam Pater Josef Kentenich nach 14 Jahren Verbannung aus seinem Exil in Milwaukee zurück nach Europa. Seine Rückkehr war die prompte Antwort auf die Bitte um seine Heimkehr, die sich mit der Einweihung des „Heiligtums der Einheit“ in Cambrai (Frankreich) verband. Ein Telegramm am Tag nach der Einweihung veranlasste ihn, seinen Koffer zu packen und sofort aus den USA nach Rom zu reisen. Dort wusste niemand etwas von dem Telegramm. Beim gerade stattfindenden II. Vatikanischen Konzil gab es Bemühungen um seine Rehabilitierung, die durch seine überraschende Rückkehr mehr belastet als gefördert wurden. Dennoch gelang es, dass er am 22. Oktober durch Papst Paul VI. rehabilitiert wurde und schließlich am Heiligen Abend 1965 wieder nach Schönstatt zurückkehren konnte.

II. Vatikanisches Konzil als Auftrag an Schönstatt

Kurz nach Ende des Konzils am 22.12.1965 hatte Pater Kentenich die Gelegenheit einer besonderen Audienz bei Papst Paul VI. Dieser drückte Anerkennung und Wohlwollen für ihn und sein Werk aus. Pater Kentenich erinnert sich: „Ich stehe da und höre still zu. Wenn ich Ihnen aber etwas wiedergeben sollte, könnte ich verzweifelt wenig sagen. Wissen Sie, weshalb? Es war eine einzige Lobrede.“1 Dann antwortete er dem Heiligen Vater: „Ich verspreche dem Papst im Namen der ganzen Familie, mich mit der Familie dafür einzusetzen, dass die postkonziliare Sendung der Kirche möglichst vollkommen verwirklicht würde. […] unter dem Schutze der Gottesmutter als Mutter der Kirche.“2 Das II. Vatikanische Konzil, das in der jüngeren Kirchengeschichte das einschneidendste Ereignis war, ist auch in der Schönstatt-Geschichte zu einem Wendepunkt und Neuanfang geworden. Wo es bisher Argwohn und Verdächtigungen gab, war nun Wohlwollen, Anerkennung und Freundschaft zu spüren.

50 Jahre nach dem Konzil wird diskutiert, was das Konzil gebracht und ob es sein Ziel erreicht habe. Wir erleben in den Jahrzehnten seit dem Konzil einen starken Rückgang der traditionellen Glaubenspraxis und eine Welle von Kirchenaustritten. Daraus schließen die einen, dass die Reformen verkehrt waren und zu stark mit der Tradition gebrochen hätten. Andere meinen, dass die Reformen nicht weit genug gegangen seien. Gemeinsam ist beiden die Sorge um die Zukunft der Kirche und die Weitergabe des Glaubens. Wie widersprüchlich man die Dinge sehen kann!

Ein geistlicher Dialog

Um richtig zu verstehen und zu deuten, glaube ich, ist es nötig, alle Stimmen zu hören. Im Dialog, im Aufeinander-Hören, können Menschen mit ihrer Sichtweise ihren Teil der Wahrheit zum Ganzen beitragen, sich gegenseitig ergänzen und korrigieren. Die Gemeinschaft der Gläubigen, - die Kirche als in Christus geeinte geistliche Wirklichkeit -, wird vom Heiligen Geist gelenkt. Die Suche nach Gottes Plänen für uns heute braucht Gebet, Einheit und Austausch. Erzbischof Robert Zollitsch hat 2010 zu einem Dialogprozess in der deutschen Kirche aufgerufen, der in den Jahren 2011 bis 2015 stattfand und in diesem Monat in Würzburg zu Ende gekommen ist. Es ging um eine Standortbestimmung 50 Jahre nach dem II. Vatikanischen Konzil. Durch die Pfingstnovene, die zu Tausenden verbreitet wurde, haben wir diesen Gesprächsprozess im Gebet unterstützt. Gewiss bleibt die Frage, wie viel Wirkung diese Initiative hat, die in der eigenen kirchlichen Öffentlichkeit wenig ins Bewusstsein gekommen ist. Stattdessen prägen Schlagzeilen über Skandale einerseits wie auch positiv wahrgenommene Ereignisse in der Weltkirche um Papst Franziskus andererseits das Klima.

Viele Christen sind mit einem solchen geistlichen Dialogprozess nicht vertraut. Wir sind Sachdiskussionen oder rein fromme Andachten gewohnt. Für kirchliche Gremien ist es oft schon viel, wenn sie ein Gebet am Anfang einer Sitzung sprechen. Man arbeitet so, wie es im Beruf gefordert ist: planen, organisieren, diskutieren, machen … Dass man all das tun kann (und muss) und gleichzeitig auf eine tiefere geistliche Ebene kommen könnte, ist vielen fremd. Aber wie anders können wir darauf vertrauen, dass es Jesus Christus ist, der die Kirche führt, und nicht allein wir Menschen?

Vermutlich sind noch Jahrzehnte abzuwarten, bis eine Mehrheit in Übereinstimmung sagen wird, dass das Konzil ein notwendiges und zukunftsweisendes Ereignis war. Ich persönlich glaube daran. Ich sehe die jetzige Situation der Kirche als Folge einer Entwicklung, die lange vor dem Konzil begonnen hat. Es ist nicht Ursache einer Misere, sondern der Beginn einer Antwort, die noch lange nicht voll gegriffen hat. Pater Kentenich sieht sich und Schönstatt vom II. Vatikanischen Konzil bestätigt. Nach dem Konzil hat es die Kirche leichter, Schönstatt anzuerkennen. Kardinal Bea3 , der sich sehr für Pater Kentenich eingesetzt hatte, sagte zu ihm: „Ohne das Konzil wären Sie nie verstanden worden“.4

Die „Stimme“ Schönstatts in der Kirche

Auch in der Schönstattfamilie finden sich verschiedene kirchliche Positionen. Das führt notwendigerweise zu Spannungen. Pater Kentenich konnte so mit Spannungen umgehen, dass sie schöpferisch wurden. Was sagt Schönstatt zu dieser oder jener Frage? Wo ist unser Platz im Spektrum der Kirche? Wir brauchen die Fähigkeit, gemeinsam Antworten zu finden als Frucht eines Dialogs, der Spannungen aushält und schöpferisch wird. Das gelingt, wenn wir rückgebunden bleiben an Jesus Christus, um Seinen Geist bitten und im Liebesbündnis geeint sind.

Die Kirche braucht Schönstatt, das haben wir beim Jubiläum immer wieder gehört. Die Kirche braucht unsere Pädagogik; sie braucht unsere Sicht des Menschen; sie braucht unsere heiligen Orte. Sie braucht unser Apostolat, unsere missionarischen Einsätze, unsere Werke. Sie braucht unser Kirchenbild und unsere Vision. Sie braucht aber vor allem das gelebte Liebesbündnis; sie braucht uns als Familie, die das lebt und schenkt, wofür sie steht.

Im September gedenken wir auch des Heimgangs von Pater Kentenich am 15.9.1968. Auf seinem Sarkophag steht „Dilexit Ecclesiam – Er liebte die Kirche“.

Ich wünsche Ihnen viel Segen zum Bündnistag und die Zuversicht, dass Gott seine Kirche auch heute in die Zukunft führt!

            P. Lothar Herter

Schönstatt–Bewegung Deutschland

1 Vortrag in Münster am 3. Januar 1966.
2 Ebd.
3 Augustin Kardinal Bea SJ (1881-1968) war ein Kurienkardinal der römisch-katholischen Kirche.
4 Zum Kirchenbild Pater Kentenichs:  Peter Wolf (Hrsg.), Erneuerte Kirche in der Sicht Josef Kentenichs. Ausgewählte Texte, Patris­ Verlag, Vallendar­ Schönstatt.


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